Real Madrid triumphiert dank eines späten Tores von 100-Millionen-Mann Gareth Bale im Endspiel um die Copa del Rey gegen ein schwermütiges Barcelona, das innert einer Woche drei Titelchancen verspielt hat.
Gareth Bale nimmt Fahrt auf und zieht auf links davon. Über das halbe Feld, entlang der Aussenlinie, teilweise sogar daneben, als Barcelonas Verteidiger Marc Bartra ihn mit einem Check aus der Bahn werfen will. Doch Bale findet den Weg zurück, wie ein Sprinter beschleunigt er sogar aus der Kurve heraus.
Inklusive Umweg läuft er locker zehn Meter mehr als Bartra und kommt trotzdem zuerst im Strafraum an, wo er sich sogar noch einen kleinen Wackler in der Ballführung leisten kann, ehe er durch die Beine von Torwart Pinto vollstreckt. Das Tor eines Leichtathleten. Ein grosses Tor.
Ein Tor für die Ewigkeit, denn es sichert Real Madrid fünf Minuten vor Schluss den 2:1-Pokalsieg über den FC Barcelona. Den ersten Erfolg der Saison gegen den Erzrivalen, den ersten Titel seit zwei Jahren. Und wer hat’s geschossen? Bale. Der 100-Millionen-Euro-Mann. Es gibt Abende, da funktioniert der Fussball wirklich nach dem Galaktischen-Prinzip, mit dem Florentino Pérez so hartnäckig den Ruhm jagt.
«Manchmal braucht man auch Glück»
Reals Präsident hätte sich die dramatische Schlussphase eines ansonsten für Clásico-Verhältnisse eher mässigen Spiels nicht besser ausmalen können. 90. Minute, Neymar, glänzend freigespielt von Xavi, steht vor Madrids Torwart Iker Casillas. Neymar, der ähnlich teure Barça-Star, der ein Angebot von Real verschmäht hatte. Er zielt auf das lange Eck. Der Ball klatscht gegen den Pfosten und prallt von dort genau in die Hände von Casillas, der sich mit einem zärtlichen Streicheln bei dem Gestänge bedankt und später sagen wird: «Manchmal braucht man auch Glück».
Das Tor von Gareth Bale:
Am Ende hat also das Schicksal entschieden, wie so oft im Fussball, und nachdem es in der Liga diese Saison zweimal Barça gelacht hatte (2:1, 4:3), lief es diesmal eben zu den Madrilenen über. Trainer Carlo Ancelotti hat für Real endlich ein grosses Spiel gewonnen und seinen ersten Titel in Spanien, die Champions-League-Duelle gegen die Bayern können nun halbwegs entspannt angegangen werden, vielleicht kehrt dann auch der verletzte Cristiano Ronaldo zurück. Doch all das ändert wenig daran, dass Madrid dieses Spiel zwar verdient gewann, aber auch wesentlich einfacher hätte gewinnen können.
Reals Pragmatismus ohne Ronaldo
Vor spektakulärem Ambiente auf den atemberaubend steilen Rängen von Valencias Estadio Mestalla war nämlich schon früh das 1:0 gelungen. Ronaldo-Ersatz Isco eroberte gegen Alves den Ball, behauptete ihn geschickt und spielte ihn noch besser weiter. Bale und Benzema bearbeiten die Kugel mit der ersten Berührung, bis Ángel Di María aufs Tor ziehen konnte.
Ein grandioser Konter, Madrids grosse Stärke. Auch wenn der Argentinier sich mit einer unsauberen Berührung um die ideale Schussposition brachte und sein Erfolgserlebnis letztlich in erster Linie der schwachen Reaktion von Pinto zu verdanken hatte, dem Ersatzmann für den verletzten Victor Valdés.
In der Folge zeigte Real zum einen, dass es aus den Fehlern des vorherigen Clásico gelernt hatte. Ancelotti nutzte das Fehlen Ronaldos, um ein 4-4-2 aufzuziehen, das mit einem Mann mehr im Mittelfeld als gewohnt den Katalanen die Herrschaft über die neuralgische Kontrollzone zumindest erschwerte.
Madrid verteidigte tief, ähnlich wie Atlético vor einer Woche in der Champions League gegen Barcelona, verzichtete anders als beim Ligaspiel auf Sehnsüchte nach einem Schützenfest und folgte der alten pragmatischen Weisheit: Finals spielt man nicht, Finals gewinnt man.
Ein Schatten namens Messi
Dennoch brachten die Madrilenen fertig, was Atlético und zuletzt in der Liga auch Abstiegskandidat Granada nicht erleben mussten – man liess ein schwermütiges Barcelona ins Spiel zurück und das auch noch in einer Situation, bei der die Katalanen normalerweise komplett harmlos sind: nach einem Eckball, den Barta einköpfte (68.).
Vorausgegangen waren einige Konterchancen der Hauptstädter, die Bale oft gut spielte, aber teils erschreckend egoistisch abschloss. Und so mussten die Madrilenen selbst gegen ein Barça leiden, das erneut mit einem Schatten namens Messi spielte und dem ein letzter Heldenakt vor dem wohl anstehenden Radikalumbruch versagt blieb.
«Wir werden jetzt viel einstecken müssen, so ist der Fussball, wenn du gewinnst, bist du wertvoll, wenn du verlierst ein Dreck», sagte Verteidiger Dani Alves, einer der Stützen der grossen Jahre, die jetzt über den Zenit wirken. In einer Woche hat Barcelona wahrscheinlich drei Titel verloren (in der Liga liegt man vier Punkte hinter Spitzenreiter Atlético), «ein harter Schlag», befand Trainer Gerardo «Tata» Martino.
«Tata» Martinos Tage scheinen gezählt
Der Argentinier erschien dennoch so aufgeräumt zur Medienkonferenz, als hätte er ein Testspiel in der Saisonvorbereitung verloren. Womöglich war er einfach erleichtert, dass sich immer mehr das Ende seiner Amtszeit nähert, das er intern bereits vor Monaten verkündet haben soll. Nach einigen hoffnungsvollen Ansätzen wurde Martino nie warm mit dem komplizierten Mikrokosmos Barça.
Ancelotti, der Routinier, lobte den Gegner dennoch nach Kräften («Ich glaube nicht, dass in Barcelona ein Zyklus zu Ende geht»), aus madrilenischer Sicht kann die Dekadenz ja ruhig noch etwas weiter andauern und ausserdem erhielt der Sieg seiner Elf so noch grösseren Wert. Auch wenn die Bayern sich nach diesem Spiel nicht mehr Sorgen machen müssen als vorher und Matchwinner Bale warnte: «Wir sollten uns jetzt nicht zu sehr mitreissen lassen, wir müssen hart arbeiten, Bayern ist ein grosses Team.»
Bale und das Preisschild
Ansonsten feierte der junge Waliser aber natürlich «das wichtigste Tor meiner Karriere», es wirkte, als strahlte er zum ersten Mal in seiner Zeit in Spanien authentisch, ohne den Druck des Preisschildes. Das hat er jetzt ja erstmal gerechtfertigt.
Während er von seinem «amazing moment» erzählte, zeigte sich auch der Edelfan des Abends bester Stimmung. Cristiano Ronaldo hatte den Sieg auf der Tribüne verfolgt und sich dabei fast mehr gefreut als jemals auf dem Platz. Danach fand er sogar die Musse, seinen Dauerrivalen Lionel Messi zu trösten.
Rassismus und Freudenfeier
Zum Zeremonienmeister der Madrider Party schwang sich Verteidiger Pepe auf – vor einer Kurve, die zuvor mit Affenlauten bei jeder Ballberührung der dunkelhäutigen Barça-Spieler Neymar und Alves dafür gesorgt hatte, dass der Abend von Mestalla nicht nur in festlicher Erinnerung bleibt.
Aber über Rassismus in den Stadien spricht man in Spanien nicht so gern, lieber schalteten die Medien immer wieder zur Plaza de Cibeles, Reals traditioneller Feierstätte, wo tausende Anhänger tief in der Nacht die Ankunft ihrer Sieger und des Königspokals warteten.
Aus den Katakomben von Mestalla schleppte die Trophäe ausgerechnet Sergio Ramos in den Bus, ein hübsches Zitat: Vor drei Jahren nach dem Pokalsieg an selber Stelle gegen den selben Gegner war er es gewesen, dem die kostbare Beute bei der nächtlichen Parade durch Madrid vor die Räder des Mannschaftsbusses gefallen war und Schaden genommen hatte.
Übersicht über den spanischen Pokalwettbewerb | |||
Die Copa del Rey | |||
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Club | Siege | zuletzt | Endspiele |
FC Barcelona | 26 | 2012 | 35 |
Athletic Bilbao | 23 | 1984 | 36 |
Real Madrid | 19 | 2014 | 37 |
Atlético Madrid | 10 | 2013 | 19 |
Valencia CF | 7 | 2008 | 16 |
Real Sarragossa | 6 | 2004 | 11 |
FC Sevilla | 5 | 2010 | 7 |
Espanyol Barcelona | 4 | 2006 | 9 |
Real Unión Irún | 4 | 1927 | 5 |
Real Sociedad San Sebastián | 2 | 1987 | 7 |
Betis Sevilla | 2 | 2005 | 4 |