Borussia Mönchengladbach hat sich unter Trainer Lucien Favre neu sortiert, und Granit Xhaka erhält die zweite Chance, den Strategen im Mittelfeld zu geben. Die erste Bewährungsprobe haben die Borussen heute zum Saisonstart der Bundesliga bei Bayern München und Pep Guardiola zu bestehen.
Lucien Favre ist derzeit bestens gelaunt, was deshalb erwähnenswert ist, weil der Trainer von Borussia Mönchengladbach sich in seinen zweieinhalb Jahren bei Borussia Mönchengladbach eher den Ruf eines nachdenklichen Skeptikers erworben hat.
Vor einem Jahr hätte der Schweizer angesichts eines Saisonauftaktes beim FC Bayern München wahrscheinlich ein französisch eingefärbtes «sehr schwer, sehr, sehr schwer» gehaucht, nun findet er das Gastspiel beim Triple-Gewinner heute, Freitagabend (20.30 Uhr, ARD live ) sogar «fantastisch». Statt zu warnen fordert er «Mut» und «Tempo» von seinem Team.
Borussia Mönchengladbach hat sich verändert in diesem Sommer. «Wir haben eine Mannschaft zusammen, bei der der Trainer eben ein sehr gutes Gefühl hat», erklärt Sportdirektor Max Eberl den Optimismus rund um den Borussia-Park, und dieser Zustand ist so stabil, dass selbst die DFB-Pokal-Niederlage im Elfmeterschiessen beim Drittligisten Darmstadt 98 wenig an diesem Befinden ändern konnte.
Die Reparaturarbeiten sind abgeschlossen
Schliesslich geht es Favre nicht um einzelne Spiele, sondern um Entwicklungen. Und dieser Augenblick im Prozess weckt offenbar mehr Zuversicht als die meisten vorhergehenden Phasen seit dem Amtsantritt des Trainers, in denen Abstiegssorgen, Wechselgerüchte oder der Verlust von wichtigen Spielern wie Dante, Marco Reus und Roman Neustädter die Stimmung eintrübten.
In diesem Sommer ging kein wichtiger Spieler verloren, und Favre durfte Raffael, seinen alten Lieblingsspieler, den er einst in Chiasso entdecke, zum FC Zürich und später auch zu Hertha BSC Berlin holte, in seinen Gladbacher Team integrieren. Und mit dem Nationalmannschaftsdebütanten Max Kruse aus Freiburg kam ein weiterer Wunschsspieler, so dass der Trainer «sehr zufrieden» mit den Sommertransfers ist.
Statt wie vor einem Jahr eine Mannschaft reparieren zu müssen, der ihre zentrale Achse herausgerissen worden war, wurde ein vorhandenes Gebilde gezielt verstärkt, und das ist auch der Grund, warum viele Experten die Borussia zum engeren Kandidatenkreis für einen Platz im oberen Tabellendrittel zählen.
Die Vielfalt im Offensivspiel
«Wir haben immer gesagt, dass wir zwei Transferperioden brauchen würden um den Verlust von Reus, Neustädter und Dante zu kompensieren», sagt Eberl, und tatsächlich ist es gut möglich, dass sich das Team erst mit den Neuzugängen dieses Sommers von einem Puzzle, das sich irgendwie nicht richtig zusammenfügen liess, in eine homogene Fussballmannschaft mit klar erkennbarer Spielidee verwandelt.
Fussballerisch geht dabei es vor allem um eine Beschleunigung des Angriffsspiels, das im Vorjahr oft umständlich und technisch unzureichend wirkte. Raffael und Kruse sind mit ihrer präzisen Spielweise und ihrer gedanklichen Schnelligkeit zumindest theoretisch in der Lage, das Spiel wieder mit der Geschwindigkeit der Ära Reus/Neustädter zu veredeln.
Und weil mit Kruse, Raffael, Luuk de Jong, Amin Younes, Juan Arango, Patrick Herrmann, Branimir Hrgota, Peniel Mlapa oder Lukas Rupp unterschiedlichste Angriffsstile möglich sind, sagt Favre: «Wir haben jetzt eine unglaubliche Vielfalt in der Offensive, mit unterschiedlichen Stärken und Möglichkeiten.»
Der zweite Anlauf für Granit Xhaka
Die Sache mit dem Tempo sei allerdings nicht nur eine Frage der Offensive, meint der Trainer, auch weiter hinten müsse flink gedacht und schnell agiert werden. Es ist eine Forderung die sich insbesondere an Granit Xhaka richtet. Der Stratege scheint sich nach einem sehr durchwachsenen ersten Jahr zu etablieren.
Schon am Ende der Vorsaison stand er sechs Spiele in Folge in der Startelf, in der Vorbereitung war er gesetzt, aber er erlaubte sich auch einige dieser fatalen Fehler, weshalb der sehr zuverlässige, dafür aber wenig inspirierte Thorben Marx lange Zeit den Vorzug erhalten hatte.
Nach einer dieser Nachlässigkeiten beim 1:5 im Test gegen den FC Bayern vor drei Wochen nahm Favre Xhaka bereits nach 30 Minuten aus dem Spiel, der richtige Umgang mit dem ehemaligen Basler ist weiterhin eine grosse pädagogische Herausforderung für das Gladbacher Trainerteam. Denn der 20-Jährige spielt mit der Attitüde eines Anführers, kann diesen Anspruch aber längst nicht immer mit adäquaten Leistungen untermauern, auch wenn Fortschritte erkennbar sind.
München – ein gutes Pflaster für die Borussia
Insgesamt habe Xhaka allerdings «positiv gelernt»» sagt Eberl, jetzt müsse eben «der nächste Schritt kommen», und wenn das gelingt, dann hat Favre vielleicht wirklich jenes ausbalancierte Team beisammen, mit dem er im oberen Tabellendrittel mitspielen kann.
Aber das ändert natürlich nichts daran, dass München wahrscheinlich eine Nummer zu gross ist. Wobei die Borussia hier zuletzt einmal gewonnen und einmal Unentschieden gespielt hat, während alle anderen Bundesligisten seit dem letzten Gastspiel der Gladbacher in München im vergangenen Dezember die Arena als Verlierer verliessen.
Offenbar hat Favre, der ein grosser Bewunderer des neuen Münchner Trainers Pep Guardiola ist, ein gutes Händchen für die richtige Strategie gegen diesen Gegner.