Gladbach, das verstörende Krisengefühl und ein zorniger Max Eberl

Die Situation, in der Borussia Mönchengladbach steckt, ähnelt in manchen Zügen der rund um den FC Basel. Nach dem 1:1 gegen Pep Guardiolas Manchester City entlud sich nun heftiger Zorn des Gladbacher Managers Max Eberl auf Teile des Publikums. Er kann mit der Erwartungshaltung schwer umgehen und empfindet die Reaktionen von Aussen sogar als «manchmal demütigend».

19.11.2016, Fussball GER, 1. Bundesliga Saison 2016 2017, 11. Spieltag, Borussia Moenchengladbach - 1. FC Koeln 1:2, Manager Max Eberl (Borussia Moenchengladbach), hinten Trainer Andre Schubert (Borussia Moenchengladbach) 19 11 2016 Football ger 1 Bundesliga Season 2016 2017 11 Matchday Borussia Moenchengladbach 1 FC Cologne 1 2 Manager Max Eberl Borussia Moenchengladbach rear team manager AndrÈ Schubert Borussia Moenchengladbach

(Bild: Imago)

Die Situation, in der Borussia Mönchengladbach steckt, ähnelt in manchen Zügen der rund um den FC Basel. Nach dem 1:1 gegen Pep Guardiolas Manchester City entlud sich nun heftiger Zorn des Gladbacher Managers Max Eberl auf Teile des Publikums. Er kann mit der Erwartungshaltung schwer umgehen und empfindet die Reaktionen von Aussen sogar als «manchmal demütigend».

Normalerweise empfinden die Protagonisten in einem Fussballclub ganz ähnlich wie ihre Fans. Nach Niederlagen wird einvernehmlich getrauert, man feiert gemeinsam Erfolge und oft stehen Anhänger und Verein sogar zusammen, wenn kritische Medien Trainer- oder Managerentlassungen fordern. Deshalb waren die emotionalen Regungen rund um das 1:1 (1:1) von Broussia Mönchengladbach gegen Manchester City am Mittwochabend ein ziemlich seltenes Phänomen.

«Wir sind sehr glücklich, wir überwintern international, das war unser grosses Ziel», sagte Torhüter Yann Sommer. Trainer André Schubert hatte beim Abpfiff erfreut die Fäuste geballt, «wir sind sehr zufrieden», erklärte auch er, und einige Zuschauer freuten sich mit. Andere machten sich hingegen mit einem Zustand des inneren Grolls auf den Heimweg.

Nachdem die Borussia zwar für die Europa League qualifiziert ist, aber keine Chance mehr auf die Achtelfinalteilnahme in der Champions League hat, und überdies auch im dritten Gruppenspiel vor eigenem Publikum zunächst geführt, aber nicht gewonnen hatte, gab es deutliche Unmutsbekundungen. Das weckte einen tiefen Zorn in Max Eberl.



Football Soccer - Borussia Mönchengladbach v Manchester City - UEFA Champions League Group Stage - Group C - Stadion im Borussia-Park, Mönchengladbach, Germany - 23/11/16 Manchester City's David Silva scores their first goal as Borussia Monchengladbach's Andreas Christensen and Yann Sommer (C) look on Reuters / Wolfgang Rattay Livepic EDITORIAL USE ONLY.

Der Ausgleich in Mönchengladbach: Yann Sommer hat das Nachsehen bei David Silvas Tor zum 1:1 für Manchester City. (Bild: Reuters/Wolfgang Rattay)

«Das sind dumme Menschen», schimpfte der Sportdirektor über jenen Teil des Publikums, der wütend pfiff, weil Schubert beim Stand von 1:1 den defensiveren Yannick Vestergaard für den gelb-rot gefährdeten Mo Dahound in die Partie geschickt hatte. Das Team spielte nach einem Platzverweis für Lars Stindl in Unterzahl, also wollte der Trainer die Defensive stärken.

Die Publikumsbeschimpfung des Managers

Einige Leute auf den Rängen verlangten hingegen nach mehr Risiko, um die vage Chance auf einen Verbleib in der Königsklasse zu wahren. «Ich weiss nicht, was die Leute denken. Dass wir mit zehn Mann noch Man City attackieren sollen?», fragte Eberl um Fassung ringend. Aber natürlich weiss auch der Sportdirektor, dass hinter der Publikumskritik eine viel tiefere Verstimmung steckt.

Ein Gift das seit Wochen durch den Organismus des Clubs mäandert und durch den mässigen Erfolg in der Bundesliga immer fataler wirkt. «Man steht in der Europa League und ich habe das Gefühl, alle gehen nach Hause und es ist Business as usual. Damit kann ich schlecht umgehen», erklärte er und empfahl Zuschauern, «die hier herkommen und erwarten, dass Mönchengladbach Manchester City aus dem Stadion fegt», doch bitte «nach München zu fahren».

Die Details zu den Champions-League-Gruppen.

Die Details zu den Champions-League-Gruppen.

Die Fieberkurve der Gladbacher in der Bundesliga

Die Fieberkurve der Gladbacher in der Bundesliga (Bild: Screenshot transfermarkt.de)

Offenkundig hat der Sportdirektor das Gefühl, bei einem Teil des Publikums sei die Fähigkeit zur Freude an kleineren Erfolgen abhanden gekommen. Also ging seine Tirade weiter: «Da guckt keiner Fussball, da wollen welche nur Frust abladen. Scheinbar entstehen um uns herum Dinge, die ich auch irgendwann nicht mehr aufhalten kann. Und wenn das soweit ist, dann muss ich nach Hause gehen.» Das klang wie eine Drohung, war aber eher Ausdruck einer erschreckenden Hilflosigkeit. 

Dem Trainer schlägt Skepsis entgegen

Seit Jahren spricht Eberl davon, dass es nicht ewig bergauf gehen könne mit der Borussia, die 2008 noch in der zweiten Liga spielte und 2011 beinahe erneut abgestiegen wäre. Vor dieser Saison hat er einen einstelligen Tabellenplatz zum Saisonziel erklärt, das fanden viele Beobachter merkwürdig. Schliesslich könne der Club angesichts der enormen Summen, die nach lukrativen Transfers und zwei Jahren an den Fleischtöpfen der Champions League zur Verfügung stehen, teure Spieler kaufen.

Dieser Logik will Eberl nicht folgen. «Das ist ein Irrglaube, der schon vielen Traditionsvereinen auf die Füsse gefallen ist. Man kann unzufrieden sein mit der Leistung, aber sofort das grosse Ganze infrage zu stellen, das halte ich für gefährlich», verkündete er. Wobei in diesen Worten ein Fehler lag. Niemand stellt das grosse Ganze infrage, es ist der Trainer, dem die Skepsis der Leute entgegen schlägt. Und tatsächlich ist schwer zu sagen, woran genau das liegt.



Manchester City's manager Pep Guardiola, centre, left, greets Moenchengladbach's head coach Andre Schubert after the Champions League Group C soccer match between Borussia Moenchengladbach and Manchester City in Moenchengladbach, Germany, Wednesday, Nov. 23, 2016. (AP Photo/Martin Meissner)

Da nützt auch eine freundliche Umarmung des grossen Pep Guardiola nicht: Gladbachs Trainer André Schubert ist das Ziel der Kritiker. (Bild: Keystone/MARTIN MEISSNER)

Natürlich gibt es im Fussball den mechanischen Reflex, in komplizierten Phasen das schwächste Glied zum Hauptschuldigen zu erklären. Aber als Lucien Favre die Vorsaison mit fünf Niederlagen begann, forderte niemand eine Entlassung des Schweizers. Eine Dynamik der medialen Demontage, wie sie vielen Trainerentlassungen vorausgeht, zeigt sich in Mönchengladbach bisher auch nicht. Klar, Schuberts Arbeit wird nach schwachen Spielen auf Fehler abgeklopft, aber in einem weitgehend fairen und ausgewogenen Ton.

Eberl empfindet die Reaktionen als «manchmal demütigend»

Doch unter vielen Anhängern scheint der Trainer trotz des brillanten Vorjahrs keinen Kredit zu haben. Die Skepsis gegenüber Schubert kommt aus den Tiefen des Clubs, und Eberl fühlt sich machtlos gegenüber längst widerlegten Thesen wie «Viel Geld bedeutet Misserfolg» oder: «Bei Misserfolg muss der Trainer weg.»

Eberl predigt seit Jahren einen anderen Weg, und dass ein Teil des Publikum trotzdem anderen Impulsen folgt sei «manchmal demütigend», sagte Eberl noch. Dann verschwand er in der Nacht, und die Zuhörer staunten, wie nah die Freude über einen schönen sportlichen Erfolg und ein verstörendes Krisengefühl derzeit beieinander liegen in Mönchengladbach.

Nächster Artikel