Fussball – reduziert aufs Wesentliche

Das Geisterspiel des FC Basel gegen den Valencia CF fand vor 350 Zuschauern statt. Hinter der Muttenzerkurve unterstützten rund 2000 Fans die Mannschaft. Wie sich das Spiel im leeren St.-Jakob-Park für die Akteure anfühlte – mit Videointerviews.

FOTO: tageswoche/STEFAN BOHRER ORT: BASEL - 3.4.2014: GEISTERSPIEL IN BASEL (Bild: STEFAN BOHRER)

Das Geisterspiel des FC Basel gegen den Valencia CF findet vor 350 Zuschauern statt. Hinter der Muttenzerkurve unterstützen rund 2000 Fans die Mannschaft und bekommen zeitverschoben mit, wie die Basler das Hinspiel mit 3:0 gewinnen. Fussball einmal anders und mittendrin einer, der möglicherweise genau ein solches Spiel gebraucht hat.

Das Übel ist spätestens seit der Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika bekannt: Die Gäste in denjenigen Bars, die noch mit Analog-TV ausgestattet waren, bekamen die Spielszenen Sekunden früher zu sehen als die Nachbarbeiz, die bereits auf das digitale Signal aufgerüstet hat. Zeitverzögerung im Fussball ist ein Ärgernis.

Im Viertelfinalhinspiel der Europa League, das der FC Basel mit 3:0 gegen den Valencia CF gewinnt, fühlen sich die Anwesenden in der 35. Minute vier Jahre in diese Szenen zurückversetzt: Matias Delgado trifft zum 1:0 – und dem Applaus der offiziell 350 Zuschauer im St.-Jakob-Park folgt wenige Augenblicke später der entfernte Jubel der Muttenzerkurve.

Die improvisierte Muttenzerkurve – leicht versetzt

Der Grund: Der Fanblock des FCB ist beim sechsten Sieg im siebten Geisterspiel der Basler nicht im Stadion zugegen, sondern hat dahinter auf öffentlichem Boden eine Grossleinwand aufgezogen. So verfolgen geschätzte 2000 Fans wenige Meter hinter ihrem üblichem Standort und wenige Sekunden nach den Liveaktionen die Partie, zu der wegen der Verfehlungen in Salzburg keine Zuschauer zugelassen wurden.

«Die Stimmung war trotzdem bemerkbar. Wir haben die Fans bei jeder Aktion gehört», äussert Murat Yakin seine Wahrnehmung der improvisierten Muttenzerkurve. Die Mannschaft dankt es den Fans und winkt ihnen nach der Partie durch ein Fenster des Stadions zu.

In das Stadion dürfen unter anderem Spieler und Staff der beiden Mannschaften, Uefa-Funktionäre, Sicherheitspersonal oder Journalisten. Doch diese erleben nicht nur einen ruhigen Abend, was insbesondere mit den anwesenden spanischen Medien zu tun hat: In bester südländischer Manier füllen sie die Ränge mit den Klängen ihrer fussballkompatiblen Sprache und geben der Partie ein wenig von der Seele zurück, die laut FCB-Präsident Bernard Heusler in einem Geisterspiel «verloren geht».

Doch man kann in diesem Spiel auch etwas anderes erkennen: Der Fussball wird reduziert auf das Wesentliche.

Serey Die spricht ja Deutsch

Trainer und Spieler hören beispielsweise Anweisungen, die üblicherweise von den Fangesängen übertönt werden. So erfahren die Anwesenden, dass Geoffroy Serey Die durchaus ein paar Brocken Deutsch spricht, wenn er von seinen Mitspielern mit dem Ruf «Wechsel, Wechsel» den Ball auf der anderen Seite sehen möchte.

Dass das Zusammenspiel zwischen Fans und Spielern wegfällt, ist zwar eine weitere zutreffende Aussage von Heusler. Doch dafür kommen andere zwischenmenschliche Komponenten zur Geltung: Die Spielenden teilen Jubelszenen mit den Verletzten oder Gesperrten, die unbedrängt auf der Tribüne die Partie verfolgen.

Streller outet sich als Fan und Delgado blüht auf

So wird erkenntlich, dass der verletzte Captain Marco Streller einer der grössten Fans seiner eigenen Mannschaft ist und dass Vize-Präsident Adrian Knup auch bei einem Geisterspiel nicht applaudiert, wenn die Mannschaft einläuft. Weiter kommt unweigerlich die Vermutung auf, dass Matias Delgado möglicherweise ein Spiel vor blauen Plastiksitzen brauchte, um zwei Tore zu erzielen – und den Knoten zu lösen, von dem Murat Yakin seit Monaten spricht. Nun sagt der Trainer: «Matias hat zu seinem Spiel gefunden.»

Und so ist dieses Spiel abgesehen von den leeren Rängen auch mit der Geschichte von Matias Delgado verbunden, der möglicherweise befreit vom Druck der Zuschauer in alter Stärke aufspielte.

Aber Delgado äussert sich nach der Partie nicht nur zu seinen beiden Treffern. Er spricht auch davon, dass er unbedingt bald wieder vor einer Kulisse spielen möchte, die die Mannschaft nach vorne peitscht. Der Fussball stand gegen Valencia im Mittelpunkt, aber die Nebengeschichte eben auch.

Was die Direktbeteiligten zum Geisterspiel sagen, in Bild und Ton:

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