Das 16. Basler Schachfestival stösst mit 240 Teilnehmern langsam an Kapazitätsgrenzen. Zürich-Sieger Radoslaw Wojtaszek ist auch von Neujahr an im Basler Hitel Hilton favorisiert.
«Weihnachten» ist für Schach-Grossmeister nach Weihnachten. Dann beginnen ihre Festtage und sie können ihr Weihnachtsgeld verdienen – besser spät als nie. Am zweiten Weihnachtsfeiertag beginnen im deutschsprachigen Raum zahlreiche offene Turniere. Kund kaum sind die letzten Feuerwerksraketen verraucht, geht es wieder ans Brett.
Dieser Zweiklang hat sich inzwischen auch in der Schweiz etabliert. Das Gros der 23 Grossmeister zieht vom mit 30’000 Franken dotierten Zürcher Weihnachts-Open weiter nach Basel, auch wenn es im Hotel Hilton in der Spitze mit 2500 Franken für den Sieger nur halb so viel zu verdienen gibt.
Die Profis sparen auf ihrer kleinen Europa-Tour über den Jahreswechsel «Kosten und minimieren ihr Risiko, mit leeren Taschen nach Hause zu fahren», erklärt Peter Erismann den Herdentrieb. Der Teamkapitän vom Schweizer Vizemeister SG Riehen, der zusammen mit Bruno Zanetti (SK Birseck) das Basler Schachfestival Turnier organisiert, weiss: Die Spieler, die in Zürich eine Spitzenplatzierung verpassen, sind in Basel besonders motiviert, um nicht leer nach Hause zu gehen.
Pelletier hat Scharte auszuwetzen
Demnach könnte es Radoslaw Wojtaszek an Neujahr ab 14 Uhr gemütlich angehen lassen. Der topgesetzte Pole holte als einziger in den sieben Runden sechs Punkte und verdiente sich an der Limmat so die 5000 Franken Siegerprämie vor Igor Kowalenko (Lettland), dem Ungarn Csaba Balogh, dem Bulgaren Kiril Georgiew, Sebastian Bogner (Zürich) und Joe Gallagher (Neuchâtel/alle 5,5 Punkte).
Im Gegensatz zu Wojtaszek, der dem vor wenigen Wochen entthronten Weltmeister Viswanathan Anand (Indien) als Sekundant dient, müsste gemäss Erismann Yannick Pelletier besonders motiviert sein. Der 37-Jährige unterlag in Zürich in der stets so wichtigen letzten Runde seinem Nationalmannschaftskollegen Gallagher und flog dadurch mit 4,5 Zählern aus den Preisrängen.
Der beste Schweizer ist im Hilton aber nur an Position zehn gesetzt. Neben dem Weltranglisten-37. Wojtaszek stehen auch Kowalenko oder der Vorjahressieger Boris Gratschew aus Moskau deutlich vor Pelletier. «Basel ist ebenso sehr stark besetzt, fast wie Zürich», ordnet der Grossmeister im Vorfeld ein und schiebt nach, «es wird natürlich sehr schwierig sein, aber ich erhoffe mir natürlich, vorne mitspielen zu können.»
Zürich-Sieger Wojtaszek favorisiert
Erismann sieht Wojtaszek als «klaren Favoriten». Er hat kürzlich beim Europacup auf Weltmeister-Niveau gespielt und legte jetzt in Zürich nach. Offensichtlich ist er in exzellenter Form.» Auf der Rechnung hat der frühere Nationalmannschaftskapitän zudem Gratschew, den an Position zwei gesetzten Israeli Maxim Rodshtein, der erstmals nach Basel pilgert, und den für Frankreich spielenden Rumänen Andrei Istratescu.
Der Anfang 2013 überzeugende Brasilianer Alexander Fier hat heuer gleich noch seinen Landsmann Felipe de Cresce El Deps aus Sao Paulo mitgebracht, der ebenfalls den Grossmeister-Titel trägt.
Kaum Chancen auf eine Topplatzierung haben Ulf Andersson und Vlastimil Hort, der am 12. Januar seinen 70. Geburtstag feiert. Der aus Tschechien stammende Deutsche und der alte Schwede sind Legenden, die vor Jahrzehnten zur absoluten Weltklasse zählten und für die Fans echte Zugnummern darstellen. Wenn sie an einem der vier Bretter spielen, die weltweit live übertragen werden, dürften sich noch weit mehr Zuschauer als sonst auf die Webseite der Veranstalter begeben. Der frühere Nationalspieler Heinz Wirthensohn kommentiert die wichtigsten Duelle im Hilton.
Die Einheimischen auf 17 und 22
Die stärksten Akteure der Region, Andreas Heimann (Reichenstein) und Nicolas Brunner (SG Riehen), besitzen Aussenseiterchancen. Die beiden Internationalen Meister (zweithöchster Titel im Schach) stehen in der Setzliste auf den Positionen 17 und 22. «Schach-Dino» Hort ist die Nummer 23.
Die drei Grossmeisterinnen Alina Kaschlinskaja (Russland), die für Frankreich gemeldete Georgierin Nino Maisuradse und Marta Bartel – verheiratet mit dem an fünf gesetzten Polen Mateusz Bartel – kämpfen um den mit 200 Franken weit niedriger dotierten Damenpreis. Nach den sieben Runden werden sie am 5. Januar im Gesamtfeld sicher nicht ganz vorne zu finden sein.
Das Festival wächst stetig
Wichtig für die organisierenden Vereine Riehen und Birseck ist neben der Klasse des Feldes die Masse der Teilnehmer, die im Meister- wie im Amateur-Turnier antritt. Sie finanzieren mit ihrem Startgeld von bis zu 120 Franken das Budget von knapp 50’000 Franken mit. «Durch insgesamt 240 Spieler sind wir jetzt fast an der Kapazitätsgrenze», sagt Zanetti.
Am 3. Januar (20 Uhr) bieten die beiden Schachvereine zusätzlich ein Blitzturnier mit nur fünf Minuten Bedenkzeit statt der mehrstündigen Begegnungen an. Zudem ermittelt der Nachwuchs am Sonntag, 5. Januar, ab 12 Uhr im Hilton die Sieger im Jugendkönig-Turnier.
Zanettis Kompagnon Erismann sieht die Entwicklung des 16. Basler Schachfestivals insgesamt auf einem guten Weg: «Wir streben einen kontinuierlichen Ausbau an. Wir festigen unseren Rufs als eines der drei regelmässig durchgeführten Spitzenturniere in der Schweiz neben Biel im Sommer und Zürich.» Sollte sich ein Grosssponsor für den Denksport begeistern, hält der Riehener sogar ein reines Grossmeister-Rundenturnier in Basel für realisierbar.
Hotel Hilton, Aeschengraben 31
Das Programm
Mittwoch, 1. Januar, 14 Uhr: 1. Runde Meister- und Amateur-Open
Donnerstag, 2. Januar, 9.30 und 16 Uhr: 2. und 3. Runde Meister- und Amateur-Open
Freitag, 3. Januar, 14 Uhr: 4. Runde Meister- und Amateur-Open; ab 20 Uhr: Blitzturnier
Samstag, 4. Januar, 9.30 und 16 Uhr: 5. und 6. Runde Meister- und Amateur-Open
Sonntag, 5. Januar, 9.30 Uhr: 7. Runde Meister- und Amateur-Open; Siegerehrung: 17 Uhr; ab 12 Uhr: Jugendkönig-Turnier für Nachwuchsspieler
Informationen rund um das Schachfestival: www.schachfestivalbasel.ch
Live-Partien: www.schachfestivalbasel.ch/Live/tfd.htm