Eiger, Mönch und Jungfrau bildeten die Kulisse für die Finisher des 1. Swissman Xtreme Triathlons von Ascona auf die Kleine Scheidegg. Die hohen Anforderungen an die Athleten entluden sich Gefühlsausbrüchen.
Der Sieger bei den Männern, der mit einem Eisbeutel auf dem Fuss auf einer spontan herangeschafften Sitzbank liegt und etwas verloren in den blauen Berghimmel starrt. Die Frauensiegerin, die ungläubig den Kopf schüttel: «Nie im Leben hätte ich von einem solchen Erfolg geträumt.»
Finisher, die Hand in Hand mit ihren Betreuern einlaufen. Oder zwei ausdauersporterprobte Freunde, deren Kontakt durch die örtliche Distanz von Süddeutschland und dem aargauischen Gränichen leidet, die nun aber den Swissman gemeinsam bestritten haben, voller Emotionen ankommen, strahlen und weinen in einem und festhalten: «Etwas Genialeres, Eindrücklicheres haben wir noch nicht erlebt.»
5500 Höhenmeter in der Hitze
Gezeichnete, aber lachende Gesichter erreichen über Stunden das Ziel des Swissman auf der Kleinen Scheidegg in 2100 Metern Höhe. Und es präsentieren sich prägende Momentaufnahmen nach 3,8 km Schwimmen, 180 km Velo und 42,2 km Laufen, garniert mit 5500 Höhenmetern. Es ist der erste Augenblick der Entspannung, der Erlösung, der grossen Genugtuung.
Zu Ende gegangen ist eine Tagesreise der besonderen Art. Begonnen hatte diese frühmorgens um 5 Uhr mit einer von der Brissago-Insel abgefeuerten Rakete, die in den noch nicht richtig hellen Morgenhimmel über dem Lago Maggiore stieg und ein kurzes Sternefunkeln auslöste.
Los ging’s crawlend zum Lido von Ascona, mit dem Velo durch die Magadino-Ebene, Leventina, Tremola über die Pässe Gotthard, Furka und Grimsel nach Brienz, wo der Wechsel in die Laufschuhe anstand, und die Hitze den Marathon hinauf auf die Kleine Scheidegg zu einer finalen Herausforderung werden liess. «Eine harte, aber wunderschöne Prüfung war das», bilanzierten mehr oder weniger alle, die sie zwischen knapp 12 und gut 20 Wettkampfstunden meisterten – mit bewegten Worten, aussagekräftige Gesten.
Sieg trotz Bänderriss
Höchste Gefühle waren bei jeder und jedem der 239 Finishern und 25 Finisherinnen auszumachen. Etwas genauer beleuchtet sei hier das Siegerduo, das zur Möglichkeit kam, den Siegerböller zu zünden. Dieses Privileg bildete quasi den Ersatz für eine Siegprämie.
Der Deutsche Andreas Wolpert zählte mit seinem Leistungsausweis ebenso zum engsten Favoritenkreis wie Barbara Bracher. Trotzdem schwang bei beiden die Überraschung mit. «Es war grossartig und wurde nicht einmal eng», sagte der 35-Jährige. Er spielte auf einen Misstritt nach zwei Laufkilometern an. Wolpert stürzte, schlug sich das Knie auf. Vor allem aber verdrehte er sich den Fuss.
Mit «richtigen Schmerzen» musste er sich ab diesem Zeitpunkt auseinandersetzen. Nach 11:49-Stunden war er dennoch im Ziel, 21 Minuten und mehr vor seinen nächsten Verfolgern. Doch statt richtig zu feiern, hatte er sich mit der wenig verheissungsvoll klingenden Diagnose des Rennarztes auseinanderzusetzen: «Band entweder angerissen der gerissen, am Montag auf alle Fälle weiter abklären lassen.»
Endlich ein Bier
Faktoren, welche das Rennen «besondere hart» machten, beschrieb auch Frauensiegerin Barbara Bracher, 34, aus Thun: «Die Distanz, der Gegenwind, leere Beine.» Dagegen hielt sie mit mentaler Stärke: «Ich wusste, irgendwie geht es immer weiter.» Und so war’s. Zum eigenen Erstaunen lief es ihr auf der abschliessenden, höchst anspruchsvollen Laufstrecke «am ringsten».
Und damit siegte sie erstmals überhaupt – nach diversen Podestplätzen beim Gigathlon, dem Ironman Switzerland oder beim Inferno Triathlon. «Hammer», freute sie sich und meinte damit einfach alles, von der Ambiance bis zum nackten Resultat. 13:20 Stunden war Barbara Bracher unterwegs gewesen.
Und keine zwei Stunden später waren auch Ingo Bliska und Markus Roth im Ziel. Die beiden langjährigen Ausdauersport-Kollegen, die jährlich gemeinsam ein Ausdauerevent besuchen, stellten nach den vielen gemeinsamen Swissman-Stunden voller Emotionen fest: «Das war der Höhepunkt, definitiv das Verrückteste». Und, wie Bliska betonte: «Wir reüssierten – und das ohne richtiges Loch.» Da war es nur selbstverständlich, dass «nach einem Tag mit Malto-Extrakt, Cola und Gels, das Bier endlich nicht mehr warten muss».
Premiere mit Perspektiven
Beim Swissman handelte es sich um eine Premiere. Nach einer «Premium Edition» vor einem Jahr mit 50 auserwählten Testathleten erfolgte nun die eigentliche Erstaustragung. 250 Teilnehmer wurden durchs Los bestimmt, 220 Männer und 30 Frauen, hälftig aus der Schweiz und weiteren 29 Nationen. Als «Langdistanz Triathlon und einzigartige Erlebnisreise durch die Schweiz», wurde der Anlass angepriesen. Das Echo in der Szene war beachtlich. Darin zeigte sich, dass die Beschränkung aufs Wesentliche – Selbstverantwortung unterwegs, kein kommerzieller Hintergrund, das Erlebnis rückt ins Zentrum – bezahlt macht. Hochleistungssport in einfachem, aber eindrücklichen Rahmen.