Am Sonntag (19.00 Uhr, Eurosport) treffen am 29. Afrika-Cup-Final mit Nigeria und Burkina Faso zwei Teams aufeinander, mit denen im Vorfeld kaum jemand gerechnet hat.
Keiner hatte sie wirklich auf der Rechnung. Die Nigerianer nicht, weil sich die Fussballgrossmacht am Golf von Benin seit über einem Jahrzehnt schwer tut, die altersbedingten Abgänge der goldenen Generation um Okocha, Kanu, Yekini oder Oliseh zu kompensieren. Erstmals seit 2000 und der Niederlage gegen Kamerun erreichten die «Super Eagles» wieder den Final, zum siebten Mal insgesamt, und sie stehen vor ihrem dritten Triumph auf dem Kontinent.
Und von Burkina Faso war schon gar nicht die Rede. «Les Étalons», die Hengste, aus dem westafrikanischen Land hatten sich bei zuvor acht Teilnahmen an einer Endrunde nur einmal für den Halbfinal qualifizieren können. Das 1998 im eigenen Land. Ansonsten traten sie jedesmal als Gruppenletzte frühzeitig die Heimreise an ohne je ein einziges Spiel gewonnen zu haben.
An diesem Turnier, den 29. Afrikameisterschaften, allerdings stellen die Burkinabé einen erlesenen Jahrgang. Nicht nur, dass sie die bisher beste Verteidigung mit nur zwei zugelassenen Toren stellen. Sie verfügen mit dem wieselflinken Jonathan Pitroipa von Stades Rennes, dem beim FC Augsburg in der Bundesliga spielenden Kraftbolzen Aristide Bancé und dem nicht minder druckvoll agierenden Prejuce Nacoulma (Górnik Zabrze) über aussergewöhnliche Offensivtypen. Charles Kaboré von Marseille ist zudem ein sicherer Wert im zentralen Mittelfeld.
Gerechtigkeit für Pitroipa
Der Einzug Burkina Fasos in den Final ist verdient. Drei skandalöse Fehlentscheide des tunesischen Schiedsrichters, allesamt zum Nachteil der «Hengste», verhinderte es nicht, in einem packenden Halbfinal, die favorisierten Ghanaer im Elfmeterschiessen auszuschalten.
Zwar ist ihr bester Torschütze Alain Traoré (FC Lorient) bereits im Gruppenspiel gegen Sambia verletzt ausgeschieden. Doch immerhin wurde die ungerechtfertigte Rotsperre gegen Pitroipa am Freitag widerufen von einem Sonderausschuss des Kontinentalverbandes CAF, so dass einem Finaleinsatz des Spielers nichts im Wege steht. Die «Hengste» werden zu einem unwiderstehlichen Galopp ansetzen und sich von ein paar nigerianischen Adlern nicht bremsen lassen wollen.
Trainer Paul Put hat im Vorfeld des Endspiels erklärt, wie er die Nummer 92 der Weltrangliste darauf eingestimmt hat, Ausserordentliches leisten zu können: «Ich habe ein Video zusammengeschnitten mit Griechenland wie es 2004 Europameister wird, mit Chelsea wie es 2012 die Champions League gewinnt und mit Sambia bei ihrem Afrika-Cup-Triumph letztes Jahr. Als wir Ouagadougou verliessen, sagte ich zu meinen Spielern, dass jedes Turnier seine Überraschung hat und dass im Fussball alles möglich ist.»
Steven Keshi – der Typ, den Nigeria brauchte
Die «Super Eagle» ihrerseits erstaunen die Fachwelt und entzücken 150 Millionen Landsleute am Nigerdelta. Stephen Keshi besetzt erst seit wenigen Monaten einen der am schnellsten drehenden Trainerstühle Afrikas. Doch der mittlerweile etwas massig gewordene Ex-Captain und Innenverteidiger des Afrikameisters von 1994 verkörpert in seiner Ruhe und Bestimmtheit exakt den Typ Trainer, den ein Fussballland wie Nigeria benötigt, um aus einer lange endlos erscheinenden Abwärtsspirale zu neuem Renommee zu finden.
Keshi und sein Stab, zu dem etliche alte Weggefährten, wie etwa der ehemalige FCZ-Goalie Ike Shorunmu gehören, hat trotz reger Kritik in der Heimat auf einige namhafte Europa-Profis verzichtet und sich statt dessen einen Überblick über herausragende Talente im eigenen Land verschafft.
Spätestens im Viertelfinal gegen die Elfenbeinküste wurde klar, dass ein 22-jähriger namens Godfrey Oboabona aus der Stadt Akure im Südwesten des Landes und der 20-jährige Kenneth Omeruo, den sich Chelsea letztes Jahr geangelt und ihn in den Niederlanden parkiert hat, zu soliden Titularen in der Innenverteidigung geworden sind.
Keshi integrierte neben Oboabona in Sunday Mba noch einen weiteren «home based player» von den Enugu Rangers, bei denen einst auch Nwankwo Kanu gespielt hat. Mba lief im Viertelfinal von der Mittellinie an allen Ivorern vorbei und sicherte Nigeria mit dem Tor zum 2:1 den Halbfinaleinzug. Dort liess man den bedauernswerten Maliern nicht den Hauch einer Chance und steht nun unversehens als Favorit im Final gegen Burkina Faso.
Die Konstellation ist ähnlich wie vor Jahresfrist, als Aussenseiter Sambia seinen Lauf im Endspiel gegen die Elfenbeinküste mit dem Sieg in einem dramatischen Elfmeterschiessen zu Ende bringen konnte.
Nordafrikas Fussball der Verlierer
Das sonntägliche Endspiel im Soccer-City Stadion von Johannesburg setzt den Schlusspunkt unter ein Turnier, welches das Vorrunden-Aus aller drei nordafrikanischen Teilnehmer bereits brachte. Und das, nachdem sich der siebenfache Rekordsieger aus Ägypten erneut erst gar nicht qualifizieren konnten. Im arabischen Raum wirken sich die politischen und sozialen Umwälzungen offenbar sehr stark auf die Qualität des Fussballs aus.
Ausserdem wird der Vorhang unwiderbringlich für die grossen ivorischen Stars Drogba, Kolo Touré und Didier Zokora fallen. Auch ihr letzter Anlauf, die afrikanische Krone zu erobern, scheiterte. Ebenfalls zu Ende dürfte die Ära des malischen Ausnahmespielers Seydou Keita sein. Seit er vor elf Jahren zum ersten Mal dabei war, erreichten die Westafrikaner immerhin zweimal einen vierten und einen dritten Platz.
Die Entdeckung von den Kapverden
Südafrika meldete sich mit ein paar hoffnungsvollen Lebenszeichen zurück, während die amtierenden Meister aus Sambia wohl wieder ins zweite Glied zurücktreten müssen.
So war es schliesslich die erfrischende Geschichte um die «blauen Haie» vom Atlantikarchipel Kapverde, die nah an der sensationellen Halbfinalqualifikation gegen Ghana waren und sich als Aussenseiter in die Herzen der Fans spielten. Ob man die Insulaner so schnell wieder an einem Afrika-Cup antreffen wird ist allerdings fraglich.
Die letzten zehn Endspiele am Afrika Cup | |||
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Jahr | Austragungsland | Finalpaarung | Resultat |
1994 | Tunesien | Nigeria–Sambia | 2:1 |
1996 | Südafrika | Südafrika–Tunesien | 2:1 |
1998 | Burkina Faso | Ägypten–Südafrika | 2:0 |
2000 | Ghana & Nigeria | Kamerun–Nigeria | 4:3 n.P. (2:2) |
2002 | Mali | Kamerun–Senegal | 3:2 n.P. (0:0) |
2004 | Tunesien | Tunesien–Marokko | 2:1 |
2006 | Ägypten | Ägypten–Elfenbeinküste | 4:2 n.P. (0:0) |
2008 | Ghana | Ägypten–Kamerun | 1:0 |
2010 | Angola | Ägypten–Ghana | 1:0 |
2012 | Gabun & Äquatorialguinea | Sambia–Elfenbeinküste | 8:7 n.P. (0:0) |
Übersicht über die Afrikameisterschaft und das laufende Turnier |