Federer will parat sein für einen Ausrutscher von Djokovic

In London kann sich Roger Federer zurück auf den Thron der Tenniswelt spielen – dabei muss Titelverteidiger Novak Djokovic allerdings mitspielen, oder besser ausgedrückt: nicht mitspielen. Im Startmatch trifft Federer am Sonntagabend auf Milos Raonic.

Die acht Besten des Jahrgangs 2014 – in Abwesenheit von Rafael Nadal: Tomas Berdych schiesst ein Selfie in der O2-Arena in London mit den sieben anderen ATP-Final-Teilnehmern Roger Federer, Stan Wawrinka, Novak Djokovic, Kei Nishikori, Andy Murray, Milos Raonic und Marin Cilic. (Bild: Reuters/TOBY MELVILLE)

In London kann sich Roger Federer zurück auf den Thron der Tenniswelt spielen – dabei muss Titelverteidiger Novak Djokovic allerdings mitspielen, oder besser ausgedrückt: nicht mitspielen. Im Startmatch trifft Federer am Sonntagabend auf Milos Raonic.

Als Roger Federer in den letzten Wochen immer mal wieder gefragt wurde, wie wichtig ihm die Rückkehr auf Platz 1 der Weltrangliste wäre, hat er sich erst mal selbst eine klare Meinung verschaffen müssen. Doch als im späten Herbst die Chance immer grösser und realistischer wurde, den Gipfel tatsächlich noch einmal zu besteigen, war Federer sich dann zumindest über eins ziemlich sicher: «Dieser Sprung nach ganz oben, der wäre mehr wert als noch ein Grand Slam-Titel.»

Federer am Sonntag um 21 Uhr

Für Roger Federer beginnt das ATP-Tour-Finale am Sonntagabend mit dem Spiel gegen Milos Raonic. Stanislas Wawrinkas Match gegen Tomas Berdych ist auf Montag, 15.00 Uhr angesetzt. SRF2 überträgt beide Partien.
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Federer weiss schliesslich nur zu gut, dass die Rangliste nie lügt, dass sie der zuverlässigste Gradmesser für Konstanz auf höchstem Niveau ist, für extrem starke Performance über längere Zeiträume. Und diese Ausdauer-Qualitäten im zarten Alter von nunmehr 33 Jahren und als vierfacher Familienvater immer noch unter Beweis stellen zu können und nicht bloss bei einem ausgesuchten Major-Turnier, das ist dem Basler nur die allergrösste Anstrengung und den grössten Fokus wert.

«Nummer 1 zu sein, das gehört selbstredend zum Anspruch von Roger», sagt Trainer und Davis Cup-Chef Severin Lüthi, «es ist grossartig, dass er sich wieder in die Position gebracht hat, um das auch zu erreichen.»

Kampf der Favoriten

Wenn an diesem Sonntag das ATP-Tour-Finale in der Londoner O2-Arena beginnt, dann steht auch der Platz als Anführer der Tenniskarawane mit auf dem Spiel – und zwar zwischen den beiden Favoriten des traditionellen Abschlussturniers, Titelverteidiger Novak Djokovic und Roger Federer, der zum sage und schreibe dreizehnten Mal in Folge antritt.

Nach langem Rechnen und Rätseln sind die Gleichungen dieses Kampfes inzwischen einigermassen klar, insbesondere, was die Erfolgschancen für den Serben angeht: Gewinnt Djokovic seine drei Vorrundenspiele, ist ihm der Top Spot nicht mehr zu nehmen, ganz gleich, was Federer auch anstellt.

Im Umkehrschluss muss Federer eigentlich all seine Matches gewinnen, nicht nur in London, sondern bestenfalls auch noch beim Davis Cup-Finale im französischen Lille, wo es auch noch ein paar wenige, wertvolle Punkte zu gewinnen. Und trotzdem bliebe in London stets der Seitenblick zum gerade erstmals Papa gewordenen Djokovic und dessen Abschneiden: «Ich werde alles geben. Ich bin schliesslich nach London gekommen, um zu gewinnen», sagt Federer, «aber die Entscheidung liegt nicht mehr allein in meiner Hand.»



Roger Federer betritt die O2 Arena vor seinem Match gegen Novak Djokovic. In London könnte er zurück auf die Position 1 gelangen.

Roger Federers Auftritt in der Londoner O2-Arena vor einem Jahr. (Bild: Keystone/KIRSTY WIGGLESWORTH)

Was, zugegeben, nie nach Federers Geschmack war. Aber auch nicht wirklich schlimm ist in diesem Fall, denn Federers Rückkehr-Mission auf Platz 1 würde sich damit auf den Start in die Saison 2015 verschieben, nach Australien und zum dortigen Grand-Slam-Turnier.

Zurück in der Weltöffentlichkeit

Aber jetzt wartet aktuell noch viel und lohnende Arbeit auf Federer, der in der letzten Saisonphase wieder im Fokus der Tennis-Weltöffentlichkeit und der Schweizer Fans steht – auch wenn es da mit Australian-Open-Champion Stanislas Wawrinka wie im letzten Jahr noch einen zweiten WM-Starter aus der Schweiz in der O2-Arena gibt.

Das unterschiedlich starke Interesse erklärt sich allerdings nicht nur, aber auch aus der Formkurve der jüngsten Zeit: Wawrinka hangelte sich mehr schlecht als recht durch den Tour-Herbst, qualifizierte sich für London vornehmlich durch die früh in der Saison erworbenen Punktepolster, er wirkte oft matt und ausgezehrt und voller Selbstzweifel.

Federer hingegen war stets mittendrin in den Titelentscheidungen, nicht zuletzt gewann er auch das Masters in Schanghai und seinen Heimtitel in Basel zur Freude der Fans und erhöhte damit die Zahl der Pokalerfolge in 2014 auf fünf. «Ich bin jetzt noch einmal für ein richtiges Finish bereit», sagt Federer, der schon seit knapp einer Woche in London weilt und auch seine touristischen Aktivitäten in der britischen Kapitale sorgfältig in den sozialen Netzwerken dokumentierte, einschliesslich eines Tower-Besuchs mit seinen Zwillingstöchtern.

«Eine sehr harte Aufgabe»

Federer bekommt es in seiner Gruppe mit dem wiedererstarkten Andy Murray, mit Japans Shootingstar Kei Nishikori und dem kanadischen Ballermann Milos Raonic zu tun, letzterer steht ihm gleich am Sonntagabend zum Auftakt gegenüber. Das bietet Federer auch die Gelegenheit zur schnellen Revanche, schliesslich hatte ihm der Gewaltaufschläger beim Masters in Paris überraschend die Laune verdorben – Raonic gewann in zwei engen Sätzen im Viertelfinale.

«Eine sehr harte Aufgabe» werde das, sagt Federer, «aber beim Tour-Finale geht es immer sofort auf höchsten Touren los. Da kannst du dir keinen Schlendrian, keine Anlaufzeit leisten. Da musst du sofort hellwach sein.» In der anderen Vorrundengruppe trifft Wawrinka zum Start am Montagnachmittag auf den Tschechen Tomas Berdych. Djokovic und US Open-Champion Marin Cilic sind die beiden anderen Gruppenstarter.




Der Mann, der Roger Federer zuletzt in Paris schlug und auf den er in London zum Auftakt gleich wieder trifft: Der Kanadier Milos Raonic. (Bild: Reuters/BENOIT TESSIER)

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