Timea Bacsinszky scheitert im Viertelfinale gegen die Spanierin Garbine Muguruza. Trotzdem ist die Schweizerin aus Lausanne zufrieden mit sich und freut sich bereits auf das kommende Jahr.
Timea Bacsinszky stand kerzengerade auf Court 1 des All England Club, und von der Mitte ihrer Platzhälfte hatte sie an diesem windigen Dienstagnachmittag den besten Blick auf Garbine Muguruza. Auf ihre erst am Boden kauernde, dann auf dem Boden liegende Gegnerin. Es war eine Szene, die das Potenzial zur Täuschung hatte: Denn Muguruza, Tochter einer Venezolanerin und eines Spaniers, war in jenem Moment obenauf wie nie zuvor in ihrer Karriere, erstmals in ein Grand Slam-Halbfinale gelangt und auch die erste Spanierin, die das seit Arantxa Sanchez-Vicario (1997) schaffte.
Und Bacsinszky, die aufrechte Schweizerin? Sie hatte in ihrem fünften Turnierspiel die zuvor bestaunte Leichtigkeit und Unbeschwertheit irgendwie verloren, auch jene Stärke bei den Big Points, die sie zuvor ganz besonders ausgezeichnet hatte. «Es hat leider nicht gereicht heute. Ich habe gegen eine ganz starke Gegnerin verloren», sagte die 26-jährige aus Lausanne später, als alles vorbei war – nach dem letzten Grand Slam-Stündlein beim 5:7, 3:6-Fehlschlag gegen Muguruza.
Enttäuschung sichtbar
Bacsinszky musste sich nicht grämen über ihre Gesamtvorstellung an der Church Road, bei der führenden Tennismesse ihrer Arbeitswelt. Doch Enttäuschung war natürlich unübersehbar, unüberhörbar bei der Romande, vielleicht am ehesten, weil sich in der unteren Hälfte des Turniertableaus durchaus verheissungsvolle Möglichkeiten aufgetan hatten. Weil die Chance sogar auf einen Finalvorstoss alles andere als Utopie war für Bacsinszky, die bei der 2015er-Auflage von Wimbledon ihre Liebe zum Rasentennis entdeckt hatte – und die in den letzten neun Tagen mehr Spiele im All England Club gewann als in all den anderen Jahren ihrer Gastspiele zuvor.
Gegen Muguruza allerdings konnte Bacsinszky nicht mehr mit der Grösse der Herausforderung wachsen – gegen eine Spielerin, die zuvor schon Mitfavoritin Angelique Kerber (Deutschland) und Caroline Wozniacki (Dänemark) aus dem Turnier geworfen hatte. Die Schweizerin stemmte sich letztlich genauso vergeblich wie die ausgeschiedene Kolleginnen-Prominenz gegen die Offensivwucht und die Courage, mit der die Spanierin die Ballwechsel bestritt. «Ich fand, dass ich ein gutes Spiel gemacht habe. Aber das war eben nicht genug», sagte Bacsinszky, «viel hat uns nicht getrennt, ein Riesenunterschied war das nicht.»
Mehr Entschlossenheit und Kraft
Aber die letzten paar Prozent Entschlossenheit mehr, womöglich auch die grösseren Kraftreserven – das genügte Muguruza, um gegen Bacsinszky die Entscheidung zu erzwingen. Ein schwaches Aufschlagspiel bei 5:6 im ersten Durchgang bedeutete den frustrierenden Satzverlust für die Schweizerin, ein weiteres Break zum 3:5 im zweiten Satz führte dann schon geradewegs ins Scheitern. «Es ist halt so, dass wenige Punkte in einem Rasenspiel den Ausschlag geben können», sagte Bacsinszky hinterher. Zugleich attestierte sie sich, und das zu Recht, «gewaltige Fortschritte auf Grasplätzen» gemacht zu haben: «Ich fahre hier mit einem guten Gefühl weg. Ich kann es kaum erwarten, nächstes Jahr wieder ins Turnier einzusteigen.»
Bacsinszky bewies mit dem Einzug in die Runde der letzten Acht auch, dass sie über die Allround-Qualitäten verfügt, die im modernen Tennis mehr denn je gefragt sind. Auf Rasen kann sie, das Turnier hat es deutlich bewiesen, genau so mit der Weltspitze mithalten wie auf Hart- oder Sandplätzen. Sie kam wegen Adduktorenproblemen sogar ohne jedes Vorbereitungsturnier nach Wimbledon – und spielte sich doch bis in die heisse Grand Slam-Phase durch, bis unter die letzten Acht. «Ich war über meinem Soll. Und ich bin auf einem grossartigen Weg in diesem ganzen Jahr», sagte Bacsinszky, «wer weiss, vielleicht kann ich bald etwas richtig Grosses schaffen. Für mich, für die Schweiz.»