Franco Costanzo über sein Burnout, die Liebe zu Basel und seine Bewunderung für Yann Sommer

Fünf Jahre lang war er die Nummer 1 des FC Basel. Inzwischen spielt Franco Costanzo in Chile, doch die Stadt Basel hat ihn und seine Familie nicht losgelassen. Noch immer besitzt er in der Region ein Haus. Im Interview sucht der inzwischen 33-jährige Argentinier nach einem Grund, weswegen er sich nur in Basel zuhause fühlt.

Franco Costanzo, ehemaliger Goalie des FC Basel: «Yann ist jetzt schon einer der besten Goalies Europas.» (Bild: Nils Fisch)

Fünf Jahre lang war er die Nummer 1 des FC Basel. Inzwischen spielt Franco Costanzo in Chile, doch die Stadt Basel hat ihn und seine Familie nicht losgelassen. Noch immer besitzt er in der Region ein Haus. Im Interview sucht der inzwischen 33-jährige Argentinier nach einem Grund, weswegen er sich nur in Basel zuhause fühlt. Und er spricht über seinen Wunsch, noch einmal in der Schweiz zu spielen.

Es war vielleicht keine Liebe auf den ersten Blick. Aber es ist schliesslich eine innige Beziehung geworden, die länger dauern wird als eine Fussballerkarriere. Als Franco Costanzo im Sommer 2006 vom spanischen Club Alaves zum FC Basel stiess, hatte er Mühe, auf dem Feld die Leistungen zu zeigen, die von ihm erwartet wurden. Die Mannschaft war nach den Ereignissen des 13. Mai noch unter Schock, der neue Goalie führte sich in St. Gallen mit einem Fehlgriff der gröberen Sorte ein.

Doch an diese Anfangsprobleme mochte sich fünf Jahre später kaum jemand mehr erinnern. Als Costanzo als Captain des FCB im Mai 2011 sein letztes Spiel bestritt, als er zum insgesamt dritten Mal in seiner Basler Zeit den Meisterpokal stemmen durfte, da war das einer der emotionalsten Abschiede der vergangenen Jahre.

Costanzo hatte sich längst die Zuneigung der Fans nicht bloss erspielt, er hatte die Baslerinnen und Basler auch mit seiner Persönlichkeit gewonnen. Weil in dieser Stadt Fussballer besonders gemocht werden, die sich trauen, nicht nur Fussballprofi zu sein, sondern auch mal über die Auslinie hinweg zu schauen.

Aus seinem Traum, einmal Geschichte zu studieren, ist nichts geworden. Nachdem er im Winter 2011 nach bloss einem halben Jahr bei Olympiakos Piräus seinen Vertrag auflösen liess, spielt der inzwischen 33-jährige Argentinier bei Universidad Catolica in Santiago de Chile. Und er möchte, wie er im Interview während seinen Ferien in Basel erzählt, zurück in die Schweiz.

Franco Costanzo, Sie sind derzeit ferienhalber in der Schweiz. Aber Sie sollen auch auf der Suche nach einem Club sein?

Ja, ich habe bei Universidad Catolica in Santiago de Chile noch einen Vertrag bis Dezember. Aber ich würde gerne nach Europa zurück kommen, am liebsten in die Schweiz. Christian Gimenez schaut sich derzeit für mich um.

Der FC Basel war auch auf Goaliesuche, hat nun aber den Tschechen Tomas Vaclik unter Vertrag genommen. Ihre Rückkehr zum FCB war nie ein Thema?

Ich wusste, dass der FCB einen Goalie gesucht hat. Aber ich denke nicht, dass ich eine Chance gehabt hätte, zurück nach Basel zu kommen. Ich habe laufend Kontakt mit FCB-Präsident Bernhard Heusler, aber wir sprechen nicht über solche Dinge. Ich selbst möchte nicht Privates und Geschäftliches vermischen, wenn ich mit Bernhard rede. Wir haben ein sehr gutes Verhältnis.

Warum sind Sie denn derzeit in Basel?

Meine Frau und ich haben diese Reise schon geplant, als wir Basel vor drei Jahren verlassen haben. Dann ist uns immer etwas dazwischen gekommen. Wir haben hier viele Freunde, wir haben noch immer unser Haus. Basel ist der einzige Ort auf der Welt, an dem wir uns wirklich zuhause fühlen. Ich weiss nicht warum, aber so ist es.

Sie haben Ihr Haus also nicht verkauft?

Nein, wir haben es vermietet. Derzeit wohnt Marcelo Diaz darin.

Aber Sie haben ihn nicht zuvor gekannt?

Nein, einer unserer besten Freunde hier in der Schweiz hat sich später mit Marcelo und seiner Frau angefreundet. Und als bei uns die Vormieter ausgezogen sind, hat er Marcelo unser Haus empfohlen. Aber getroffen habe ich ihn erst während der Meisterfeier.

Haben Sie denn Ihre Reise so geplant, dass es zur Meisterfeier auf den Barfi reicht?

Nein, eigentlich hiess es in Chile, dass wir den ganzen Juni Ferien hätten. Dann – wir sind immer noch in Südamerika (lacht) – wurden die Ferien vom Club plötzlich auf den Mai verschoben. Danach mussten wir die ganze Reise umbuchen. Und dann habe ich den Spielplan des FCB angeschaut und festgestellt: Hey, ich werde das letzte Spiel der Saison miterleben können. Das war reiner Zufall.

Ein Bild aus besseren Basler Tagen: Franco Costanzo hält im Sommer 2011 den Schweizer Meisterpokal in Händen.

Ein höchst emotionaler Abschied: Franco Costanzo hält im Sommer 2011 den Schweizer Meisterpokal in Händen. (Bild: Patrick Straub, Keystone)

Was ist eigentlich passiert, nachdem Sie 2011 den FCB verlassen haben? Sie gingen zu Olympiacos Piräus, lösten dort aber schnell den Vertrag auf.

Ja, ich bin nach Griechenland – und dann hatte ich plötzlich das Gefühl, dass ich gar nicht mehr spielen mag. Zuvor hatte es mir immer Freude bereitet zu trainieren, in der Garderobe zu sein und danach auf dem Feld zu stehen. Aber in jenem Moment hatte ich keine Motivation mehr, um im Tor zu stehen. Darum habe ich aufgehört. Weil es mir keinen Spass mehr gemacht hat zu spielen.

Sie sind einfach aus dem Profifussball ausgestiegen?

Ja, wir sind nach Argentinien, um dort unser Leben neu zu beginnen. Aber in jenem Moment war Argentinien nicht der beste Ort für uns. Wir haben über viele Dinge nachgedacht, haben etwas Neues zu beginnen versucht. Und plötzlich wurde uns klar, dass wir nicht glücklich sind. Und dann habe ich realisiert, dass ein Teil von mir den Fussball vermisst hat.

Das heisst, Sie hatten in Griechenland ein Burnout?

Ja, das war so etwas wie ein Burnout. Ich habe zwar mit vollem Einsatz trainiert. Aber sobald ich auf dem Feld gestanden bin, habe ich mich gefragt: Was mache ich hier überhaupt? Ich will ja gar nicht spielen.

Aber dieses Gefühl, spielen zu wollen, kam wieder?

Ja, nach einem Jahr Pause. Und dann kam von einem Tag auf den anderen das Angebot aus Chile. Jetzt fühle ich mich wirklich gut und möchte unbedingt noch weiter Fussballspielen. Ich trainiere bewusster, bin körperlich und mental fit und mit 33 Jahren in einem sehr guten Goalie-Alter. Ich habe wirklich wieder Spass daran, was ich tue. Es scheint mir, dass ich in diesem Jahr Pause meine Energiereserven wieder voll aufgeladen habe.

Sie werden bei Universidad aber vor allem im Cup eingesetzt und sind nicht die Nummer 1?

Ja, als ich verpflichtet wurde, war die Idee, dass der Stammgoalie verkauft wird und ich dann übernehme. Gut, jetzt habe ich im Cup gespielt und war in der Liga auf der Bank. Das hat mir auch geholfen, es wäre nicht einfach gewesen, direkt wieder voll im Tor zu spielen. Jetzt bin ich aber fit und möchte unbedingt mehr spielen. Der Club scheint so zu planen, dass der Stammgoalie wechselt und ich noch ein paar Saisons bleibe. Aber es gibt auch immer andere Ideen: Mein Familie und ich könnten uns auch gut vorstellen, wieder in die Schweiz zu kommen, um hier zu leben. Ich mag den Schweizer Lebensstil wirklich sehr.

Was ist denn daran so speziell? Viele ausländische Fussballer, die beim FCB gespielt haben, schwärmen davon.

Als Spieler des FC Basel hast du alles. Du spielst in einem unglaublichen Club, du spielst jedes Jahr europäisch, du kämpfst jedes Jahr um Titel. Und du hast eine fantastische Stadt mit fantastischen Fans. Es ist wirklich nicht einfach, das alles sonstwo zu finden. Und dann kannst du auch noch leben und wirst in Ruhe gelassen, du kannst als Fussballer einfach so durch die Strassen laufen. Als Fussballer ist Basel wirklich das Paradies. Und das alles realisierst du, wenn du den Verein verlässt.

«Als Fussballer ist Basel wirklich das Paradies.»

Sie schienen immer nicht nur mit dem Club, sondern vor allem auch mit der Stadt verbunden zu sein.

Ich mag Basel wirklich sehr. Ich mag diese Stadt. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich bin ein Fan des FCB, meine Kinder tragen das Trikot. Aber ich bin auch ein Fan der Stadt Basel. Wenn ich hier bin, wenn ich durch die Strassen gehe, dann fühle ich mich zuhause. Vielleicht liegt das daran, dass unsere drei Kinder hier geboren wurden. Unsere gemeinsame Lebensgeschichte wurde massgeblich in unseren Basler Jahren geschrieben.

Können Sie sich umgekehrt erklären, warum Sie von vielen Menschen in Basel so sehr gemocht werden?

Das hat mich echt beeindruckt. Ich meine, ich habe vielleicht gedacht, dass man sich noch an mich erinnert. Aber diese Gefühle, die sie mir entgegen bringen, sind wirklich unglaublich. An der Meisterfeier habe ich Leute gesehen, die T-Shirts trugen, auf denen mein Gesicht war. Es ist nicht einfach, das zu verstehen. Ich weiss nicht, was ich getan habe, um das zu verdienen. Aber es ist ein unglaublich gutes Gefühl.

«Ich habe Beni Huggel ein Bild von mir geschickt, wie ich ihm auf dem Laptop auf meinem Bett zuhöre.»

Und verfolgen Sie auch noch die Spiele des FCB?

Ja, klar.

Wie?

Über das Internet. Ich habe auch einen TV-Sender, der die Spiele ein paar Tage später zeigt. Aber wenn ein wichtiges Spiel ansteht, ein Derby oder so, dann schaue ich über das Internet.

Dann wissen Sie, dass Ihr ehemaliger Teamkollege Benjamin Huggel nun als TV-Experte arbeitet?

Ja, als ich das Spiel gegen den FC Zürich vor dem Cupfinal geschaut habe, habe ich plötzlich gedacht: Halt, das ist doch Beni! Dann habe ich ihm sofort eine SMS geschrieben: «Hey, Beni, was machst du da, ich kann dich hören!» Er hat mir aber erst in der Pause zurück geschrieben (lacht). Das war witzig, ich habe ihm ein Bild von meinem Computer auf meinem Bett geschickt, auf dem ich das Spiel geguckt habe.

Wie haben Sie sich gefühlt, als Ihr Vertrag beim FCB 2011 nicht verlängert wurde?

Ich habe zusammen mit Bernhard entschieden, dass es ein guter Moment wäre, den Club zu verlassen. Wenn du so viele Jahre im selben Verein bleibst, können gewisse Aspekte einfach schwierig werden. Darum wollte ich einen weiteren Schritt machen. Und auch für den FCB war es ein guter Entscheid. Basel hatte mit Yann einen jungen Goalie, der mich viel besser ersetzt hat, als ich damals war.

25.Mai.2011; Basel; Fussball Super League - FC Basel - FC Luzern; Schweizermeister FC Basel, Torhueter Massimo Colomba, Franco Costanzo, Torhuetertrainer Romain Crevoisier und Yann Sommer mit dem Pokal in der Kabine (Daniela Frutiger/freshfocus)

Gemeinsamer Jubel mit dem Nachfolger. Costanzo (2. v. l.) und Yann Sommer (r.) bejubeln den Meistertitel 2011. (Bild: Freshfocus/Daniela Frutiger)

Yann Sommer hat uns in einem Interview gesagt, für ihn sei Ihre Nachfolge nicht ganz einfach gewesen. Weil er gespürt hat, welchen Stellenwert Sie in Basel nicht nur als Goalie sondern auch als Person hatten.

Als ich 2006 begonnen habe, mit Yann zu trainieren, habe ich gewusst: Yann ist die Zukunft, er wird einmal die Nummer 1 des FCB. Er war einfach so professionell. Und er tat viele Dinge, die bewiesen, dass er wirklich spielen wollte. Erst liess er sich an Vaduz ausleihen, dann an die Grasshoppers. Da hat er bewiesen, dass er wirklich etwas erreichen will. Und ich habe mich in ihm nicht getäuscht. Ich mag es wirklich, ihm zuzuschauen. Er ist meiner Meinung nach schon jetzt einer der besten Goalies in Europa.

Wenn Sie auf Ihre Zeit in Basel zurückschauen: Gibt es da ein Spiel, ein Moment, der alle anderen überstrahlt?

Mein letztes Spiel mit dem FCB in Basel. In der Nacht zuvor war unser drittes Kind zur Welt gekommen, dann der Abschied. Das war ein wirklich extrem emotionaler Moment.

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Auf Franco Costanzo folgte Yann Sommer, dieser macht aber nun einen Schritt in die Bundesliga, sorgen müssen sich die FCB-Fans aber nicht: Ein Tscheche tritt in Sommers grosse Fussstapfen.
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