Hasta la victoria siempre, Teofilo

Er war der grösste Schwergewichtsboxer aller Zeiten – bei den Amateuren: der Kubaner Teofilo Stevenson. Am 11. Juni ist er 60-jährig in seiner Heimat gestorben. Ein Nachruf.

In this Aug. 2, 1980, photo, Cuba's Teofilo Stevenson goes to work on Soviet opponent Pyotr Zaev to win the heavyweight bout at the Moscow Olympics. Stevenson died on Monday, June 11, 2012, at the age of 60. (AP Photo) (Bild: Keystone)

Er war der grösste Schwergewichtsboxer aller Zeiten – bei den Amateuren: der Kubaner Teofilo Stevenson. Am 11. Juni ist er 60-jährig in seiner Heimat gestorben. Ein Nachruf.

Teofilo Francisco Stevenson Lawrence. Letzen Sommer wollte ich ihm auf meiner Kubareise in Havanna einen Besuch abstatten. Über einen belgischen Vermittler konnte ich ein Treffen vereinbaren. Es kam nicht dazu. Im entscheidenden Moment war ein anderer Termin dazwischen gekommen. Sehr schade, war er für mich doch ein lebendes Boxidol. Mit 1,98 Metern Körperlänge und knapp mehr als 100 Kilogramm besass er die gleichen Masse wie mein Schwergewichtsprofi Arnold «the Cobra» Gjergjaj.

Natürlich sind boxerisch hier keine Vergleiche angebracht. Fast uneinholbar sind uns die Kubaner sportlich voraus. Um dem auf den Grund zu kommen, war ich im letzten Jahr mehrere Wochen in Kuba und besuchte unter anderem auch das Boxcamp von Olympiasieger Mario Kindelan in Holguin, wo Jugendliche täglich im Einsatz sind. Den Kubanern ist das Boxen heilig und sie schützen ihren Nationalsport (hinter Baseball) wie ein Staatsgeheimnis.

Keine Infrastruktur und trotzdem riesige Erfolge

Der Besuch der Trainingsorte ist verboten. Nicht, weil sie was zu verbergen haben. Nein, weil die Umstände, in denen heute geboxt wird, nicht gerne gezeigt werden. Sie würden kein gutes Licht auf Kuba werfen. Zuwenig Boxhandschuhe, Böden mit Löchern, keine Boxringe, keine brauchbare Ausrüstung (die guten Handschuhe und Boxstiefel dürfen nur am Kampftag genutzt werden), Material, das aus Geldmangel seit Jahrzehnten nicht ersetzt wurde.

Und trotzdem hat Kuba eine Erfolgsbilanz wie kein anderes Land. Bereits als Zwölfjährige ziehen die potentiellen kommenden Box-Champions in das Camp ein, wo sie dann acht Monate im Jahr täglich mit fünf Trainern, Physiotherapeuten und einem Arzt trainieren und an Wettkämpfen teilnehmen. Jogging um sechs Uhr in der Früh, um zehn Uhr Techniktraining, Mittagspause und um 16 Uhr Sparring. Dazwischen Erholung und Schulunterricht. Alles bei Temperaturen um die 35 Grad. Nur wenige Schaffen den Durchbruch.

Der Gott aus Bronze

Einer davon war Teofilo Stevenson, der einst von Radio Kuba als «der Gott aus Bronze» bezeichnet wurde. Nicht nur der Statur wegen oder seines guten Aussehens, die Ergebnisse waren es, die ihn einmalig machten. Der gelernte Auto-Elektriker hat alles gewonnen was es zu gewinnen gab.

Mit Drei Olympiasiegen gehörte er gemeinsam mit seinem Nachfolger Felix Savon und dem Ungaren Laszlo Papp zu den erfolgreichsten Boxolympioniken. Gold 1972, 1976 und 1980. Das vierte Mal blieb ihm verwehrt. In Los Angeles 1984 durfte er wegen des Boykotts durch die sozialistischen Staaten nicht Teilnehmen. Den damaligen Olympiasieger Tyrell Biggs (USA) hatte Stevenson schon im Februar desselben Jahres klar besiegt.

Hinzu kamen drei WM-Titel(1974, 1978, 1986); insgesamt 321 Siege bei 22 Niederlagen. Entdeckt worden war Stevenson von einem Deutschen: Kurt Rosentritt. Der war von Castro nach Kuba geholt worden und leistete auf der Karibik-Insel von 1964 bis 1968 boxerische Entwicklungshilfe. Rosentritt gab seine Entdeckung in die Obhut des kubanischen Meistertrainers Alcides Sagarra, der Stevenson dann zum fast unschlagbaren Boxer formte.

Fünf Millionen Dollar abgelehnt – mehr oder weniger freiwillig

Berühmt wurde er auch dadurch, dass er sich dem Preisboxen verweigerte. 1974 schlug er einen Deal über fünf Millionen Dollar ab (durchschnittliches Monatseinkommen in Kuba: 30 Franken) für einen Kampf gegen Muhammad Ali. Sein berühmter Ausspruch damals: «Was ist eine Million Dollar gegen acht Millionen Kubaner, die mich lieben?» Später behauptete er allerdings, dass er von den Funktionären des Amateurverbandes keine Genehmigung erhalten habe.

Ali und Stevenson wurden später Freunde. Sie trafen sich, als der Amerikaner nach Kuba reiste und Castro besuchte. Und auch Stevenson flog zum Klassenfeind in die USA – kehrte aber immer wieder auf seine Insel zurück. Der Boxer wollte nicht ins Exil und blieb im Lande Fidel Castros, der ihm ein Haus schenkte. Zum Olympiasieg gab es dann auch noch eine Sowjet-Limousine. Fahren konnte er diese in den letzten Jahren jedoch nicht mehr, weil das Benzin zu teuer war.

Nach seiner Sportlerkarriere war Stevenson Nationaltrainer, im Anschluss Vizepräsident des kubanischen Verbandes und wurde bei jeder sich bietenden Gelegenheit als Sportheld präsentiert. Er verstarb am 11. Juni im Alter von 60 Jahren in Havanna nach einem Herzinfarkt. Bereits Ende Januar war er wegen Blutgerinnseln in der Herzgegend behandelt worden. Mit ihm verliert die Boxwelt den Grössten Amateurboxer aller Zeiten. Seine Schnelligkeit, seine Schlagkraft und seine Beweglichkeit sind bis heute von keinem anderen Schwergewichtsboxer übertroffen worden. Hasta la victoria siempre, Teofilo.

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