Im Interview erzählt Mohamed Elyounoussi vom Einsatz von Schmerzmitteln, von der Schwierigkeit, als junger Spieler dazu Nein zu sagen, von seiner Partytauglichkeit ohne Alkohol und vom unruhigen Schlaf nach seiner verpassten Tormöglichkeit in der Champions League.
Mohamed Elyounoussi, seit knapp einem Jahr sind Sie beim FC Basel, bei dem sich im Sommer einiges verändert. Hatten Sie eine enge Bindung zum scheidenden Präsidenten Bernhard Heusler?
Sehr. Ich erinnere mich an die erste Begegnung. Es war bei einem Training. Ich wusste damals nicht, dass er der Präsident war, und habe mich ganz normal mit ihm unterhalten. Er war locker drauf, und zum Scherzen aufgelegt. Urs Fischer hatte die Mannschaft schon auf dem Platz versammelt und rief mich zur Mannschaft. Ich hatte also etwas Verspätung wegen dieses Mannes am Spielfeldrand. Und dann sagte mir jemand: «Das ist der Präsident.» Ich antwortete: «Wirklich?» Für mich war das erstaunlich, er war ein ganz normaler Kerl. Wenn ich gewusst hätte, dass er der Präsident ist, hätte ich vielleicht etwas mehr aufgepasst, was ich sage (lacht).
Wie ist es Ihnen sonst im ersten Jahr in Basel ergangen?
Alle sind gut zu mir: die Vereinsführung, die Spieler, die Menschen im Club. Seit dem ersten Tag in Basel mag ich mein Leben hier. Nach einem Monat im Hotel habe ich eine Wohnung ausserhalb der Stadt gefunden.
Und wie ist es Ihnen fussballerisch ergangen?
Ich brauchte ein paar Wochen, um zu meinem Spiel zu finden. Inzwischen läuft es mir gut.
Auch deshalb, weil in Birkir Bjarnason im Winter der Stammspieler auf Ihrer Position auf dem Flügel nach England gewechselt ist?
Darüber denke ich nicht nach. Ich spiele ja nicht erst seit seinem Abgang, sondern stand auch schon vorher immer mal wieder in der Startelf. Früher habe ich immer von Anfang an gespielt. Mit einem Wechsel ins Ausland erwartet man aber nicht, dass das einfach so weitergeht. In meinen Augen habe ich mich als nützlich für die Mannschaft erwiesen. Aber es stimmt schon, wenn einer auf der eigenen Position die Mannschaft verlässt, macht es die Ausgangslage etwas einfacher.
«Ich denke inzwischen mehr über Tore und Assists nach als über die Show, die für mich in der Vergangenheit wichtiger war.»
Im ersten Spiel der Rückrunde zeigten Sie mit drei Toren eine starke Leistung.
Ich hatte eine super Winterpause mit viel Training für mich selber. Deswegen fühlte ich mich extrem gut. Und Lauftests haben gezeigt, dass meine Form stimmt. Zudem habe ich insofern Fortschritte gemacht, als ich versuche, nicht mehr zu viel zu wollen auf dem Feld.
Wie meinen Sie das?
Früher versuchte ich immer wieder zu komplizierte Dinge. Technische Einlagen. Inzwischen spiele ich mehr für die Statistik, für Tore und Assists.
Diese beiden Werte zusammengezählt stehen Sie mit 21 Scorerpunkten auf Platz 1 innerhalb des Teams.
Ich bin effektiver geworden, schiesse mehr Tore und bereite öfter Treffer vor. Ich denke mehr über diese Werte nach als über die Show, die für mich in der Vergangenheit wichtiger war. Vor dem Wechsel nach Basel hatte ich auch Tormöglichkeiten, aber habe nicht immer getroffen.
In Basel erinnert man sich allerdings an diese eine Tormöglichkeit, die Sie in der Champions League gegen Ludogorets Razgrad vergaben. Haben Sie die Szene im Kopf?
Wie soll ich das jemals vergessen?
Der FC Basel hätte womöglich europäisch überwintert, vielleicht hätte die gesamte Entwicklung rund um den FCB, der Führungs- und Trainerwechsel etwa, einen ganz anderen Weg genommen, wenn Sie getroffen hätten. Führen Sie sich das manchmal vor Augen?
Natürlich. Auch für mich persönlich hätte das einen Einfluss haben können. Es gibt schliesslich viele Spieler, die nach einem Tor in der Champions League einen nächsten Karriereschritt machten. Ich habe einige Tage über diese Chance nachgedacht und schlief schlecht. Aber was bringt es mir, das zu lange mit mir herumzutragen? Wir haben nächste Saison eine weitere Möglichkeit im Europacup.
Und das in der Champions League. Sie brauchen am Freitag gegen den FC Luzern gerade mal noch einen Punkt, um den Titel in trockene Tücher zu bringen.
Wir spielen trotzdem für drei Punkte.
Nach dem 2:2 gegen Vaduz hat Urs Fischer gesagt, dass einige Spieler mit dem Kopf schon bei der Meisterfeier gewesen seien.
Ich kann nur für mich sprechen: Bei mir lag der Fokus auf dem Spiel. Denn wenn der Schiedsrichter anpfeift, zählt ohnehin nur noch das Geschehen auf dem Rasen.
Sie sind Moslem und werden den Titel ohne Alkohol feiern.
(lacht) Aber mit viel Wasser! Natürlich mag ich es dann nicht, wenn mir die anderen den Champagner vor die Nase stellen. Aber ich denke auch, dass sie alle genügend Erfahrung haben mit Spielern, die keinen Alkohol trinken. Und glauben Sie mir, ich kann jede Menge Spass haben ohne Alkohol. Die Religion ist nicht der einzige Grund, warum ich nicht trinke. Ein anderer ist mein Beruf. Klar kann man mal was trinken, wenn man einen freien Tag hat. Aber am Ende hat es einen Einfluss auf das Training. Und entsprechend auch auf das Spiel.
«In den letzten drei Monaten der norwegischen Meisterschaft waren die Schmerzen zu gross. Ich spielte oft mit Schmerzmitteln. Der Trainerstaff sagte mir, du musst spielen.»
Ein Bundesligaspieler erzählte uns einst, dass er es sich nicht leisten könne, Alkohol zu trinken. Vielleicht abgesehen von einem Glas Wein bei drei Wochen Urlaub.
Studien zeigen, dass ein einziges Bier zwei Wochen Training ruinieren können. In Norwegen hängen solche Informationen sogar an den Wänden der Trainingscenter. Ein Athlet sollte sich damit zurückhalten. Man kann das ja alles nach der Karriere nachholen (lacht).
Als Moslem machen Sie auch den Fastenmonat Ramadan mit. Was heisst das für Ihren Trainingsalltag?
Natürlich hat das einen Einfluss. Vor allem auf die Regeneration, da ist Essen und Trinken wichtig, nach den Spielen, nach den Trainings. Für alle praktizierenden Muslime sollte es spezielle Trainingspläne geben. Ich trainiere am Morgen härter als alle anderen, weil ich da am meisten Energie habe. Und so geht es wunderbar.
Wie halten Sie es in Ihrem Trainingsalltag mit Substanzen wie beispielsweise Schmerzmittel?
Ich erinnere mich an frühere Tage meiner Karriere. In Norwegen spielen wir von April bis November. In den letzten drei Monaten waren die Schmerzen bei mir gross. Ich spielte oft mit Schmerzmitteln, weil ich so viele Spiele absolvierte. Der Trainerstaff sagte, du musst spielen.
Das war aber nicht wegen einer spezifischen Verletzung?
Nein, meine Muskeln waren einfach müde. Der Punkt ist, dass diese Mittel nur kurzfristig helfen können. Das habe ich realisiert.
Ist es denn einfach, als müder junger Spieler Nein zu sagen, wenn der Coach sagt: «Du musst spielen»?
Nein. Man braucht eine starke Persönlichkeit. Dass ich als sehr junger Spieler sehr viele Einsätze hatte, liegt auch darin begründet, dass ich nie Nein gesagt habe. Ich war auch oft krank ein paar Tage vor den Partien. Aber ich habe trotzdem gespielt. Es ist einfach hart, Nein zu sagen.
Es ist ein Schlüssel für eine grosse Karriere, neben dem Talent auch immer wieder in den Körper hinein zu hören und dann Entscheidungen zu treffen.
Es gibt viele junge Spieler, die haben einen guten Start, dann verletzen sie sich und man hört nichts mehr von ihnen. Und dann gibt es die, die auch mit 38 noch aktiv sind. Einfach weil sie es geschafft haben, auf ihren Körper zu hören.
Sie haben in Ihrer jungen Karriere sechs Mal für die Nationalmannschaft gespielt. Sonderlich gut läuft es nicht, die Qualifikation für die Weltmeisterschaft ist in weite Ferne gerückt.
Da haben wir kaum mehr eine Chance. Wir müssten dafür schon Deutschland bezwingen. Wir können uns mit dem neuen Trainer Lars Lagerbäck jetzt darauf konzentrieren, ein Team für die nächste Kampagne aufzubauen.
Wer sind in Ihren Augen die Spieler für dieses Team?
Joshua King ist einer, er spielt bei Bournemouth in der Premier League. Martin Ödegaard ist ein anderer. Und in Norwegen sehen sie mich noch immer als jungen Spieler.
Sind Sie das mit 22 Jahren nicht mehr?
Ich werde dieses Jahr 23 Jahre alt. Ich bin also kein Talent mehr, sondern ein normaler Spieler. Auch wenn ich hoffentlich noch viele Jahre im Fussball vor mir habe.
Und wo werden Sie diese Jahre verbringen? Bereits nach wenigen Wochen in Basel wurden Sie mit anderen Vereinen in Verbindung gebracht, beispielsweise mit Leicester City.
Ich wusste vom Interesse anderer Clubs. Aber als Spieler sind das einfach nur Gerüchte.
Das wurde also nie konkret?
Nein.
Dann sieht man Sie auch nächste Saison noch in Basel?
Im Moment weiss ich von nichts anderem. Aber ich weiss auch, dass es bei einer guten Saison im Fussball schnell gehen kann. Und am Ende muss ja immer der Club akzeptieren, dass man wechselt.
Und Sie selbst auch.
Ich fokussiere mich auf das Training. Aber klar habe ich Träume von grösseren Ligen.
Erzählen sie von Ihren Träumen. Kommt darin die Premier League vor wie für jeden Skandinavier?
Für mich ja. Ich schaue mir die Spiele dieser Liga an. Aber auch die Bundesliga. Und ich könnte mir auch die Primera Division vorstellen. Ich mag, wie dort gespielt wird.
Können Sie sich auch exotischere Ligen vorstellen wie Russland oder Griechenland, wo Ihr Cousin Tarik Elyounoussi spielt?
Er ist mit Olympiakos Piräus gerade Meister geworden. Ich bin zwar nicht der Spieler, der nach einem Jahr bei einem Verein gleich wieder weiterzieht. Aber was ich von meinem Cousin höre, ist natürlich interessant: Er wird jedes Jahr Meister in Griechenland und gleichzeitig lebt er in einem Klima, das ihm immer das Gefühl von Ferien vermittelt.
Sie meinen also ein nicht so wechselhaftes Klima wie gerade jetzt in Basel auch.
(lacht) Ich habe am Dienstag meine Reifen gewechselt. Und am Mittwoch schneit es wieder. Aber im Ernst: Angebote von Clubs aus kleineren Ligen aus dem Süden, das wird dann in den letzten Jahren meiner Karriere interessant.
Bis jetzt haben Sie in Norwegen und der Schweiz gespielt. Was sind die fussballerischen Unterschiede zwischen den beiden Ländern?
Das Level ist in der Schweiz etwas höher, weil hier zehn Teams dabei sind. In Norwegen sind es 16. Von Platz 14 an abwärts sind die Mannschaften nicht mehr so stark. Vaduz beispielsweise ist stärker als sie. Aber die Topmannschaften könnten auch in der Schweiz vorne mitspielen.
«Es ist nicht nur unser Fehler, dass dieser Vorsprung in der Meisterschaft besteht.»
In der Schweiz gibt es die Meinung, der FC Basel spiele keinen attraktiven Fussball. Auch wegen des grossen Vorsprungs auf die Konkurrenz. Können Sie diese Meinung verstehen?
Ich weiss nicht, wie es in den Jahren zuvor war. Aber am Ende müssen eben auch die anderen Vereine hart arbeiten, um den Abstand zu verringern. Auch wir können schliesslich verlieren oder unentschieden spielen. Jetzt haben wir gegen Vaduz 2:2 gespielt. Aber die Young Boys verloren am Tag darauf.
Und das ist nicht der Fehler des FC Basel.
Genau. Es ist nicht nur unser Fehler, dass dieser Vorsprung besteht. Andere Verein müssen Wege finden, das zu ändern.
«Bewusst habe ich Raphael Wicky noch nie getroffen.»
Können Sie angesichts der nationalen Dominanz den Entscheid der Vereinsführung verstehen, den Trainer zu wechseln?
Im Club meines Cousins hat der Trainer viermal gewechselt in dieser Saison. Auch deshalb, weil sie einfach mal ein Derby verloren haben. Mit Griechenland verglichen ist der Wechsel in Basel also keine grosse Sache. Am Ende ist es eine Entscheidung des Vereins, als Spieler kann man das ohnehin nicht ändern. Urs Fischer war zwei Jahre lang erfolgreich, wir waren schliesslich auch noch nahe dran, europäisch zu überwintern. Es liegt also nicht an mir zu sagen, ob das eine gute Entscheidung war.
Kennen Sie den neuen Trainer Raphael Wicky schon?
Nein, bewusst habe ich ihn noch nicht getroffen. Es gibt so viele Teams und die Trainer sind zahlreich. Wahrscheinlich haben wir uns mal auf dem Fahrrad auf dem Weg zu den Trainingsplätzen gesehen. Marco Streller habe ich schon getroffen, viel gesprochen haben wir aber noch nicht.
Nicht nur der Trainer wechselt. Auch sonst verändert sich beim FC Basel einiges im Sommer. Wie beeinflusst das die Arbeit des Teams?
Nicht sehr stark. Aber ja, der Verein macht Veränderungen durch. Als Spieler macht man einfach seine Arbeit weiter, am Ende werden wir alle gemeinsam durch diese Veränderungen durchgehen. Und ich bin sicher, dass alles gut gehen wird.
(Bild: Steffen Schmidt/freshfocus)