Heiko Vogel: «Ich liege nicht auf der faulen Haut»

Am 15. Oktober vor einem Jahr liess der FC Basel – der Ausdruck sei in diesem Fall erlaubt – eine Bombe platzen, als er sich von seinem Trainer Heiko Vogel trennte. Seither ist es ruhig geblieben um ihn, weshalb man sich fragt: Was macht eigentlich Heiko Vogel?

Basels Trainer Heiko Vogel bedankt sich bei den Fans nach dem Fussball Meisterschaftsspiel der Super League zwischen dem BSC Young Boys und dem FC Basel 1893 am Sonntag, 23. September 2012, im Stade de Suisse Wankdorf in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunzer) (Bild: Keystone/Petet Klaunzer)

Am 15. Oktober vor einem Jahr liess der FC Basel – der Ausdruck sei in diesem Fall erlaubt – eine Bombe platzen, als er sich von seinem Trainer Heiko Vogel trennte. Seither ist es ruhig geblieben um ihn, weshalb man sich fragt: Was macht eigentlich Heiko Vogel?

Vergangene Woche wurde Heiko Vogel von deutschen Zeitungen noch als möglicher Trainer beim 1.FC  Nürnberg gehandelt. Als die TagesWoche Vogel daheim in Warngau am Telefon erreichte, winkte er ab: Das Profil des Wunschkandidaten sei offensichtlich ein anderes. Es klang eher nach einem Typ wie Christian Gross, der dann ein paar Tage als Favorit gehandelt wurde, ehe die Verhandlungen platzten.

Nachdem erst vor ein paar Wochen Thorsten Fink beim Hamburger SV der Stuhl vor die Türe gestellt wurde, darf man feststellen, dass die letzten drei Trainer des FC Basel – Gross (59-jährig), Fink (am 29. Oktober 46 Jahre) und Vogel (am 21. November 38) – allesamt ohne Job sind. Drei Trainer, die mit dem FC Basel in zwölf Jahren sieben Meisterschaften und sechs Cupsiege errungen sowie eine ganze Reihe international für Aufsehen sorgende Resultate erzielt haben.

Am 15. Oktober 2012 wurde Heiko Vogel, der Ex-Assistent von Thorsten Fink, nach einem Jahr als Cheftrainer freigestellt und durch Murat Yakin ersetzt (die wichtigsten Beiträge dazu unter «verwandte Artikel»). Yakin setzt die Erfolgsgeschichte des FCB nahtlos fort. Im Gespräch schildert Vogel ausführlich, wie er die vergangenen zwölf Monate genutzt hat.

Wenn er sich den FC Basel heute anschaut, sagt Vogel: «Ich bin stolz darauf, dass unter mir erstmals grosse Mannschaften geschlagen wurden. Das Bewusstsein, das man es kann, dass es keine Ausnahme ist, ist aus diesen Spielen entstanden. Das bilde ich mir ein, und warum soll ich mein Licht unter den Scheffel stellen?» Über die Schlussphase seiner Tätigkeit im St.-Jakob-Park meint er im Rückblick: «Vielleicht hätte ich mutiger sein sollen.»

Heiko Vogel, ein Jahr ist es her, dass Sie Ihren Job beim FC Basel verloren haben. Wie geht es Ihnen?
Es gibt mich noch! Für mich ist das kein trauriges Datum und ich betrachte es auch nicht als Jubiläum. Alles in allem war es eine schöne Zeit in Basel.

Wie haben Sie die Entlassung verarbeitet?
Ich habe väterliche Freunde, mit denen ich mich ausgetauscht habe, und meine Familie natürlich. Aber am Ende muss man das mit sich selbst ausmachen. Man muss zwei Seiten verarbeiten – die positive wie die negative. Und das Positive hat bei Weitem überwogen. Ich bin stolz darauf, dass unter mir erstmals grosse Mannschaften geschlagen wurden. Das Bewusstsein, das man es kann, dass es keine Ausnahme ist, ist aus diesen Spielen entstanden und hat bis ins Halbfinale der Europa League geführt. Das bilde ich mir ein, und warum soll ich mein Licht unter den Scheffel stellen?

«Der Verein ist immer grösser als jede einzelne Person.»

Was ist die Lehre fürs Fussballlehrerdasein?
Wenn man für 55 Spiele verantwortlich war, davon 34 gewonnen und eigentlich nur sieben verloren hat, und das gegen Benfica Lissabon und Bayern München sowie zwei Spiele, die keine Bedeutung mehr hatten, dann ist das eine Bilanz, bei der du normalerweise nicht mit dem Rauswurf rechnest. Deshalb war das für mich genauso überraschend wie für die Aussenwelt auch. Aber: Der Verein ist immer grösser als jede einzelne Person. Ich hege keinen Groll.

Dennoch: Was würden Sie anders machen?
Wir haben definitiv zu oft Unentschieden gespielt. Vielleicht hätte ich die eine oder andere Ansprache vor dem Spiel oder in der Halbzeit anders wählen sollen, vielleicht einen anderen Trainingsschwerpunkt setzen sollen. Vielleicht hätte ich mutiger sein sollen und mehr Mut einfordern müssen bei den Spielern wie beim Nullzunull gegen Zürich, wo wir aus unserer Überlegenheit zu wenig gemacht haben. Aber eigentlich würde ich viele Dinge wieder genauso machen.

Manche Dinge kann man als Trainer nicht beeinflussen.
Ich hatte eine schwierige Situation zu handhaben: Xherdan Shaqiri wurde abgegeben und ein Schlüsselspieler wie Mohamed Salah stand mir nicht zur Verfügung, weil er – leider Gottes – sehr erfolgreich Olympia gespielt hat. Dann wurden zwei Südamerikaner geholt, die eine Woche vor Punktspielstart gekommen sind. Was die Integration und das Eingespieltsein anbelangt, musste man Geduld haben, das habe ich gewusst und auch eingefordert. Aber es gibt nun mal unterschiedliche Sichtweisen. Das war beim FC Basel der Fall, und deshalb haben die Verantwortlichen entschieden, mit mir nicht mehr weiterzumachen – und ich hatte das zu akzeptieren.

Wie oft sind Sie seither vor einer Verpflichtung gestanden?
Einige Male.

Gab es auch aus der 1. Bundesliga auch Angebote?
Jein.

«Ein Schweizer Club? Man soll nie nie sagen.»

Muss es denn ein Erstligist sein?
Es muss eine spannende Aufgabe sein, und die hat weder mit der Ligazugehörigkeit zu tun noch mit dem Alter der Spieler. Das kann ein Verein in der Entwicklung sein oder ein Traditionsverein, der zurück in die Spur sucht, das kann aber auch eine Juniorenmannschaft sein.

Und ein Schweizer Club?
Man soll nie nie sagen, weil das Leben nicht dazu da ist, ausschliesslich zu denken. Ich wurde ja mit dem FC Luzern in Verbindung gebracht, aber Alex Frei hat einen kleinen Coup gelandet, als er Carlos Bernegger geholt hat. Der hat schon in Basel sehr gute Arbeit geleistet und schafft das nun auch in Luzern.

Was haben Sie in den vergangenen zwölf Monaten gemacht?
Es ist nicht so, dass ich am Tegernsee auf der faulen Haut rumliege. Ich habe sehr viel gelesen und mich mit anderen Ballspielen auseinandergesetzt, mit Handball, mit American Football, mit Basketball. Mir geht es dabei darum, die Anatomie der Taktik und des Erfolgs zu durchforsten. Um meine Gedanken über Fussball zu strukturieren, habe ich daraus ein Konzept erstellt. Das war sehr zeitintensiv mit Recherchen auf verschiedenen Ebenen, ich habe Videosequenzen geschnitten, die zu meiner Philosophie passen. Wichtig dabei ist aber, dass man nicht kopiert, sondern authentisch bleibt.

«Faszinierend, bei einem Trainer eine Handschrift zu erkennen, und wenn das keine Sauklaue ist – umso schöner.»

Wen finden Sie denn im Moment inspirierend im Fussball?
Diego Simeone bei Atletico Madrid. Dem wird für über 60 Millionen Euro Falcao verkauft und er ist erfolgreicher denn je. Erfolg hat immer eine Ursache und ist selten nur Glück.

Und Pep Guardiola, der jetzt vor Ihrer Haustür arbeitet?
Faszinierend! Der kommt zur momentan erfolgreichsten Vereinsmannschaft und er verwaltet nicht nur, sondern er bewegt Dinge ganz offensichtlich und verändert im Detail. Da kommt zum Ballbesitz jetzt noch eine aggressivere Note bei der Rückeroberung hinzu. Guardiola war in Barcelona sehr stilprägend und ist es nun auch in München. Es ist einfach faszinierend, bei einem Trainer eine Handschrift zu erkennen, und wenn das keine Sauklaue ist – umso schöner.

Da geht Ihnen als bekennendem Ballbesitzfan das Herz auf.
Klar, ich habe eine Affinität zu dieser Art Fussball. Um die Anforderungen des modernen Spiels zu erfüllen, funktioniert es über Ballbesitz ökonomischer.

Wer bekommt denn Ihr Papier zu sehen?
Derjenige, bei dem ich spüre, dass er sich ernsthaft für mich und meine Vorstellung von Fussball interessiert.

«Die Liebe zum Spiel ist ein ganz zentraler Baustein.»

Können Sie uns einen Spalt reinschauen lassen in Ihr Werk?
Im Zentrum aller Überlegungen steht immer der Ball, das ist die eine These. Im Palestra, der Kathedrale des US-amerikanischen College-Basketballs, ist ein Spruch verewigt: «To win the game is great. To play the game is greater. But to love the game is the greatest of all.» Die Liebe zum Spiel ist ein ganz zentraler Baustein. Liebst du das Spiel, wird auch der Erfolg kommen – der ja auch notwendig ist. Bei allen Rückschlägen, die man einstecken muss, die das Spiel für einen bereithält.

Das Spiel zu lieben ist das eine, davon zu leben das andere.
Es geht meiner Familie und mir sehr gut, auch finanziell. Vielen Menschen geht es wesentlich schlechter, und denen möchte ich nicht zu nahe treten. Meine Bodenhaftung habe ich nicht verloren.

Wie lange bleibt man auf dem Trainerkarussell? Trainer werden heute sehr rasch gefeuert. Geht man dementsprechend schneller vergessen?
Das Wichtigste ist ein Netzwerk. Das habe ich und das sorgt dafür, dass man nicht vergessen geht. Aber man darf nicht ungeduldig werden und irgendetwas annehmen, was gar nicht zu einem passt. Der neue Job muss so sein, dass man sich mit dem Verein und der neuen Aufgabe zu hundert Prozent identifizieren kann. Die Gefahr ist, dass man zu schnell auf ein neues Pferd aufspringt, ohne das Zurückliegende richtig verarbeitet zu haben. Bei mir gab es viel zu verarbeiten, und ich will vorbereitet sein für Neues. Deshalb die Konzeption. Ich will ja besser werden und Fehler vermeiden, die gemacht wurden. Das ist ein Prozess, der Zeit kostet. Für mich war das unvorstellbar, nach sechs Wochen einen neuen Verein und neue Fans zu bedienen und mit der gleichen Inbrunst dabei zu sein, ohne das Alte verarbeitet zu haben.

«Es herrscht ein gewisse Angst vor dem Ideenklau.»

Haben Sie unterdessen irgendwo hospitiert?
Nein, ich habe es auch nicht wirklich probiert. Im Alltagsgeschäft besteht doch eher die Gefahr, dass man dem Kollegen auf den Keks geht. Ich glaube, dass die wenigsten wirklich offen sind und kann mir vorstellen, dass da auch eine gewisse Angst vor dem Ideenklau herrscht. Ich schaue mir Trainingseinheiten an, und wenn sich dann zwischen Tür und Angel ein fruchtbares Gespräch ergibt, dann nimmt man das gerne mit.

Bei Ihnen jährt sich die Trennung von Basel zum ersten Mal, bei Thorsten Fink zum zweiten Mal. Haben Sie noch Kontakt miteinander?
Nein. Er hat es, soweit ich das aus der Ferne beurteilen kann, nicht einfach gehabt in einem sehr unruhigen Umfeld in Hamburg. Es ist schade, weil er die Ziele, die ihm vorgegeben waren, erreicht hat. Aber auch da ist der Geduldsfaden sehr schnell gerissen.

Mit knapp zwei Jahren entspricht Finks Amtszeit in Hamburg ungefähr der durchschnittlichen Halbwertszeit. Zeit hat ein Trainer im Profifussball nicht mehr. Das müsste in Ihrem Konzept eigentlich auch vorkommen.
Der Trainerjob ist immer mehr ein Tagesgeschäft. Es ist eine unglaublich kurzatmige Aneinanderreihung von Gefühlslagen: von himmelhochjauchzend und dem besten Trainer der Welt bis zum schlechtesten, der die Mannschaft nicht mehr erreicht. Kein Leben ist ein stetiges Bergauf. Man erklimmt Gipfel und durchschreitet Täler. Die Mittel- und Langfristigkeit kommt da im Fussball zu kurz. Und das ist alles den finanziellen Interessen geschuldet. Deshalb braucht es neben all deinen Überzeugungen als Trainer auch eine glückliche Konstellation.

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