Als Bestätigung «knallharter Arbeit» sieht Heiko Vogel das 1:0 über die Bayern, Valentin Stocker fühlt sich wie in einem gallischen Dorf, Yann Sommer schildert, wie ihn jede Parade stärker machte und Ottmar Hitzfeld erzählt, wie es Uli Hoeness am Tag danach geht.
Wenn einer weiss, wie es bei den Bayern in den Tagen nach einer Niederlage vom Kaliber der am Mittwoch in Basel zugeht, dann Ottmar Hitzfeld aus reichhaltiger Erfahrung. «Das zu schildern, würde zu lange dauern», sagt der langjährige Bayern-Coach und heutige Schweizer Nationaltrainer: «Es brennt natürlich.» Eine Stunde war er nach dem Spiel noch im St.-Jakob-Park mit Uli Hoeness zusammen, «da war er schon nicht gut drauf, und ich kann mir vorstellen, wie es ihm am Tag danach geht».
Es werde das für München übliche mediale Gewitter über die Mannschaft hereinbrechen, das sei normal, wenn der FC Bayern seiner Favoritenrolle nicht gerecht werde und die Erwartungen nicht erfülle: «Wenn man gegen den Aussenseiter verliert, dann brennt es überall.» Mancher Sturm, der dann in den Medien entfacht werde, sei zwar für ihn als Trainer nicht nachvollziehbar, aber damit müssten die Spieler und die Clubführung fertigwerden
Hitzfeld lobt Vogels Defensivkonzept
Die Bayern hätten das Glück, bereits vier Tage nach Basel in München gegen Schalke 04 spielen könne, «und daheim sind die Bayern zur Zeit eine Klasse besser. Den Rückstand in der Bundesliga haben sie sich auswärts eingehandelt». Fürs Rückspiel will er dem FCB keinen Rat mit auf den Weg geben. «Weil die Vereinsführung genügend Erfahrung hat und der Trainer bewiesen hat, dass er sehr clever ist, dass er guten Fussball spielen lässt und die Philosophie von Thorsten Fink weiterführt.»
Defensiv, sagt Hitzfeld, sei der FC Basel unter Heiko Vogel sogar noch stärker geworden, und der Trainerroutinier Hitzfeld sagt fürs Rückspiel voraus: «Die Basler werden sicherlich nichts an ihrem Stil verändern. Diese Mannschaft wird nicht mauern, sondern ihr Heil nach vorne suchen – und das macht sie so gefährlich.»
Blendende Laune und ein Kritiker
Das würde Heiko Vogel wahrscheinlich unterschreiben. 14 Stunden nach dem Spielschluss gab er zusammen mit Valentin Stocker und Yann Sommer vor den Medien schon wieder Auskunft über die Seelenlage. Und die ist – nach kurzer und bei allen drei schlafarmer Nacht – gelinde ausgedrückt blendend. Vor dem Fernseher suchten die emotional aufgeputschten Stocker und Sommer die Müdigkeit, während im Bett liegend vor Vogels Augen nochmals der Spielfilm ablief und er mehrmals aufstand, um sich Notizen zu machen.
Denn: Der Basler Trainer hatte bei allem Stolz über die Leistung seiner Mannschaft auch im Moment dieses grossen Triumphs doch einiges zu monieren. In der Halbzeitpause sei er lauter geworden als er eigentlich wollte, weil es ihm nicht gefallen hatte, wie hastig seine Mannschaft agierte, wie schnell sie den Ball zum Teil verlor: «Und Ballbesitz für den Gegner bedeutet Stress.»
Vielleicht drückt diese Selbstreflexion mit am besten, auf was dieser 1:0-Sieg fusst: «Wir glauben nicht nur an den Erfolg», sagt Vogel, «sondern arbeiten jeden Tag knallhart daran. Und dieser Erfolg ist eine Bestätigung dieses Arbeit.»
Stocker und das gallische Dorf
Als Valentin Stocker am Tag danach wieder zum leichten Training erschien, war seine Trophäe – das Trikot von Arjen Robben – schon frisch gewaschen von Zeugwart Roger Eglin. Nach einem schwierigen Jahr mit der Kreuzbandverletzung an Ostern 2011 ist es Stocker anzumerken, wie glücklich er ist, wieder Teil der aktiven Mannschaft zu sein. Und beim Husarenritt durch die Champions League kommt er sich vor «wie in einem kleinen gallischen Dorf».
Yann Sommer, mit zwei verbunden Fingern als Andenken an das harte Einsteigen von Thomas Müller, räumte ein, dass es ein sehr spezieller Match für ihn war, einen Goalie, der in der Meisterschaft oft unterbeschäftigt ist, um dann in der 85. Minute in einer einzigen Situation parat sein zu müssen. Gegen die Bayern konnte er sich nicht beschweren, und es gelang ihm eine Leistung, die nicht nur Ottmar Hitzfeld als «Weltklasse» einstufte. «Wenn der erste Ball gut ist, dann ist man im Spiel, dann fühlt man sich stark, und nach dem zweiten und dritten Ball, den man hält, bekommt man das Gefühl: Heute geht keiner rein.»
So war es nach den spektakulären Reaktionen gegen Franck Ribéry zu Beginn des Spiels: «Solche Tage gibt es, jede Entscheidung von mir war richtig», sagte Sommer ohne falsche Bescheidenheit und gibt dem historischen Sieg eine übergeordnete Bedeutung: «Schön, dass Europa mitbekommen hat, dass in der Schweiz guter Fussball gespielt wird.» Ähnlich spricht Hitzfeld über den «überwältigenden Erfolg» am Mittwoch: «Es ist fantastisch was der FC Basel für sein Image und das des Schweizer Fussballs geleistet hat.»
Und dann gibt es noch: ein Rückspiel
Weil vorne Valentin Stocker dank der starken Vorarbeit von Jacques Zoua zum Matchwinner wurde und hinten die Null steht, schnuppern die Basler nun zur Halbzeit des Duells mit den Bayern an den Viertelfinals. Davor steht noch ein Rückspiel, was, wie Vogel anmerkt, in der Euphorie «fast ein bisschen untergangen ist». Mit Prognosen hält sich der FCB-Trainer zurück, sagt aber selbstbewusst: «Die Bayern sind immer noch der Favorit, aber sie haben einen grossen Konkurrenten bekommen – und das sind wir.»
Heiko Vogel weiss, dass am 13. März ein Basler Tor in der Allianz Arena die Aufgabe für die Bayern ungleich schwerer machen würde. Er rechnet, mit dem «Urvertrauen in die Qualität» seiner Mannschaft vor, dass der FCB in jedem Champions-League-Auswärtsspiel dieser Saison mindestens einmal getroffen hat: «Warum sollen wir also nicht auch in München ein Tor machen – oder zwei.» In der momentanen Verfassung der Bayern mag sich das Ottmar Hitzfeld gar nicht vorstellen. «Das wäre ein Riesenvorteil für den FC Basel.»