Gegenwind für das «Hooligan-Konkordat»

Eine Gruppe von Fussballfans legt beim Bundesgericht Beschwerde ein gegen den Beitritt des Kantons Luzern zum Konkordat «Massnahmen gegen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen». Grundrechte würden stark eingeschränkt, sagt der Beschwerdeführer, der Basler SP-Grossrat Tobit Schäfer, weshalb die Verfassungskonformität dringend überprüft gehöre.

Fans unter Generalverdacht: Hier kontrollieren Securitas-Mitarbeiter in St. Gallen Matchbesucher beim Spiel gegen Luzern im März 2010. (Bild: Keystone/ENNIO LEANZA)

Eine Gruppe von Fussballfans legt beim Bundesgericht Beschwerde ein gegen den Beitritt des Kantons Luzern zum Konkordat «Massnahmen gegen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen». Grundrechte würden stark eingeschränkt, sagt der Beschwerdeführer, der Basler SP-Grossrat Tobit Schäfer, weshalb die Verfassungskonformität dringend überprüft gehöre.

Seit im August 2011 ein sogenannter Runder Tisch sistiert worden ist, an dem Probleme und Lösungen bei der Sicherheit in Schweizer Sportstadien erörtert wurden, haben die Hardliner unter den Sicherheitsfachleuten und Politikern, angeführt von der inzwischen zur Ständerätin gewählten Karin Keller-Sutter, den Takt vorgegeben. Ergebnis ist eine Verschärfung jenes Konkordats, das im Vorfeld der Euro 2008 in Kraft gesetzt wurde.

Dieses als «Hooligan-Konkordat» bekannte Papier läutete in der Schweiz eine neue Zeitrechnung ein. Seither gibt es zum Beispiel die Datenbank «Hoogan», in dem fehlbare – oder auch nur als solche eingeschätzte – Matchbesucher sowie allfällige Stadionverboten festgehalten werden. Nur fünf Jahre später verabschiedete die Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD) im Herbst 2012 eine verschärfte Variante dieses Konkordats.

Die Bedenken sind nicht neu

Das Papier birgt eine Flut von Vorschriften, die den Clubs und Fans – speziell im Fussball und im Eishockey – gemacht werden können; es ist das umfassendste Instrumentarium, das der Schweizer Sport beim Thema Sicherheit bisher gesehen hat. Und verfassungsrechtliche Bedenken werden nicht erst seit Neustem geäussert.

So hat Markus Mohler, ehemaliger Kommandant der Kantonspolizei Basel-Stadt, die Ideen der KKJPD zerpflückt und vor Jahresfrist bereits vorhergesagt, dass das Konkordat vor Bundesgericht scheitern werde.

Widerstand gegen das Konkordat regt sich schon lange, nun manifestiert er sich in der Beschwerde ans Bundesgericht, die die Gruppe am 11. Februar eingereicht hat. Durch Identitäts- und Intimkontrollen bei Matchbesuchern, Reisevorschriften für Fans oder die räumliche und zeitliche Ausweitung des Rayonverbots und der Meldepflicht betrachten die Fans verschiedene Grundrechte stark beeinträchtigt: ihre Bewegungsfreiheit, die körperliche und geistige Unversehrtheit, den Schutz der Privatsphäre oder die Versammlungsfreiheit.

Schäfer: «KKJPD schiesst weit über Ziel hinaus»

Die Fans, die die Beschwerde einreichen, sehen sich als regelmässige Besucher von Spielen «unter Generalverdacht gestellt und potentiell von den unverhältnismässigen Massnahmen betroffen», wie es in einer Mitteilung heisst. Tobit Schäfer sagt: «Die KKJPD schiesst damit weit über das Ziel hinaus.»

Neben dem Basler SP-Grossrat treten drei weitere Personen aus Luzern, Zürich und St. Gallen als Beschwerdeführer auf; Schäfer wurde als Sprecher der Gruppe bestimmt. Das koordinierte Vorgehen, so Schäfer, sei das Ergebnis von Gesprächen zwischen Fangruppen verschiedener Vereine gewesen.

Jede Person, die von den Auswirkungen eines Konkordats potentiell betroffen ist, kann in der Schweiz Beschwerde einlegen, unabhängig davon, ob sie im betreffenden Kanton sesshaft ist. «Viele Massnahmen richten sich gegen Auswärtsfans», sagt Schäfer, der sich tangiert fühlt, auch wenn es ihm im Gegensatz zu früher aus familiären Gründen nur noch sporadisch zu Auswärtsreisen mit dem FC Basel reicht.

2010 wurde Beschwerde abgelehnt

Vertreten wird die Gruppe bei der bundesgerichtlichen Überprüfung des verschärften Konkordats auf seine Verfassungskonformität durch die auf staatsrechtliche Fälle spezialisierte Zürcher Kanzlei «ettlersuter Rechtsanwälte».

Schon einmal wurde eine abstrakte Normenkontrolle vor dem Bundesgericht eingereicht, und zwar gegen den Beitritt der Stadt Zürich zum ersten «Hooligan-Konkordat», das im Kanton erst am 1. Januar 2010 Rechtskraft erlangt hatte. Zehn Monate später lehnte das Bundesgericht die Bescherde in allen Punkten ab. Von einem ähnlichen Zeithorizont geht Schäfer nun auch bei der aktuellen Beschwerde aus.

Luzern führt Identitätskontrolle ein

Luzern ist nach  Appenzell Innerrhoden, St. Gallen und Uri erst der vierte Kanton, in dem der Beitritt zum Konkordat rechtskräftig ist. Die Luzerner Polizei hat dem FC Luzern nun auf der neuen gesetzlichen Grundlage eine Bewilligung für die restlichen Heimspiele der Saison erteilt. Allerdings unter der Auflage, Identitätskontrollen an den Eingängen durchzuführen.

Die Basler Diskussion

In Basel-Stadt wird das verschärfte Konkordat wohl im Laufe des Frühjahrs dem Parlament vorgelegt werden. Am 5. März wird es eine öffentliche Diskussion geben, veranstaltet von der Universität Basel, dem FC Basel und dem Basel Institute on Governance.
Dessen Leiter, Professor Mark Pieth, der gerade als Reformer des Weltfussballverbandes FIFA in aller Munde ist, wird eine Podiumsdiskussion leiten, an der Vertreter aller Richtungen in der Sicherheitsdiskussion im Schweizer Fussball teilnehmen werden: Die KKJPD vertritt ihr Präsident, der Berner Regierungsrat Hans-Jürg Käser, Gerhard Lips, der Basler Polizeikommandant ist dabei, FCB-Präsident Bernhard Heusler, Thomas Gander, Neu-Grossrat (SP) und Fanarbeiter, sowie Tobit Schäfer, ebenfalls SP-Grossrat und Mitinitiant der Bescherde vor dem Bundesgericht.

Diskutiert werden sollen in der Aula des Kollegiengebäudes der Universität am Dienstag, 5. März (von 18.00 bis 20.00 Uhr), was Fankultur bedeutet, ob Pyros zu Recht als gewalttätigs Verhalten gewertet werden, welche polizeilichen Massnahmen effektiv und ob Grundrechtseinschränkungen für Fans verhältnismässig sind. (cok)  

Nächster Artikel