Für Benfica geht es gegen Basel um Nichts – und doch um eine ganze Menge

Die Schmach des 0:5 in Basel und die blamabelste Champions-League-Kampagne der Klubgeschichte – das sind zwei Etiketten, die Benfica Lissabon kaum egal sein werden, wenn am Dienstag der FC Basel im Estadio da Luz um die Achtelfinals spielt.

Szene eines Spitzenspiels: Danilo Pereira (links) vom Tabellenführer FC Porto wird von Benficas Abwehrroutinier Luisao sowie Bruno Varela gestoppt, der die Nummer 1 im Tor zurückerobert hat. (Bild: Keystone)

Es war eine wüste Angelegenheit, mit Fouls und Gerangel, mit Streit um den Schiedsrichter und einer Fanattacke auf einen Gästespieler. Eben Portugals «Clássico», als der das Duell zwischen dem FC Porto und Benfica auch bei seiner 237. Auflage am Freitagabend firmierte. Für die Besucher aus Lissabon waren es diesmal sogar: 90 Minuten Überlebenskampf. Trainer Rui Vitória jedenfalls erklärte nach dem 0:0 in diesem Sinne den moralischen Sieg: «Es ist doch nicht die Beerdigung von Benfica geworden.»

Eine solche war antizipiert worden, weil Tabellenführer Porto bislang mit Schwung durch die Saison gestürmt war, wohingegen der Titelverteidiger ziemlich herbstlich daher kam. Nach vier Benfica-Titeln in Folge stehen die Zeichen in Portugal auf Zykluswechsel, zumal auch Sporting, als Zweiter nun punktgleich mit Porto, einstweilen spritziger und inspirierter wirkt als der Stadtrivale. Doch kampflos, das darf seit Freitag als offiziell gelten, wird Benfica nicht abtreten. «Die Meisterschaft», dozierte Rui Vitória genüsslich, «endet erst im Mai und wir werden bis dann im Rennen sein».

Zumal man bald ja einen gewichtigen Vorteil einbringen kann: anders als die Konkurrenz wird man sich unter der Woche ausruhen. Mit der Partie gegen den FC Basel am Dienstag verabschiedet sich Benfica für diese Saison aus Europa – nach der blamabelsten Kampagne, die es in seiner ruhmreichen Geschichte abgeliefert hat.

Das demütigende 0:5 in Basel wiegt schwer

Null Punkte aus fünf Spielen in einer keineswegs unzumutbar schweren Gruppe mit dem Tiefpunkt der höchsten Champions-League-Niederlage der Klubhistorie beim 0:5 in Basel: das kann mit dem «Diário de Notícias» tatsächlich nur als «demütigend» bezeichnet werden. Nie war ein Gruppenkopf so schwach wie dieses Benfica, Titelgewinner von 1961 und 1962 und in den letzten fünf Jahren immerhin zweimaliger Viertelfinalist und doppelter Europa-League-Finalist.

Nur ein Sieg gegen Basel würde den stolzen «Adlern» die Peinlichkeit ersparen, den Lokalrivalen Sporting (zwei Punkte, 2000/01) um den portugiesischen Negativrekord erleichtern zu müssen. Für das traditionsbewusste Benfica geht es, jenseits der 1,5 Millionen Euro Siegprämie, am Dienstag also um Nichts – und doch um eine ganze Menge.

Ticketpreise sind billiger als in der Liga gegen den Letzten

Gleichwohl müssen die Basler im Estádio da Luz kaum eine ähnlich einschüchternde Kulisse erwarten wie die Schweizer Nationalmannschaft vor zwei Monaten bei ihrem chancenlosen Auftritt in der WM-Qualifikation. Angesichts von Benficas deprimierender Bilanz und der momentan auch in Europas Südwesten kalten Nächte hat der Klub das Gros der Tickets bei günstigen Preisen von 25 bis 35 Euro angesetzt, um die Ränge wenigstens halbwegs zu füllen. Selbst das nächste Ligaspiel gegen den Tabellenletzten Estoril wird teurer.

«Es ist doch nicht die Beerdigung von Benfica geworden» – Trainer Rui Vitória nach 0:0 im Spitzenkampf in Porto.

Wie viele letztlich auch kommen: In jedem Fall wird Rui Vitórias Truppe den Stolz des verletzten Champions unter weniger feurigen Bedingungen mobilisieren müssen als zuletzt in Porto. Für Basel ist das wahrscheinlich nicht so schlecht. Denn mit dem Fussball an sich, da tut sich Benfica weiterhin schwer.

Benfica – Spielball der Umstände

Der Clássico zeigte bei allem Kampfgeist ja schon auch, dass es sich bei den rufschädigenden Europanächten nicht um blosse Ausrutscher oder irgendeinen mysteriösen Champions-League-Fluch handelte. Porto hatte die besseren Chancen, erzielte ein strittigerweise aberkanntes Tor und schien den Erzrivalen physisch bisweilen zu erdrücken. Bloss zu Beginn und in der Schlussphase – kurioserweise zu zehnt nach einem Platzverweis für den eingewechselten Andrija Zivkovic – kam Benfica zu wirklich guten Torgelegenheiten.

Bloss anfangs umgab Benfica eine Aura der Kontrolle. Gegen Rivalen von Niveau jedoch das Skript einer ganzen Partie zu schreiben – das fällt diese Saison unendlich schwer. Benfica wirkt allzu oft wie ein Spielball der Umstände.

Varela erobert die Nummer 1 zurück

Die Sommer für Sommer hochkarätigen Abgänge lassen sich eben nicht immer kompensieren, das zeigte sich in den vergangenen Monaten auch auf der Torwartposition.

Eines der Sportbilder des Jahres: Benficas junger Torhüter Mile Svilar trägt den Ball gegen Manchester United unbeabsichtigt hinter die Linie.

Bei der Suche nach dem richtigen Ersatz für den zu Manchester City abgewanderten Ederson changierte Rui Vitória zwischen ganz alt: dem 38-jährigen Júlio César, der in Basel im Tor stand und vorige Woche nach einer Vertragsauflösung den Klub verliess. Ganz jung: dem 18-jährigen Mile Svilar, der gegen Manchester United als jüngster Keeper der Champions-League-Geschichte debütierte und Benfica damit hübsche Schlagzeilen eintrug, durch Patzer in Hin- und Rückspiel aber auch die letzten Optionen auf das Weiterkommen ruinierte. Und der Mitte: dem aus Setúbal verpflichteten Bruno Varela, der die Saison begann, zwischenzeitlich in Ungnade fiel und vor zwei Wochen wieder von Svilar übernahm.

In Porto, immerhin, zeigte Varela eine tadellose Leistung, wurde sogar vom Gegner gelobt und brachte es am Sonntag als Porto Seguro – als «sicherer Hafen» – auf die Titelseite der grössten Sportzeitung «A Bola».

Seferovic’ Aktien im Keller

Bankdrücker bei Benfica: Haris Seferovic, hier als Einwechselspieler beim 6:0 gegen Setubal.

Vor dem Keeper hat Rui Vitória im Rahmen seines Krisenmanagements inzwischen von 4-4-2 auf 4-3-3 umgestellt. Das bedeutet: Nur noch ein Mittelstürmer und der heisst Jonás, der am Vorwochenende beim Schützenfest gegen Setúbal (6:0) seinen 100. Treffer in gut drei Jahren Benfica erzielte. Es bedeutet zugleich: Für den Schweizer Haris Seferovic bleibt nur noch die Bank. Wie an so mancher Station zuvor befinden sich seine Aktien nach vielversprechendem Start rasant im Abwärtstrend. In seinen ersten sechs Spielen erzielte der Nationalspieler fünf Tore. In zehn Einsätzen seither nur eines.

Ob er am Dienstag mal wieder auflaufen darf, steht stellvertretend für die aus Basler Sicht nicht ganz unerhebliche Frage, welches Benfica zu sehen sein wird: Das übliche oder eher eine B-Version? Auf dem Weg zur Rückversicherung eigener Stärke ist man gerade nicht in Stimmung für Geschenke, ausserdem gilt es ja die Null-Punkte-Schmach zu verhindern – insofern geht die Tendenz zur Stammelf.

Andererseits: Ein paar Neue könnten es ja gar nicht schlechter machen. Schlechter als diese Champions-League-Saison, schlechter als dieses historische 0:5 in Basel, das es im da Luz irgendwie aus der Erinnerung zu löschen gilt. Jedenfalls aus der Sicht von Benfica.

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