Roger Federer und Stanislas Wawrinka ziehen im Gleichschritt in die dritte Wimbledon-Runde ein – allerdings nach unterschiedlich starken Auftritten. Federer siegt am Ende unterm geschlossenen Centre Court-Dach.
An einem langen, schliesslich auch verregneten Wimbledon-Tag war der Rekordsieger der letzte Sieger – und zwar unter der schützenden Hülle des Centre Court-Regenschirms: Während der Spielbetrieb rundherum schon längst eingestellt war, stürmte Roger Federer im Herz von Wimbledon am Donnerstag noch zu seinem ungefährdeten 6:3, 7:5, 6:3-Sieg gegen Gilles Muller aus Luxemburg. Mitte des zweiten Satzes war wegen einsetzenden Nieselregens eine rund halbstündige Pause erforderlich gewesen, um den Centre Court in einen Hallenplatz zu verwandeln. Schon lange vor den ersten heftigeren Wetter-Turbulenzen bei diesen Offenen Englischen Meisterschaften des Jahres 2014 war Australian Open-Champion Stanislas Wawrinka nach einem mühsamen 7:6 (8:6), 6:3, 3:6, 7:5-Arbeitssieg gegen den Taiwanesen Yen-Hsun Lu in die dritte Runde eingezogen.
Wer kommt jetzt?
Während Federer noch auf seinen Gegner warten musste – die Partie zwischen dem Spanier Marcel Granollers und dem Kolumbianer Santiago Giraldo wurde auf diesen Freitag verschoben -, stand der Usbeke Denis Istomin bereits als nächster Kontrahent von Wawrinka fest. Das Privileg, als verdienter Wimbledon-Grossmeister beinahe regelmässig auf dem (notfalls auch überdachten) Centre Court zu spielen, bescherte Federer gleich einen doppelten Wettbewerbsvorteil – das Plus, das eigene Match trotz Schmuddelwetters problemlos zu Ende spielen zu können. Und den Bonus, dass sein Gegner nun nicht den üblichen Tag Ruhepause vor der nächsten Partie haben wird.
«Zielstrebig und sehr präzis»
«Ich bin froh, dass ich das in drei Sätzen durchgebracht habe. Es war nicht leicht gegen Muller, es war ein regelrechter Aufschlagwettbewerb zwischendurch», sagte Federer, der gegen Muller wie in seinen besten Zeiten stets dann hellwach zur Stelle war, wenn es zählte. Bei den Big Points, in den wenigen Situationen, in denen sich ein Wimbledon-Spiel zur einen oder anderen Seite dreht. «Sehr zielstrebig, sehr präzise in seinen Aktionen» sah Trainer Severin Lüthi den siebenmaligen Titel-Helden, der allein 22 Volltreffer mit dem Aufschlag landete und in seinen Servicespielen insgesamt nur sagenhaft wenige neun Punkte abgab. Federer liess sich auch nicht beirren durch das Stop and Go-Intermezzo nach den Regenfällen im zweiten Satz – ganz im Gegenteil: Als das Spiel wiederaufgenommen wurde, kam der 32-jährige Baselbieter erst so richtig in Schwung, schaltete noch einmal zwei, drei Gänge höher. Muller resignierte zwar nicht, fand aber auch kein Mittel mehr gegen das druckvolle Spiel Federers. Seine Eltern übrigens, sie sassen an diesem Donnerstag ganz vornehm, in der Royal Box.
Ein Auf und Ab
Eine wahre Achterbahnfahrt der Gefühle, der Stimmungen und auch der Leistung erlebte Wawrinka bei seinem Auftritt gegen den unbequemen, unberechenbaren Lu – einst im Jahr 2010 der Sensationsdarsteller bei einem Fünf-Satz-Triumph hier im Achtelfinale gegen Rasenmeister Andy Roddick. Schon im ersten Durchgang musste Wawrinka alle Energien aufbieten, um nicht von vornherein in Rückstand gegen den quirligen Gegenspieler zu geraten, der bei einem 6:5-Vorsprung zum Satzgewinn aufschlug. Wawrinka machte das Defizit wett, sicherte sich den Tiebreak dann nach einer Aufholjagd vom 1:5-Rückstand, spielte vorübergehend dann auch mit der Statur eines Top Ten-Mannes und Grand Slam-Champions – nur um im dritten Satz unerklärlich in ein ganz tiefes Loch zu fallen. «Ich hatte einfach Schwierigkeiten, die Konzentration zu behalten. Es war eine unheimlich schwere Partie», sagte Wawrinka später.
Grosse Ziele
Diese Schwere war ihm auch auf Schritt und Tritt anzumerken. Besonders, als es nach der nur noch knappen 2:1-Satzführung in den vierten Akt ging. Wawrinka haderte mit sich selbst, schrie den Ärger über Fehler hinaus, schüttelte den Kopf – doch trotzdem vermied er einen weiteren Absturz, hielt mit aller Müh und Not den Anschluss an den beseelt aufspielenden Lu. Beim 5:5-Gleichstand holte sich Wawrinka schliesslich das vorentscheidende Break, das ihm dann den Sieg garantierte – und auch den dringend von sich selbst erwarteten Einzug in die dritte Runde, das Minimalziel dieser Grand Slam-Kampagne. «Ich bin erstmal zufrieden, aber ich will natürlich noch mehr. Ich will weit in die zweite Woche», sagte Wawrinka. Erster Spielverderber für den ambitionierten Romand könnte allerdings der Usbeke Denis Istomin sein, ein guter Grasplatzspieler, der Wawrinka vor vier Jahren in der Auftaktrunde in fünf Sätzen schlug. «Interessant» werde das, sagte Wawrinka zu dem kommenden Rivalen. Er lächelte allerdings selbst dabei, wohl wissend, dass es mehr wird als nur das, mehr als nur interessant.
Nadal siegt gegen Angstgegner
French Open-König Rafael Nadal vermied nur mit äusserster Kraftanstrengung eine neuerliche Pleite gegen seinen Angstgegner Lukas Rosol aus Tschechien: Nach einem 0:1-Satzrückstand und einem Satzball gegen sich im Tiebreak des zweiten Durchgangs drehte der Spanier die umkämpfte Partie noch zu einem 4:6, 7:6 (8:6), 6:4, 6:4-Sieg um und schraubte sich nach verwandeltem Matchball gleich zu mehreren Luftsprüngen in die Höhe. Fast genau vor zwei Jahren war Nadal in der zweiten Runde an eben jenem unbekümmert drauflos schlagenden Tschechen in fünf Sätzen gescheitert – in einem Spiel, das ebenfalls seine dramatischen Schlussmomente unter dem geschlossenen Dach des Centre Court erlebte.