Der fünffache Sieger des Basler Tennisturniers übersteht im Halbfinal die urgewaltige Spieleröffnung des 211 Zentimeter grossen Ivo Karlovic. Im Final fordert ihn der junge Belgier David Goffin – der zum zweiten Mal auf sein Idol trifft.
Lange Spieler garantieren noch kein grosses Tennis. Eher im Gegenteil: Sie stehen für kurze Ballwechsel, wenn es diese denn überhaupt gibt. Allzu oft aber berührt der Serviceempfänger die Bälle nicht.
Roger Federer bezwang im Halbfinal der Swiss Indoors einen solchen Spieler mit 7:6, 3:6, 6:3. Ivo Karlovic misst 211 Zentimeter, sein Paradeschlag ist somit der Aufschlag. Und dieser kam 2014 vor dem Turnier in Basel ganze 1’087 Mal nicht zurück. Das sind durchschnittlich 18,4 Asse pro Spiel.
Federer ist «höchst beeindruckt»
Gegen Federer waren es sogar 33. So viele, dass der Schweizer «nicht mehr sicher war, wie dieses Spiel ausgehen wird». Das Unschöne aus seiner Sicht: Karlovic servierte die Asse auch mit seinem zweiten Service.
«Er hat wohl noch nie besser serviert gegen mich, es war höchst beeindruckend», sagt Federer, auch wenn er sich nicht an alle bisherigen 13 Spiele gegen den Kroaten erinnere.
Karlovic reichte seine Serviceleistung schliesslich zwar nicht, um den Schweizer zum zweiten Mal zu bezwingen. Doch es reichte, um während der meisten Zeit dieses Spiels in der ausverkauften St. Jakobshalle nur wenig Stimmung aufkommen zu lassen. 9’200 Menschen sahen fast keine Ballwechsel – und irgendwann hörten sie auf, bei den Assen Karlovics zu applaudieren.
Applaus kam nur noch bei den Fehlern des Kroaten auf. Oder im vierten Spiel des dritten Satzes, als Federer seine Chance nutzte: Er nahm Karlovic den Aufschlag ab und erlöste das Publikum, dessen Frustration Federer gespürt habe.
Federers Erfolgsquote in Finals ist gesunken
Am Sonntag bestreitet der Schweizer gegen David Goffin (ATP 28) somit seinen elften Final und den neunten in Folge. «Diese Serie ist phantastisch», resümiert die Nummer 2 der Welt sein bisher Erreichtes in Basel. Es wird zudem Federers 123. Endspiel seit seinem ersten im Jahr 2000 sein. 81 davon hat er bisher gewonnen; seine Erfolgsquote liegt, die ganze Karriere betrachtet, bei 66 Prozent.
Die Quote hat nach Federers besten Jahren abgenommen und lag 2013 noch bei 33 Prozent. Mit einem Sieg in Basel läge sie 2014 bei 50 Prozent. Es wäre für den Grand-Slam-Rekordsieger nach Shanghai zudem der zweite Turniersieg in Folge – und der sechste Titel an seinem Heimturnier, an das er sich auch 2014 nicht mit einem Vertrag gebunden hat.
Federers Gegner Goffin steht zum ersten Mal im Final eines ATP-500-Turniers. Und noch ist er sich nicht sicher, ob er diesen Meilenstein höher werten soll als seine beiden Siege bei Turnieren eine Stufe tiefer. «Sollte ich aber in Basel gewinnen, dann weiss ich, was ich höher einstufen werde», scherzt der 23-Jährige in seiner timiden Art, die eher an einen Schulbuben als an einen Tennisprofessional erinnert.
Der Gegner, dessen Idol Federer ist
Goffin, als Nummer 7 des Turniers gesetzt, schaffte im Viertelfinal gegen Milos Raonic (ATP 9) eine kleine Überraschung und schlug im Halbfinal den Mann, der für den grössten Coup in der Basler Tenniswoche sorgte: Borna Coric (ATP 124), der 17-jährige Kroate, der im Viertelfinal den körperlich angeschlagenen Rafael Nadal bezwungen hat.
«Ich realisiere nicht, dass ich hier im Final stehe», gesteht Goffin, dessen Idol Roger Federer war – «und immer noch ist.»
Diesen Status hat Federer für Goffin unter anderem deswegen erreicht, weil er 302 Wochen an der Spitze der Weltrangliste stand. Mit 33 Jahren bietet sich dem Schweizer bis Ende Jahr die Möglichkeit, diese Position wieder einzunehmen. Doch Federer hält wenig davon, bereits auf diese mögliche Konstellation vorauszublicken. «Was die Nummer 1 betrifft, nehme ich es Tag für Tag.»
Halbfinals am Samstag, 25. Oktober
David Goffin BEL (7)–Borna Coric CRO (WC) 6:4, 3:6, 6:3
Ivo Karlovic CRO (8)–Roger Federer SUI (1) 7:6, 3:6, 6:3
Final am Sonntag, 26. Oktober
Roger Federer SUI (1)–David Goffin BEL (7): 14.30 Uhr