Der FC Basel spielt am Donnerstag in Genk erstmals seit 32 Jahren wieder in Belgien einen Europacup-Match. Eine Annäherung der anderen Art an ein Land, dessen Nationalheiligtum frittierte Kartoffeln sind.
Erhabener kann ein Restaurant kaum gelegen sein, als das lichte, kühl-moderne t´Zilte im neunten Stock des neuen Antwerpener MAS, dem prachtvollen «Museum am Strom» zwischen Hafen und Altstadt. Das t´Zilte hat zwei Michelin-Sterne. Man verwöhnt uns beim «Light Lunch» mit einem Feuerwerk aus gebutterten Scallops mit Tupfern aus Kartoffelselleriesahne, Steinpilz-Hostien kleiner als ein Cent-Stück, begleitet von zehn knuspernden Brotsorten und einer knackigen Entenbrust mit Granatapfel. Das Mittagessen mit Blick über Antwerpens Hafen-Landschaft dauert drei Stunden.
1980 trat der FC Basel zum letzten in Belgien zu einem Europacupspiel an. Im Landesmeister-Wettbewerb gewann er in der ersten Runde beim FC Brügge durch ein Tor von Erni Maissen 1:0 (Rückspiel in Basel: 4:1). 32 Jahre später reicht dem FCB am Donnerstag in Genk (21.05 Uhr, SF2) schon ein Unentschieden zum Überwintern auf internationaler Bühne und dem Sprung in die Sechzehntelfinals der Europa League.
Gastgeber KRC Genk, aktuell Vierter der belgischen Liga, ist bereits eine Runde weiter. Der Racing Club verliert den für die Auslosung (20. Dezember) nicht unwesentlichen Gruppensieg nur durch eine Heimniederlage gegen Basel. (cok)
Viki Geunes, 40, der Chef, macht ein paar Bemerkungen zu seiner Speisensphilosophie. Über neue Techniken in Balance, über die Gesamtkomposition von besten Zutaten und einem perfekten Team, und dass «die Sensation des Genusses» beginne, «wenn der Teller genau da steht, wo der Gast automatisch hin greift.» Solche Sachen. Dann referiert er über Fritten.
Es sei «keine Frage», dass er sie gelegentlich in seine Menus (sieben Gänge, inklusive Weine 205 Euro) integriert. Gebrutzelt unbedingt in einer «eigenen ausgewogenen Fettmischung» – pflanzliches und tierisches Öl: «Ohne Rinderfett geht es nicht, man braucht den leicht animalischen Geschmack.»
Bintje-Kartoffeln nimmt er, die selbstverständlich handgeschnitten werden ohne normierende Maschine: «Ganz dünn für feine Knusprigkeit, um eine Komposition abzurunden. Zu einem Stück Fleisch müssen sie zehn Millimeter dick und innen saftig sein.» Bei 130 Grad vorbraten, dann bei 175 ausbacken. «Je kälter du sie in den zweiten Durchgang schickst, desto besser.» Wasser und heisses Fett sind chemisch schwer verfeindet. Deshalb kühlt sie Geunes «auf zwei Grad ab und tupfe vor dem Endbraten alle Feuchtigkeit weg». Wir staunen. Dann lässt er den Kaffee servieren.
Das kulinarische Nullum
Fritten im Sterne-Restaurant? Bei uns ist das höchst ungewöhnlich. Friteusen braucht man kaum, sagen die Spitzenköche, und in den engen Gourmet-Küchen herrscht allerorts Platzmangel. Also gar nicht erst rein damit. Ausserdem überlagert Fettgeruch alles. Das stört. Und überhaupt: Pommes! Auch die leckersten gelten bei uns doch als profaner Sattmacher mit proletarischer Anmutung. «Ein kulinarisches Nullum» schrieb 1990 das Hamburger «Zeit»-Magazin.
Anders in Belgien: Dort sind sie, zusammen mit den oft abenteuerlichen Verkaufsbuden, seit jeher identitätsstiftendes Nationalheiligtum über alle Sprachgrenzen hinweg. «Fritten singen» sagen die Belgier, wenn ihre Kartoffelstangen im Fett schmurgelnd umherschwimmen. Meist übrigens in Rinderfett, anders als bei uns in preiswertem Palmöl.
Seit 2011 ist Belgien der grösste Kartoffel-Produzent der Welt, und das Land wahrscheinlich auch das der emsigsten Pommes-Esser. Selbst der hungrige König hat sich, so die Legende, zur Frittenbude «Maison Antoine» in Brüssels Europaviertel schon im Taxi vorfahren und eine Tüte voll Friet holen lassen. Sicher ist, dass vor dem Antoine schon beinahe alle EU-Abgeordneten gesichtet wurden und nicht wenige mit Majonnaise-Klecksen auf dem Schlips zurück ins Büro kamen.
Fritten sind wie Europa
Karl-Heinz Lambertz, Ministerpräsident der Ostkantone, der deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens, zieht geopolitische Vergleiche: «Fritten sind wie Europa: Aussen hart, innen weich, aber verdammt abhängig vom Öl.» Und sie haben völkerverbindende Kraft: «Auch Chinesen lieben sie wegen ihres perfekten Designs: Essen und Essstäbchen in einem.»
In Belgien ist Essen sehr wichtig. Oft setzt es vor einem wichtigen Bewerbungsgespräch ein Menu, bei dem man, so die Etikette, bitte erst nach dem Hauptgang zum Thema komme möge. Auch Vorträge, etwa in einem Social Club, beginnen gern mit einem gemeinsamen Mahl. Und die Jüngsten werden kulinarkulturell früh geschult: Kinderteller sieht man in belgischen Gastwirtschaften fast nie. Man isst mit bei Papa und Mama, probiert, kostet. Der deutsche Kabarettist Konrad Beikircher sagt über die Belgier: «Ein Land, dessen Menschen ihre Häuser nie richtig fertig machen und vom Geld lieber gut essen gehen, kann so falsch nicht sein.»
Kann man als belgischer Spitzenkoch überleben ohne Fritten? Ja, sagt Seppe Nobels, «wenn man ein italienisches Nudelrestaurant aufmacht.» Gerade mal 30 ist Nobels und Chef des Restaurants Graanmarkt 13 in Antwerpens Zentrum. Er liebt ungewöhnliche Kombinationen. Krustentiere mit Schweinefüsschen zum Beispiel oder mit Innereien. Heute kommt als Vorspeise ein Duett von Jakobsmuscheln und sensationellen gebratenen Blutwurstscheiben.
Drei Sterne und drei Friteusen
Nach den Rebhuhnbrüsten mit Gerstenrisotto folgt seine Fritten-Philosophie. «Natürlich haben wir sie im Programm. Zu manchen Gerichten passen sie als Einzelstücke einfach wunderbar.» Sorte: Bintje. 10 Millimeter Kantendicke jeweils, hand cut. Zubereitungszeremonie: «Zuerst 1 Minute abkochen in Salzwasser, 5 Minuten relaxen lassen, unbedingt abtrocknen. Kühlen. Noch mal intensiv abtrocknen. Dann 4 Minuten bei 140 Grad in Ochsenfett, schliesslich um sie schön knusprig zu bräunen: 1 Minute in sehr gutem Erdnussöl, 170 Grad.»
Das Rezept habe er zum Teil von einem Kollegen, dem Chef des Karmeliet in Brügge, Geert Van Hecke. Das Karmeliet ist eines von drei Restaurants in Belgien, über dem das Maximum von drei Michelin-Sternen strahlt. Es hat drei Friteusen.
Vom Fisch zur Fritte – und der Weg auf die Briefmarke
Im Frittenmuseum von Brügge kann man die Entstehungsgeschichte nett aufbereitet nachlesen. Fischer im belgischen Namur konnten in den kalten 1750er Wintern in der vereisten Maas nicht angeln, also warfen sie nicht Fischstücke in siedendes Öl, sondern versuchten es mit Kartoffelscheiben. Die French Fries sind also eigentlich Belgian Fries. Längst haben Fritten im Königreich eine eigene Briefmarke, und Miss Belgien posiert mit den angeblich dick machenden Stangen.
Im wundervollen mittelalterlichen Gent, laut «Lonely Planet»-Führer «Europas bestgehütetes Geheimnis», landen wir in einem alten Fabrik-Pavillon bei Olly Ceulenaere im Restaurant Volta. Es mundet der «Königliche Polderhase», so fein, dass ihn Albert II. Wohl auf den ersten Biss in die königliche Familie adoptieren würde. Die rote Hasenpracht ist gebettet in die Volta-Spezialität «As», das heisst Asche: Das sei, erläutert Ceulenaere, eine Mischung aus verschiedenen Gemüsen, leicht steigernd gedünstet, bis eine Masse mit dunkler Textur entsteht, die zu Pulver dehydriert wird, um dann mit Öl, Sour Creme und Schalottenpuree zur Mousse zu werden.» Wow! Aber jetzt wollen wir endlich Fritten.
Geschmacklich nahe am Paradies
Der Meister windet sich ein wenig, während seine Mitarbeiter schon schneller Hand die ersten Edelstahlflächen der Küche reinigen. «Ich würde es ja sofort machen, wenn jemand freundlich fragt», sagt er, «aber ausgerechnet heute…, wissen Sie…»
Um es kurz zu machen: Freitags geht Olly Ceulenaere mit der Belegschaft zur Geisterstunde immer an eine Frietkot am Stadtrand. «In dieser Bude gibt es die besten Fritten von Gent. Eine grosse Portion, köstliche Saucen, ein Bier, heerlijk.» Und, lässt er zum Abschied noch wissen: «Gute Fritten sind geschmacklich nahe am Paradies.»
Was das alles mit Fussball und dem Spiel des FC Basel in Genk zu tun hat? Gar nichts.