Weg A oder Weg B? Das fragt sich Jason Joseph immer wieder. Doch für den 19-jährigen Leichtathleten aus Oberwil ist inzwischen klar, wohin er steuert. «Am liebsten würde ich es als Profisportler versuchen und dann durchstarten.» Er schätzt diese Möglichkeit als realistisch ein. Aber er hat auch einen Plan B: Einstieg ins Berufsleben. «In den nächsten beiden Jahren dürfte sich das entscheiden», sagt Joseph.
Weit gebracht hat es der Baselbieter mit dem karibischen Temperament bereits jetzt. Junioren-Europameister wurde er letzten Juli über 110 Meter Hürden. Seine Bestzeit von 13,25 Sekunden ist Schweizer Rekord über die 99,4 Zentimeter hohen Hindernisse in dieser Alterskategorie. Es ist die zweitbeste Zeit bei den U20-Hürdensprintern weltweit. Und sie war Basis für EM-Gold.
«Wenn ich schnell laufe, fühle ich mich easy»
Welchen Stellenwert dieser Erfolg darstellt, zeigt sich unter anderem in der Auszeichnung zum «Sporthilfe Nachwuchssportler» Anfang April. Seit 37 Jahren verleiht die Sporthilfe diesen Preis. Dotiert ist er mit immerhin 12’000 Franken, eine schöne Starthilfe für die Karriere von Joseph. Er steht nun in einer Reihe mit Didier Défago, Fabian Cancellara, Nicola Spirig, Nino Schurter, Simone Niggli-Luder oder Lara Gut, allesamt frühere Sporthilfe-Nachwuchssportler.
«Mein EM-Titel löste viel aus», sagt Jason Joseph mit Blick zurück auf die letzten zehn Monate. Eine breitere Öffentlichkeit begann sich für das vielversprechende Talent zu interessieren. Die Medien meldeten sich. Sponsoren fragten an. «Das war ungewöhnlich, aber ich konnte mich rasch damit anfreunden», sagt er. Trotzdem, die Resultate der zweiten Saisonhälfte wiesen nicht mehr ganz die Klasse von vorher auf.
«Die Leute erwarteten von mir ständig Spitzenleistungen», sagt er. Mittlerweile belastet ihn dies aber weniger. Seine Mutter unterstützt ihn zusätzlich und übernahm das Management. Und bezüglich der eigenen Erwartungshaltung sagt er: «Für den grössten Druck sorge ich selber.» Schnell laufen will er, brillieren und ganz einfach «das Beste geben». Gelingt das, «fühle ich mich easy, extrem glücklich. Misslingt ein Rennen, will ich schnell herausfinden, woran es gelegen hat».
Die anfängliche Abneigung gegen das Hürdenlaufen
Dass Jason Joseph zu einem der grössten Hoffnungsträger der Schweizer Leichtathletik geworden ist, hat sich lange nicht abgezeichnet. Der Sohn einer St. Gallerin und eines Vaters von der Karibikinsel St. Lucia interessierte sich für den Fussball und den FCB. Bei den Old Boys Basel spielte er denn auch mit, bis er etwa neun Jahre alt war. Glücklich wurde er dabei nicht: «Ich bin kein Mannschaftssportler, das zeigte sich schon damals.»
Zur Leichtathletik kam Joseph durch seinen Mittelstufenlehrer Markus Glauser. Beim LC Therwil stieg er dann in die Nachwuchsgruppe von Philipp Schmid ein, der bis heute sein Heimtrainer geblieben ist. Er übte Weitsprung, Ballwerfen, Sprinten, Hochsprung und 1000 Meter. Bis Schmid ihm nach zwei Jahren riet, es einmal mit dem Hürdenlaufen zu versuchen. Eine «Liebe auf den ersten Blick» war es keineswegs. «Ich mochte diese Disziplin nicht», erzählt Joseph, «ich fühlte mich dabei nicht wohl.» Es dauerte, bis sich das allmählich änderte.
Mit 16 Jahren gewann Jason Joseph seinen ersten Schweizer Meistertitel. Der Meinungsumschwung hatte bereits eingesetzt. Heute sagt er: «Hürdenlaufen ist etwas wirklich Tolles. Da kommt es nur auf mich an.» Es gilt nicht nur schnell zu sein, sondern auch technisch versiert. Und dabei bevorteilt ihn die Natur mit seinen 1,92 Metern Körpergrösse und den langen und schnellen Beinen. Deshalb, schätzt er, werden auch die sieben Zentimeter höheren Hürden bei der Elite «keine allzu grosse Umstellung» sein.
Unter den Fittichen von Talentschmied Werner Dietrich
Für den Sommer 2018 hat sich Joseph hohe Ziele gesetzt: «Ich will die Limite für die Europameisterschaften von Anfang August in Berlin ansteuern.» 13,85 Sekunden sind dazu gefordert. Thema wird im Training auch der U23-Schweizer Rekord sein. Dieser steht bei 13,72. Gehalten wird er von Andreas Kundert, der auch den Elite-Rekord (13,41) hält.
Werner Dietrich, der Schweizer Talentförderer schlechthin, wird sich Josephs ab nächstem Jahr annehmen. «Auf Werners Inputs bin ich gespannt», sagt Joseph. Kennengelernt haben sich die beiden schon. Im Frühling nahm der Baselbieter zum zweiten Mal am Trainingslager der Dietrich-Gruppe in Griechenland teil. «Werner Dietrich kann mit meiner Ungeduld umgehen», sagt Jason Joseph, «und er bremst mich auch, wenn es nötig wird.»
Die Leichtathletik-Sektion der Old Boys Basel und der Zeitplan des Hürden- und Sprintmeetings am 12. Mai 2018