Eine Mannschaft, die den Faden verliert, ein Captain, der sich durch seine Auswechslung gekränkt fühlt, und ein Trainer, der seiner Vertragsverlängerung harrt – eine Bestandsaufnahme beim FC Basel nach dem 1:1 in der Champions League bei Steaua Bukarest und vor dem Spiel am Sonntag in Zürich.
In der Enttäuschung über das Resultat herrscht einigermassen Einigkeit. Wie schon beim 0:1 daheim gegen Schalke, so kehrt der FC Basel nach dem 1:1 in Bukarest mit dem Gefühl heim, dass mehr drin gelegen wäre: sieben statt vier Punkte, die für sich betrachtet keine schlechte Halbzeitbilanz in der Champions League sind.
Warum ihnen das Spiel in der rumänischen Hauptstadt entglitten ist, warum sie gegen einen angeschlagenen Gegner in Bedrängnis kamen und den Ausgleich kassierten, darüber rätseln die Basler. «Eigentlich hat alles für uns gesprochen», sagt Marco Streller, und Fabian Frei kommt «auf keine plausible Erklärung» für die letzte halbe Stunde in der National Arena.
Ein Ansatz ist das Coaching des Trainers. Die Auswechslung von Streller, früh angeschlagen an der rechten Wade, wirft Wellen, weil der Spieler darauf besteht, keine Signale gegeben zu haben, nicht mehr weiterspielen zu können. Achselzuckend sagte er unmittelbar nach dem Spiel: «Es ist eine Entscheidung, die der Trainer trifft, und das ist so zu akzeptieren.»
Murat Yakin hatte in der Medienkonferenz erklärt, der Wechsel sei von Streller ausgegangen. Am Tag darauf klingt es wie ein Kommunikationsproblem zwischen Trainer und Captain, der gekränkt wirkt («Ich würde die Mannschaft nie im Stich lassen») und dessen Körpersprache beim Gang in die Kabine schon nichts Gutes erahnen liess.
Der Trainer ist mit sich und der Taktik im Reinen
Auf der Heimreise beendete der Trainer dann irgendwann das Thema («Das müssen wir jetzt nicht ausdiskutieren»), bezeichnete die Auswechslungen von Safari (Oberschenkelzerrung) und Serey Die (erschöpft) als «logisch» und jene Strellers mit Blick auf die Uhr: «Wenn man in der 74. Minute nicht mehr einen Stürmer rausnehmen kann, müssen wir aufhören.»
Yakin äussert einerseits Verständnis für Streller: «Er ist immer sehr emotional, vor allem, wenn wir nicht gewinnen.» Andererseits fordert er: «Man muss gegenseitig das nötige Vertrauen haben.» Der Trainer ist mit sich und seiner Marschroute im Reinen und sagt: «Wir haben die Punkte nicht in der Defensiv verloren, sondern in der Offensive.» Sprich: In der ersten Halbzeit, als der FCB genügend Chancen besass.
Die Umstellung in der Schlussphase auf eine Fünferabwehr mit den eingewechselten Taulant Xhaka und Arlind Ajeti hatte ein Motiv: «Ich wollte das 1:0 über die Zeit retten», sagt Yakin. Das ging schief, weil die Ordnung verloren ging, Steaua noch einmal Morgenluft witterte und den Ausgleich aus einem langen Ball auf den linken Basler Flügel machte. «Kay Voser muss nicht rauskommen, Ivan Ivanov kommt zu spät raus», lautet Yakins knappe Analyse. Er nennt es einen profanen Verteidigungsfehler.
Offensiver? Defensiver? Eine Frage ohne Antwort
Doch Bukarest wirft erneut ein Licht auf die grundsätzliche Ausrichtung von Yakins Fussball. Mit Streller, Stocker und Salah, dazu, je nach Sichtweise, Diaz oder Frei hatte der FCB vier Offensive auf dem Platz – «damit waren wir fast zu offensiv», rechtfertigt Yakin seine Umstellung. Ein Vorgehen, das auch schon funktioniert hat, wie in Tel Aviv beispielsweise.
Handkehrum hat die Mannschaft, ihre Chance mutig beim Schopfe packend, in Chelsea mit notabene vier Offensiven das Spiel gekehrt und gewonnen. Das zum Teil wilde Hin und Her in Bukarest hat einem wie Fabian Frei – rein fussballerisch betrachtet – sogar «Spass gemacht». Als der Faden jedoch gerissen und die Quote der erfolgreichen Pässe im Keller war, wirkte der Eingriff des Trainers kontraproduktiv.
Frei äussert im «Tagesanzeiger» dennoch Einsicht in die Strategie des Trainers: «Gegen Chelsea haben wir auf diese Weise das 2:1 verteidigt. Wir hätten in Bukarest auch mit fünf Verteidigern in der Lage sein dürfen, den Ball vom Tor fern zu halten. Dass uns dies nicht gelungen ist, war nicht der Fehler des Trainers, sondern von uns Spielern.»
Die überflüssigen Degen-Zwillinge
Und dennoch: Es schwingt in diesen Oktobertagen ein grummelnder Unterton mit beim FCB. Das lässt sich nebst Strellers Auswechslung an zwei Personalien festmachen: an jener der Degen-Zwillinge und jener des Trainers.
Dass sie aus der 21-köpfigen Spielergruppe in Bukarest überzählig waren, als Murat Yakin am Matchtag seinen 18-Mann-Kader für den Abend festlegte, müssen David und Philipp Degen als weitere Herabsetzung empfinden. «Es hat auch schon andere getroffen», sagt der Trainer ohne grosses Mitleid, aber offenbar hat Yakin aktuell keine Verwendung mehr für sie und urteilt scharf: «Sie haben nicht wenige Chancen gehabt.»
Es sieht auch so aus, als ob die Verletzung von Safari an der Situation von Philipp Degen nichts ändert. Yakin lässt zwar offen, wer am Sonntag beim FC Zürich rechter Verteidiger spielen wird («Ich weiss ja nicht, was bis dahin passiert»), er scheint aber nicht Degen im Sinn zu haben: «Arlind Ajeti hat es gegen St. Gallen auf rechts gut gemacht. Das spricht für seine Aufstellung.»
Yakin und das Zögern bei der Vertragsverlängerung
Bleibt zum Schluss einer Bestandsaufnahme der Trainer selbst, dessen Vertrag Ende Saison ausläuft. Dass er nicht längst verlängert ist, hat zumindest etwas Irritierendes. Meister, Champions League und Tabellenführung – am Erfolgsausweis kann es nicht liegen.
Der Club will sich – nachdem die «Basler Zeitung» Ende August vorgeprescht war – die Agenda nicht von Aussen diktieren lassen. Jüngst hat man sich nun mit Yakin bis in den Dezember vertagt, und was der Grund für dieses Zögern ist, dazu will sich Yakin nicht äussern: «Da muss man die Clubleitung fragen.»
Im Augenblick scheint Yakin zwischen den Stühlen zu sitzen: «Klar ist, dass nichts klar ist.» Und er erneuert sein Bekenntnis zum FCB: «Der Club kennt meine Vorstellungen, wie der Fussball aussehen soll und das Kader. Ich würde beim FC Basel gerne längerfristig weiterführen, was ich aufgebaut habe.» Aber Yakin macht sich auch nichts vor und weiss, wie Langfristigkeit im Profifussball bemessen wird: «Das sind heutzutage drei Wochenenden.»