Nach einem Monat Zwangspause kehrt Roger Federer guten Mutes in Stuttgart auf die ATP-Tour zurück. Dort will er sich noch nicht zu viel vornehmen. «Es steht noch viel Tennis an», weiss Federer – unter anderem sein Lieblingsturnier.
Als am Sonntagnachmittag das French-Open-Finale zwischen Novak Djokovic und Andy Murray lief, sass Roger Federer im Auto. Er war auf dem Weg aus der Schweiz nach Stuttgart. Und hatte weder Zeit noch Musse, sich den Roland Garros-Showdown der beiden Arbeitskollegen anzusehen: «Ich habe im Moment genug mit mir selbst zu tun», sagt Federer, «wenn ich nicht selbst in einem Turnier drin bin, schaue ich mir auch kein Tennis an.» Aber klar, was Djokovic zuletzt geleistet habe, das sei «Weltklasse», so Federer: «Vier Grand Slams hintereinander zu gewinnen, verdient höchsten Respekt.»
Federer ist guten Mutes in die schwäbische Landeshauptstadt gekommen. Er will hier sein Comeback beginnen, eigentlich soll hier sogar seine ganze Saison so richtig beginnen. «Körperlich ist alles okay. Es gab keine Probleme mehr in den letzten beiden Wochen», sagt Federer, «jetzt muss ich mich rantasten ans Turniergeschehen. Schritt für Schritt gehen, von Spiel zu Spiel denken.»
Keine einfache Phase
Im Normalfall wäre seine klare Ambition der Turniersieg beim Mercedes Cup, gab der 34-Jährige zu. Doch nicht in dieser Spielzeit. Nicht nach all der Malaise im Winter und Frühjahr: «Ich wäre schon mal froh, wenn ich zwei Spiele gewinne. Dann würde ich im Halbfinale stehen – und dann kann sicher noch was passieren.»
Es ist in der Tat die schwierigste Serie der mittleren und späten Federer-Jahre im Wanderzirkus. Schon am Sonntag bei einem Gespräch mit dem Südwestrundfunk hatte Federer in der sogenannten Grand-Slam-SkyLounge auf dem Turniergelände selbst etwas kopfschüttelnd darauf hingewiesen, dass er bis jetzt «gerade mal 15 Matches« gespielt habe «statt bis zu 40 wie sonst». Und dass er bei keinem Wettbewerb wirklich «richtig fit» gewesen sei: «Selbst beim Australian Open, in Melbourne, litt ich noch unter den Nachwirkungen einer Grippe. Und dann kam die Meniskusoperation.»
Mit der Operation kam auch die erste Zwangspause bis zu den Sandplatzturnieren in Monte Carlo und Rom. Federer spielte dort durchwachsen, und anschliessend folgte der nächste Rückschlag. Nämlich Rückenbeschwerden, die auch zum Verzicht auf die Offenen Französischen Meisterschaften in Paris führten.
Volles Programm
Es war auch das erste Mal seit dem Jahr 2000, dass ein Grand Slam-Festival ohne Federer stattfand. Federer bedauert diese Entscheidung aber keine Sekunde, auch nicht den Umstand, dass seine Marathonpräsenz bei den Majors damit ein Ende hatte: «Ich riskiere nicht meine Gesundheit, meine weitere Karriere für irgendeinen Rekord. Was ich gemacht habe, war total richtig.»
Stattdessen fand Federer Zeit für hartes Training, um den Körper wieder zu drillen, fit zu machen für die vielen Termine, die jetzt noch kommen. Die Grasturniere in Stuttgart und Halle, dann Wimbledon. Später die Olympischen Spiele und die US Open. Und dann auch noch der Herbst mit dem Heimspiel in Basel, vielleicht auch noch die ATP-WM in London. «Es steht noch viel Tennis an. Ich bin gespannt, wie ich das alles meistern werde», sagt Federer.
Er wäre aber nicht Federer, würde er der ungewohnten Situation nicht auch etwas Positives abgewinnen: «Dieses Durchwursteln bisher, das ist auch eine neue Lage, eine Herausforderung, die ich noch nicht kannte», so der vierfache Familienvater, «irgendwie hat es auch seinen Reiz.»
Mitte der Woche gilt es ernst
In Stuttgart, zum Geburtstagsfest von 100 Jahren Weissenhof-Tennis, ist Federer die grosse Attraktion, der Superstar des Teilnehmerfeldes – gleich am Montag begleitete der Maestro auch noch als Ehrengast die Weltpremiere eines Automobils des Turniersponsors. Sein erstes Spiel wird er erst am Mittwoch oder Donnerstag bestreiten, je nachdem, wie es ihm beliebt – Federer wird schliesslich jeder Wunsch von den Augen abgelesen.
Sein Auftaktgegner wird entweder der Franzose Fabrice Martin oder das amerikanische Toptalent Taylor Fritz sein. «Es wird kein Spaziergang werden. Egal, gegen wen es geht», sagt Federer.