Christian Streich tut gar nicht erst so, als sei die anstehende Auswärtspartie beim FC Bayern ein normales Bundesligaspiel für seine Freiburger. Denn die öffentliche Aufmerksamkeit wird sich am Samstag (15.30 Uhr) vor, während und nach dem Spiel ganz auf Jupp Heynckes konzentrieren, den 72-jährigen Trainer-Veteranen, der seine vierte Amtszeit als Bayern-Coach seit 1987 beginnt.
Auf die Frage, wie er sich das Wiedersehen mit dem von ihm geschätzten Kollegen vorstelle, antwortete Streich unter Verweis auf die vielen akkreditierten Fotografen: «Wiedersehen? Wenn ich ihn überhaupt sehe.»
Für ihn selbst, so Streich, werde der Tag hingegen so entspannt sein, dass er zu den wenigen Freiburger Journalisten auf der Tribüne «hochwinken» könne. Und irgendwie werde er den Trainerkollegen dann ja doch finden, um ihm die Hand zu schütteln. «2012, als wir gegen den Abstieg gespielt haben, hat er mir nach einem 0:0 Mut gemacht und uns für die Art und Weise gelobt, wie wir Fussball spielen. Von so einer unvergesslichen Geste bleibt mehr als von Ergebnissen.»
Die Freiburger sind in München mal wieder nur Beiwerk
Innerhalb von nur fünf Monaten tritt der SC Freiburg nun also zum zweiten Mal in einer Allianz-Arena auf, in der sich bis auf die 4000 Gästefans keiner für den Bayern-Gegner interessieren wird. Schon der letzte Freiburger Auftritt dort, am 20. Mai dieses Jahres, war wegen der Meisterschaftsfeier der Münchener von einem solch grossen Medienrummel begleitet, dass das eigentliche Spiel fast in den Hintergrund geriet.
Während der SC noch um die Teilnahme an der Europa League spielte, feierte sich der FC Bayern mit einem Pausenauftritt von Anastacia. Da die Umbauarbeiten auf dem Rasen länger dauerten, wurde die zweite Hälfte damals mit neun Minuten Verzögerung angepfiffen. Selbst Bayern-Stars wie Arjen Robben und Thomas Müller war das so peinlich, dass sie das auch gegenüber Freiburger Spielern kundtaten.
Um in München zu bestehen, sei vor allem eine spezielle «innere Haltung» gefragt, sagt Streich. «Man darf nicht frustriert sein davon, wenn man selten den Ball hat.» Immerhin könne sein Team nach dem jüngsten 3:2-Sieg gegen Hoffenheim halbwegs selbstbewusst nach München fahren. «Sonst wären das wohl zwei unruhige Wochen geworden.»
Wider den Selbstzweifeln
Nicht, dass bei einer erneuten Niederlage das ausgebrochen wäre, was andernorts «Branchenmechanismen» heisst und beim Drittligisten SF Lotte dazu führte, dass ein Trainer schon vor dem ersten Spieltag entlassen wurde. Aber intern, da wären die Selbstzweifel wohl doch grösser geworden nach einem mehr als wackligen Saisonstart.
Die Teilnahme an der Europa-League haben die Freiburger gegen den slowakischen Verein NK Domzale verfehlt, im DFB-Pokal kamen sie nur mit Ach und Krach gegen einen Viertligisten weiter und in der Liga holte man nur vier Zähler aus sechs Partien. Dabei spielte der SC oftmals ganz gefällig, entwickelte aber zu wenig Torgefahr.
Dass mit Vincenzo Grifo und Maximilian Philipp zwei wichtige Offensivleute verkauft wurden, machte sich – wie erwartet – bemerkbar. Zudem holte sich der aus Bern geholte Yoric Ravet gleich in seinem ersten Bundesligaspiel die Rote Karte ab, beim 3:2 gegen Hoffenheim tat er erstmals wieder mit und bei allen Akklimatisierungsschwierigkeiten an die Bundesliga traut ihm Streich auch einen Einsatz bei den Bayern zu: «Er hat es in der Schweizer Liga geschafft, das ist gut. Jetzt will er es hier schaffen, aber die Bundesliga ist noch mal was anderes.»
Gleiches gilt natürlich für die Erregungs-Amplitude, die etwas so Banales wie ein Fussballverein auslösen kann. Streich hat es jedenfalls schwer irritiert, wie die Kritik niederprasselte auf Carlo Ancelotti, den er für einen «grossen, grossen Trainer» hält. «Unglaublich» sei es, dass nun die Rede davon sei, der Italiener habe ohne erkennbare Systematik spielen lassen. «Da fragt man sich, warum so viele von den besten Spielern der Welt sagen, dass er ein ganz grosser Trainer ist.»
Streich: «Für uns wird es nicht leichter»
Streich hat da eine «Despektierlichkeit» ausgemacht, die ihn irritiert, liess aber offen, wen er damit meinte. Doch auch dem Freiburger Coach dürfte nicht entgangen sein, dass die Anwürfe zum Teil aus dem inneren Zirkel der Bayern stammten. Und dass Bayern-Manager Uli Hoeness höchstpersönlich den Ancelotti-Rauswurf mit einem schrägen Bild begründete: «Ich habe in meinem Leben einen Spruch kennengelernt: Der Feind in deinem Bett ist der gefährlichste. Deswegen mussten wir handeln.»
Durch die Rückkehr von Heynckes werde es für seine Mannschaft nun nicht leichter, argwöhnt Streich. Viele Münchener Spieler, die bis unter Heynckes-Vorgänger Carlo Ancelotti unzufrieden gewesen seien, müsten sich nun beweisen. Auch die Tatsache, dass der FC Bayern das erste Mal in seiner Bundesligageschichte zweimal hintereinander eine 2:0-Führung aus der Hand gegeben habe, werde deren Spieler zusätzlich anspornen. «Die werden bis in die Haarspitzen motiviert sein», sagte Streich. Und schob nach: «Wir aber auch.»