Gregori Ott ortet neue Perspektiven

Der Liestaler Kugelstosser Gregori Ott hat sich mit seinem 18,40-Meter-Stoss überzeugend zurückgemeldet als Athlet mit internationalen Ambitionen. Und das nach einem Jahr der unangenehmen Erfahrungen.

«Zweitbeste Leistung all time – nur 24 Zentimeter unter meinem eigenen Schweizerrekord. Ich bin überglücklich» – Gregori Ott in Magglingen über sein gelungenes Comeback.

(Bild: gregoriott.ch)

Der Liestaler Kugelstosser Gregori Ott hat sich mit seinem 18,40-Meter-Stoss überzeugend zurückgemeldet als Athlet mit internationalen Ambitionen. Und das nach einem Jahr der unangenehmen Erfahrungen.

Was doch alles geschehen kann in einem Jahr. Am 1. Februar 2015 stiess Gregori Ott die 7,25 Kilogramm schwere Kugel 18,64 Meter weit. Das bedeutete: Schweizer Rekord in der Kategorie U23, eine Verbesserung der Marke des späteren Mehrfach-Weltmeisters Werner Günthör um 63 Zentimeter – und gleichbedeutend mit der Limite für den ersten internationalen Grossanlass, die Hallen-Europameisterschaften.

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Doch die Freude darüber, der Motivationsschub wurden abrupt gebremst. Ott fing sich ein Grippevirus ein, und die Gesundung zog sich hin. Am Tag des geplanten Abfluges zur EM nach Prag musste er den Verzicht akzeptieren. Anfang März war dies.

Und es kam noch ärger. Mit der Erholung ging es nicht vorwärts – wochenlang. Der Hoffnungsträger der Old Boys Basel verlor Kilos, Kraft und an Substanz. Als er sich Ende Mai beim Saisoneinstand den Tatsachen stellte, zeigte sich ihm eine Realität, die ihn zum Handeln zwang: 15,93 Meter, eine Weite, die sämtliche Hoffnungen raubte.

«Eine Weite, die ich normalerweise aus dem Stand erreiche», sagt er, «ich verstand die Welt nicht mehr.» Sinnvoll schien einzig ein Radikalschritt. Ott brach die Saison ab, bevor sie richtig begonnen hatte.

Im roten Bereich gedreht

Nicht nur er stand vor einem Rätsel, auch die Ärzte. Sie tappten lange im Dunkeln, bis sie die Erklärung liefern konnten: Das vegetative Nervensystem rebellierte. Ott sagt rückblickend: «Ich habe beim Wiederaufbau nach der Grippe stetig im roten Bereich trainiert, dies aber nicht gespürt.»

Shot Put Boom!

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Posted by Gregori Ott Kugelstossen on Dienstag, 19. Januar 2016

Überlastungssymptome zeigten sich, der Hormonhaushalt spielte verrückt. Ott war übertrainiert. Als «eine katastrophale, grauenhafte Zeit» bezeichnet er diese Erfahrung heute. Völlig neu orientieren, definieren musste er sich danach.

Aus den zwölf Trainingseinheiten pro Woche machte er zwei. Die Muskeln schwanden und damit die Kilos, die Kraft. Dazu stellten sich die Angst und die Zweifel ein. Gespräche mit der langjährigen Trainerin Ursula Jehle, dem deutschen Co-Coach Rolf Oesterreich, Cross-Clinic-Arzt Andreas Gösele, Caius Schmid von der CorpoSana Physiotherapie und Osteopahtie oder Ernährungsberater Roman Gruber halfen ihm.

Ott benötigte Geduld, und er zwang sich, diese aufzubringen. «Ich liess mir viel Zeit», sagt er. Sein Körpergewicht war von den 113 Kilog beim Rekordstoss im Winter auf unter 100 Kilo gesunken. Doch Ott und sein Umfeld begannen die Zeit anderweitig zu nutzen: «Ich widmete mich Defiziten, die im Trainingsalltag zu kurz kommen, dem Schulterbereich, dem Rumpf, der Koordination. Und ich bereitete die Gelenke darauf vor, dass sie wieder enorm gefordert werden.»

Der Start in die neue Saison als Muntermacher

Und es zeigte sich eine Aufwärtsentwicklung. «Fortschritte stellten sich rasch ein, der Körper erinnerte sich an seinen Zustand vor dem Rückschlag», erzählt Ott. Im September konnte er wieder wie gewohnt voll belasten. «Es war wie ein Neustart, und das fühlte sich gut an», sagt er.

Die Zwischenziele liessen sich realisieren. In den letzen Wochen des alten Jahres war das Level vom Vorjahr wieder erreicht. Mehr noch. Bei der Maximalkraft zeigten sich neue Möglichkeiten. «Schaffte ich beim Bankdrücken vor einem Jahr 150 Kilogramm mit Mühe, bring ich jetzt 170 hin, schaffe ich Fünferserien mit 160 Kilo», sagt Ott.



Gregori Ott (SUI); 10. psd Bank Meeting am 29.01.2015 in der Leichtathletik-Halle im Arena-Sportpark Duesseldorf (Deutschland). Foto: Axel Kohring / Beautiful Sports 10. psd Bank Meeting; Duesseldorf, 29.01.2015 xakx Gregori Ott SUI 10 PSD Bank Meeting at 29 01 2015 in the Athletics Hall in Arena Sports Park Duesseldorf Germany Photo Axel Kohring Beautiful Sports 10 PSD Bank Meeting Duesseldorf 29 01 2015

Gregori Ott vor einem Jahr bei einem Meeting in Düsseldorf. Danach folgte sein Rekordwurf und anschliessend eine schwere Zeit. (Bild: Imago/Axel Kohring)

Das sind für ihn höchst erfreuliche Werte, die motivieren. Wohl fühlt er sich in der Spitzensportler-RS in Magglingen: «Ich kann ein Profileben führen, es könnte besser nicht sein.»

Und das neue Selbstvertrauen spricht auch nach dem vergangenen Sonntag aus ihn, als er beim Hallenmeeting von Biel-Bienne-Athletics in Magglingen die 18,40 Meter stiess und zum Saisonstart eine Serie von 16,50 m, 18,40 m, 0, 18,05, 18,08 und 18,39 m hinlegte. «Es hätte besser nicht laufen können», sagt er.

Der Olympia-Traum lebt weiter

Bestätigt sieht sich Gregori Ott deshalb nicht nur bezüglich der weiteren Hallen-Wettkämpfe, sondern besonders auf den Sommer hin. «Mein Hauptziel sind die Europameisterschaften in Amsterdam im Juli», sagt er. Eine Weite von 19,75 m sind dazu gefordert. Eine zusätzliche Weite trägt er im Hinterkopf: 20,50 m, die Limite für die Olympischen Spiele.

«Dies als Ziel zu formulieren wäre vermessen», sagt Ott, «aber ein Hirngespinst ists auch nicht, und träumen ist ja erlaubt.» Ein «einziger Stoss, bei dem alles passt, würde reichen» – so heisst der Traum.

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Auf der Crowdfunding-Plattform «I believe in you» wirbt Gregori Ott für Unterstützung auf dem Weg zu seinen nächsten Zielen: die EM in Amsterdam und die Olympischen Sommerspiele von Rio de Janeiro:

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