Für Basel ist Luzern das neue Bern

Die Young Boys straucheln, der FC Basel zieht souverän vorne weg, und so wird in der Super League aus dem FC Luzern für den Moment das neue Bern. Meister FCB profitiert von einer konstanten Ernsthaftigkeit, mit der er auch vermeintlich leichten Gegnern gegenübertritt, und vom Segen ablenkungsfreier Trainingswochen in der Prägungsphase des Teams.

31.07.2016; Vaduz; Fussball Super League - FC Vaduz - FC Basel; Birkir Bjarnason (Basel) Renato Steffen (Basel) Luca Zuffi (Basel) jubelt nach dem Tor zum 1:4 (Andy Mueller/freshfocus)

(Bild: Andy Mueller/freshfocus)

Die Young Boys straucheln, der FC Basel zieht souverän vorne weg, und so wird in der Super League aus dem FC Luzern für den Moment das neue Bern. Meister FCB profitiert von einer konstanten Ernsthaftigkeit, mit der er auch vermeintlich leichten Gegnern gegenübertritt, und vom Segen ablenkungsfreier Trainingswochen in der Prägungsphase des Teams.

Man staunt also über die Super League und ihre 27 Tore, die in den fünf Spielen des Wochenendes zustande gebracht wurden. Mehr fielen zuletzt, als die Super League noch gar nicht erfunden war: in der letzten Saison des alten Nationalliga-A-Formates 2002/2003.

Während der grösste Teil von Rest-Europa noch im fussballerischen Sommerschlaf dämmert und die fetten Treffer eher auf dem Spielermarkt erzielt werden, ist die kleine Torinflation in der Schweiz natürlich ein hübsches Ausrufezeichen. Und Wasser auf die Mühlen derer, die standhaft behaupten, dass der hiesige Fussball gar nicht so schlecht sei, wie er hin und wieder gemacht wird.

Nun kann man natürlich streiten darüber, inwiefern Angriffslust stets auch verbunden ist mit einer gewissen defensiven Inkontinenz. Beim atemlosen 4:4 zwischen Aufsteiger Lausanne und Thun war schon die eine oder andere Einladung der Verteidiger an die gegnerischen Stürmer zu beobachten. Die «Neue Luzerner Zeitung» liess deshalb bei aller Begeisterung über den besten Saisonstart des FCL seit 23 Jahren defensive Unzulänglichkeiten («Nicht nur Torhüter Zibung machte keine gute Figur») beim rauschenden 4:3 gegen die Grasshoppers nicht unerwähnt.

Fredy Bickel, Sportchef Young Boys Bern

Fischer kann – nach einem summa summarum problemlosen 5:1-Sieg gegen ein wackeres Vaduz – die für Trainer typische antizyklische Kritik am eigenen Team anbringen: Den Gegner zur einen und anderen gefährlichen Szene eingeladen zu haben, missfiel dem Trainer ebenso wie die aktive Beihilfe zum ersten Gegentor der Saison. Das ist jedoch Klagen auf hohem Niveau angesichts des grossen Vorwärtsdrangs seiner Mannschaft.

Die beiden Tore in der ersten Halbzeit und der Angriff, der zum Elfmeter führte, waren brillant gespielt und dürfen als Beleg gelten für Fischers Saison-Credo: «Wir wollen unberechenbarer werden.» Dass der Führungstreffer wie aus einstudierten Laufwegen aussah, freute den Trainer: «Schön, wenn man sieht, dass wir etwas trainieren.»

Das neue YB heisst für den Moment Luzern

In Bern dagegen sind sie fürs Erste bedient, Trainer Adi Hütter nach eigenem Bekunden «sauer» auf sein Team, die offiziell 14’300 Zuschauer schon wieder frustriert, und am Mittwoch kommt Schachtjar Donezk, gegen das in der Champions-League-Qualifikation der nächste Ablöscher droht. Schon im Hinspiel waren die Young Boys mit dem 0:2 gut bedient, und nach drei Wettbewerbsspielen machen sie schon einen müden Eindruck. 7000 verkaufte Tickets zeugen nicht davon, dass die Berner den Young Boys noch ein Comeback zutrauen.



YB coach Adi Huetter, left and player Guillaume Hoarau from France during a training session one day prior to the UEFA Champions League third qualifying round second leg soccer match between Switzerland's BSC Young Boys Bern and Ukraine's Shakhtar Donetsk, in the Stade de Suisse in Bern, Switzerland, Tuesday, August 2, 2016. (KEYSTONE/Manuel Lopez)

Gesprächsbedarf: Der bediente YB-Trainer Adi Hütter mit Stürmer Guillaume Hoarau zwischen Lugano-Pleite und Rückspiel gegen Donezk. (Bild: Keystone/MANUEL LOPEZ)

Das neue YB heisst deshalb für den Moment Luzern. Zwei Startsiege haben die Luzerner zuletzt 1993/1994 geholt, zu Zeiten, als der FC Basel noch in den Niederungen der Nationalliga B darbte. Am gewohnt quecksilbrigen Standort Luzern beginnt man nach Platz 3 in der Vorsaison bereits zu träumen. Von was genau ist noch nicht zu erkennen, aber Trainer Markus Babbel warnt bereits: «Wir dürfen jetzt nicht euphorisch werden.»

Erst neulich hat der Deutsche den FC Luzern und dessen ständigen Unruheherde mit dem FC Schalke 04 verglichen, wo es zwischen himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt auch immer nur ungefähr einen Sieg oder eine Niederlage braucht.

Der Spitzenkampf am Sonntag: eher eine Nagelprobe für Luzern als für den FC Basel.

Am Sonntag (13.45 Uhr) darf Luzern dem FC Basel auf den Zahn fühlen, und die Innerschweizer dürfen sich immerhin rühmen, dem Meister eine seiner fünf Niederlagen in der vergangenen Saison zugefügt zu haben. Das 0:4 in der Swissporarena war gar die höchste Niederlage seit April 2010 (0:4 bei den Grasshoppers) und trägt den kleinen Makel, dass es gegen einen als Meister feststehenden und personell auf dem Zahnfleisch daherkommenden FCB gelang.

Basel Trainer Urs Fischer im Fussball Meisterschaftsspiel der Super League zwischen dem FC Vaduz und dem FC Basel, im Stadion Rheinpark in Vaduz, am Sonntag, 31. Juli 2016. (KEYSTONE/Nick Soland)

Kann seiner Mannschaft einigermassen entspannt zuschauen: Urs Fischer in Vaduz. (Bild: Keystone/NICK SOLAND)

So gefestigt, wie Fischers Mannschaft auch bei Rochaden schon wieder wirkt, wird es wahrscheinlich eher eine Nagelprobe für Luzern als für Basel. Und Babbels Mannschaft kehrt erst in der Nacht auf Freitag aus der Emilia Romagna zurück, wo das Rückspiel in der Europa-League-Qualifikation bereits das sechste Wettbewerbsspiel der noch so jungen Saison darstellt.

Das wird, egal ob gegen Sassuolo nach dem 1:1 im Hinspiel der Coup gelingt oder nicht, eine physische und mentale Herausforderung für den FC Luzern. Urs Fischer macht keinen Hehl daraus, dass ihm der Einstieg mit dem FCB in diesen Sommer ohne Qualifikationsparcours zupass kommt, und fügt mit einem Augenzwinkern und in Gedenken an Tel Aviv an: «Ohne Qualifikation kann man wenigstens nichts falsch machen.»

Basels Nutzen aus störungsfreien Trainingswochen

Drei komplette Trainingswochen bis zum Heimspiel gegen YB (Mittwoch, 10. August) sind aus Basler Perspektive ein Luxus. Es ist quasi die Verlängerung der Vorbereitung und Prägungszeit für das Team. «In unserer Situation normal trainieren zu können, ist sicher besser für uns. So können wir taktische Elemente einstudieren und über das Training in den Rhythmus kommen.» Auf Freundschaftsspiele unter der Woche verzichtet Fischer im Moment auch deshalb, weil es nicht einfach ist, adäquate Gegner zu finden. Interne Testspiele zur Wochenmitte sind der Ersatz «auf ganz hohem Niveau», wie Fischer sagt.

Bis jetzt ist dieser Aufbauplan der Mannschaft aufgegangen. Und wenn man Spieler wie Renato Steffen («Ein paar Sachen gibt es schon noch zu verbessern») oder Marc Janko hat («Wir haben gegen Vduz auch gesehen, an was wir noch arbeiten müssen»), dann muss man sich als Trainer auch keine grossen Sorgen machen. Als potenzieller Konkurrent des FC Basel dafür umso mehr.

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