Horrorserie nimmt für Gladbach kein Ende – ein unschöner Rekord kommt hinzu

Auch in der Champions League gelingt es Borussia Mönchengladbach nicht, zu überzeugen. Lucien Favre scheint es sogar geschafft zu haben, seine Elf noch zusätzlich zu verunsichern.

Frustrierend: Da wollte man bloss keinen Penalty kassieren – und am Ende waren es deren drei.

(Bild: AP Photo/Miguel Angel Morenatti)

Auch in der Champions League gelingt es Borussia Mönchengladbach nicht, zu überzeugen. Lucien Favre scheint es sogar geschafft zu haben, seine Elf noch zusätzlich zu verunsichern.

Der spanische Reporter stellte Lucien Favre eine scheinbar einfache Frage: Was ist passiert seit dem letzten Mal? Favre hatte noch nicht viel gesagt, seine erste Pressekonferenz nach einem Champions-League-Spiel bestand aus nur zwei Wortwechseln. Aber er hatte keine Lust, auf diese Frage näher einzugehen – die so einfach klingt und doch so schwer zu beantworten ist.

Beim letzten Mal wurde das Sechzehntelfinale der Europa League gespielt. Favres Elf lieferte dem späteren Champion Sevilla zwei mitreissende Duelle, an deren Ende die Spanier knapp reüssierten (1:0, 3:2), es aber auch die Deutschen hätten sein können. Ein gutes halbes Jahr später wurde am Dienstagabend im Estadio Ramón Sánchez Pizjuán die gängige Annahme ad absurdum geführt, dass die Champions League automatisch besseren Fussball produziert als die Europa League. Ein ordentliches Sevilla besiegte ein anfangs taumelndes, am Ende desolates Gladbach mit 3:0 (0:0).

«Es sind viele Dinge passiert», antwortete Favre. «Unsere Mannschaft ist im Moment nicht vergleichbar mit der Mannschaft, die wir damals hatten.» Dann brach er ab.

Drei Penaltys und ein Eigengoal

Über das Warum ist beim punktelosen Tabellenletzten der Bundesliga schon in den letzten Tagen viel debattiert worden. In Sevilla gab es nicht die erhoffte Wende in der Horrorserie einer verunsicherten Fussball-Mannschaft, nur ein paar kuriose Details in der Dramaturgie. Drei Elfmeter bekamen die Spanier in den ersten 20 Minuten der zweiten Halbzeit zuerkannt, von denen sie zwei nutzten: den ersten durch Kevin Gameiro, der den zweiten an die Latte jagte, und den dritten durch Éver Banega. Sevillas dritter Treffer ging als Eigentor von Yann Sommer in die Statistiken ein – der Ex-Basler Goalie boxte sich eine Flanke von Yewgeni Konoplyanka selbst ins Netz.

Während Sommer wegen eines lange erfolglosen Aufenthalts bei der Dopingkontrolle nach Spielende keine detaillierte Auskunft geben konnte, hatten die übrigen Gladbacher immerhin mal ein anderes Thema. Drei Elfmeter, der Schiedsrichter. «Der erste ist kein Penalty für mich, der zweite ist sehr schwer, der dritte auch», sagte Favre gegenüber der internationalen Presse, räumte aber ein: «Das Entscheidende sind die Fehler vorher, sie kommen zu leicht in unseren Strafraum.» Im deutschen Fernsehen erhob er zusätzlich eine für seine Verhältnisse erstaunlich direkte Anklage: «Vitolo ist der beste Schauspieler der Welt, das wusste ich vorher schon.»

Der Aussenstürmer von den Kanaren hatte die ersten beiden Elfmeter provoziert, wobei nur der erste Diskussionen erlaubte; ob, wie und aus wessen Schuld ein Kontakt zwischen ihm und Sommer bestanden hatte, konnten auch Zeitlupen nicht abschliessend klären. Der zweite nach einem Foul von Roel Brouwers gehörte hingegen ebenso wie der dritte nach einem Duell von Tony Jantschke mit Gameiro eher in die Kategorie unstrittig. Aber aufschlussreicher war sowieso der Zusatz von Favre: Das wusste ich vorher schon.

Fixiert auf Schauspielerei

Bereits in Erinnerung an die letzten Duelle hatte er gegenüber der «Sportbild» die Sevillaner als Beispiel für Mannschaften genannt, «die ich definitiv nicht trainieren könnte». Favre bezog sich auf die vermeintliche Theatralik der Spanier nach Zweikämpfen und ihren Eifer bei der Bearbeitung des Schiedsrichters. Kritisch speziell über Vitolo hatte sich auch Granit Xhaka geäussert, der nach einem Foul an dem Stürmer die Gelb-Rote Karte gesehen hatte (und deshalb nun fehlte). Nachdem die Borussia für die Champions League erneut gegen Sevilla gelost wurde, scheinen sich all diese Bedenken zu einer regelrechten Obsession gesteigert zu haben. Das verriet Favres Bemerkung über Vitolo – und das verrieten auch die Aussagen seiner Spieler.

André Hahn und Ibrahima Traoré etwa betonten unisono, dass man während der Halbzeitpause schon darauf hingewiesen habe, dass die Spanier alles versuchen, um einen Elfmeter zu bekommen. Dem Beobachter hatten sich zwar bislang nicht viele solcher verdächtigen Szenen aufgedrängt. Umso rascher wurden die Befürchtungen nach dem Wiederbeginn zu sich selbst erfüllenden Prophezeiungen.

Ist ja irgendwie auch klar: Wenn eine sowieso schon verunsicherte Mannschaft noch dazu verkrampft in die Zweikämpfe geht, weil sie bei jeder Bewegung die Elfmetergefahr wähnt, dann passiert wohl genau das – drei Penaltys binnen so kurzer Zeit bedeuteten einen neuen Rekord für die Champions League.

Jetzt wieder positiv denken

In der sind Mönchengladbach und Lucien Favre nun also endgültig angekommen. Dass Heimmannschaften versuchen, Druck auf den Schiedsrichter aufzubauen, ist allerdings keine Erfindung der Königsklasse, sondern dürfte den Gladbachern schon am Wochenende wiederbegegnen – beim diesmal besonders schicksalhaften Derby in Köln.

Vielleicht gelingt dem Trainer ja in den nächsten Tagen, woran er in Sevilla offenbar scheiterte: mit einer positiven Erzählung seine Spieler stark zu machen.

Während die Gladbacher Fans vor dem Stadion schon nach vorne blickten und den rheinischen Rivalen verspotteten, fragte die TagesWoche bei Vitolo noch einmal nach den Elfmetern. «In meiner bescheidenen Meinung denke ich, dass alle drei gerechtfertigt waren», antwortete der Stürmer. Und die Vorwürfe von Lucien Favre? «Auf dem Platz passieren viele Dinge. Ich muss ihm nicht antworten.»




(Bild: uefa.com)

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