Die Aura ist verblasst, die Schulden drücken und Os Belenenses wirkte jüngst in der Europa League überfordert. Am Donnerstag ist der Club, der in Lissabon im Schatten von Benfica und Sporting steht, Gast in der Europa League beim FC Basel (19.00 Uhr, St.-Jakob-Park).
«A Bola», die renommierteste Sportzeitung Portugals, behandelt auch sportfremde Themen und wird Umfragen zufolge von gebildeteren Schichten gelesen als die Konkurrenzblätter «Record» und «O Jogo», in deren Aufmachung die Farben Grün beziehungsweise Blau dominieren. Daraus lassen sich Sympathien für Sporting und Porto ableiten, entsprechend liegen meist die thematischen Schwerpunkte.
Der Clube de Futebol Os Belenenses wurde 1919 im Stadtteil Belém von Lissabon gegründet, ist einer der ältesten Sportvereine Portugals und macht der Bevölkerung ein polysportives Angebot, darunter Handball, Rugby, Basketball, Leichtathletik, Fussball und Futsal. Os Belenenses bedeutet so viel wie «die von Belenenses».
» Die Vereins-Webseite
» Zur Geschichte bei Wikipedia
Als Bibel des Fussballs apostrophiert, bemüht sich «A Bola» um ausgewogene, polyphone Berichterstattung. Eine leichte Schlagseite in Richtung Rot, der Benfica-Farbe, lässt sich aber nicht verhehlen. Die Lissabonner Adler sind unter portugiesischen Fussballfreunden im In- und Ausland am beliebtesten. Also gelten detaillierte, nicht allzu kritische Reportagen über die Vorkommnisse im Adlerhorst als Verkaufsargument.
Man sollte annehmen, der Chefredaktor liege, wenn nicht auf, so doch nahe bei dieser Linie. Jahrzehnte lang wurde «A Bola» aber von Homero Serpa geleitet, einem bekennenden Anhänger von Os Belenenses. Sein Sohn und Nachfolger Vitor Serpa mag die Sympathien teilen, ohne sich zu outen. Solidarität mit den Schwächeren ist für ihn wichtig.
Das Auf und Ab in Belém
Nostalgie könnte ebenso mitspielen. Denn Belenenses war früher eine grosse Adresse, in der Neuzeit des Fussballs sogar einmal Meister (1946), was ausser den «grossen Drei» nur noch Boavista Porto im Jahr 2001 gelang. Ihre letzte Trophäe gewannen die Blauen aus dem noblen Lissabonner Stadtteil Belém 1989: den portugiesischen Cup im Final gegen Benfica.
Zum ersten und einzigen Mal spielte Belenenses im (aufgelösten) Europacup der Cupsieger, im Uefa-Cup und in der Europa League stehen zehn Teilnahmen zu Buche. Abstürze in die zweite Liga und temporäre Aufschwünge prägten das Bild in den letzten Jahrzehnten, von Stabilität konnte keine Rede sein.
» Die Abschlusstabelle der Primeira Liga 2014/15 mit Belenenses als Sechster
Das liebe Geld und der verkaufte Torjäger
Die Aura ist verblasst, Schulden drücken, obwohl ein Teil abgebaut wurde, und von Immobilienprojekten rund um das Restelo-Stadion geht zwar öfter die Rede, konkret hat sich aber kaum etwas getan. Ein Schwimmstadion mit olympischen Dimensionen sollte schon vor 25 Jahren entstehen. Die Einnahmen aus dem Spielbetrieb reichen gerade aus, um laufende Kosten zu tragen. In der ersten Liga sind es 2,8 Millionen Euro pro Saison, in der zweiten Division waren es 600’000 Euro.
Auch Benfica und Sporting stehen unter Spardruck, haben aber das Potenzial, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Aus den jeweiligen Nachwuchszentren Seixal und Alcochete rücken regelmässig Spieler ins A-Team auf, die später nach Spanien, England oder Frankeich verkauft werden. Die Gewinnspannen sind hoch und helfen dabei, das Financial Fair Play der Uefa zu erfüllen.
Von solchen Deals ist Belenenses weit entfernt. Immerhin ein gutes Geschäft wurde kurz vor Beginn dieser Saison abgewickelt. Für zwei Millionen Euro Ablöse wechselte der Brasilianer Deyverson nach Spanien in die Primera División zu Levante. In Belém hatte sich der 24-jährige Gigant zum Topskorer entwickelt.
Der 33-jährige Ex-Nationalspieler Carlos Martins (links, hier im Ligaspiel gegen Porto) soll der Defensive von Belenenses zusammen mit dem 35-jährigen Tonel Halt geben. (Bild: Reuters/MIGUEL VIDAL)
Zwei Ex-Nationalspieler sollen helfen
Ansonsten besteht das Kader fast nur aus Spielern portugiesischer Herkunft, und der Verein mit dem Christuskreuz im Wappen greift gerne auf Spieler zurück, die den Zenit ihrer Karriere überschritten haben. Aktuelle Beispiele sind die ehemaligen Nationalspieler Carlos Martins (33) und Tonel (35). Ersterer führt die Mannschaft mit guter Technik und Übersicht, Letzterer wirkt nach Episoden in Zagreb und beim Zweitligaklub Feirense noch unsicher in der zentralen Abwehr.
Nicht nur Tonel ist es zuzuschreiben, dass Belenenses in sieben Spielen in der Primeira Liga schon 17 Tore hinnehmen musste, mehr als alle anderen Klubs. Auswärts gegen Benfica (0:6) und zuletzt gegen Tabellenführer Porto (0:4) setzte es herbe Niederlagen ab. Trost spendeten zwei Siege in den Pokalwettbewerben während der jüngsten Länderspielphase, darunter das 1:0 am vergangenen Samstag bei Olhanense.
Gegen Sousas Fiorentina überfordert
Auch in der Europa League waren die Blauen vor eigenem Publikum gegen Fiorentina überfordert. Der vormalige Basler Trainer Paulo Sousa erteilte seinem ehemaligen Kollegen in der Nationalmannschaft, Ricardo Sá Pinto, beim 4:0-Sieg eine taktische Lektion.
Freilich rechtfertigt die Budget-Differenz den Qualitätsunterschied. Im erste Match hatte es bei Lech Posen, einem Gegner, der sportlich und finanziell vergleichbar ist, zu einem torlosen Remis gereicht. Die beiden Qualifikationsrunden vor der Gruppenphase überstand Belenenses gegen bescheidene Teams aus Schweden und Österreich. Altach hatte in der ersten Runde allerdings mit Vitoria de Guimaraes ein portugiesisches Team vorgeführt, das in Portugal höher eingeschätzt wird als Belenenses.
Das Leben im Schatten der Grossen
Ohne die grossen Nachbarn hätte es der Traditionsklub noch schwerer. Gastspiele im idyllisch über dem Tejo gelegenen Restelo füllen die Ränge und die leere Kasse. Die guten Beziehungen spiegeln sich auch in Transfergeschäften. Carlos Martins war einst mit Benfica verbunden, Tonel mit Sporting. Andere Spieler wurden ausgeliehen, die Gehälter teilweise von den Grossklubs bezahlt.
In Schatten von Benfica und Sporting lässt es sich einigermassen leben. Und vielleicht macht ein Blauer ja im Schaufenster Europa League auf sich aufmerksam. Vorrangig bleibt indes nach einer aussergewöhnlich guten Vorsaison der Klassenerhalt.
Von 18 Mannschaften in der «Liga Nos» (benannt nach einem Medien-Konzern) belegt Belenenses zurzeit den 13. Rang, nur eine Partie wurde gewonnen. Das Damoklesschwert des Lifts hängt wieder über dem Restelo. Immerhin schon zweimal wurde der Klub am grünen Tisch vor dem Abstieg gerettet.
Routinier Tonel (links) unterläuft im Europa-League-Heimspiel gegen die Fiorentina (0:4) ein Eigentor, als er vor Giuseppe Rossi retten will. Rechts Torhüter Ventura. (Bild: Keystone/ARMANDO FRANCA)