Roger Federer ist auf gutem Weg in seinen siebten Swiss Indoors-Final in Serie, auf gutem Weg zu seinem sechsten Basler Titel. Im Viertelfinal schlug er den Franzosen Benoit Paire mit 6:2, 6:2; im samstäglichen Halbfinal trifft er auf den Franzosen Paul-Henri Mathieu.
Dutzendfach erlebt in den vergangenen Jahren, und doch ist es immer wieder ein besonderer, ja fast sonderbarer Moment, ein Moment, in dem es manchen in der mit 9200 Zuschauern ausverkauften St. Jakobhalle «tschuuderet». Der Moment, in dem Roger Federer auf zusätzlichem hellem Spot in die Arena kommt, nach ein paar Schritten ein kurzes Winken mit links nach links oder ein Winken mit rechts nach rechts oder beides und angekündigt vom Speaker als «Rrrrroger Federer». Der Moment, in dem die 9200 nur eine Erwartung kennen und sein Gegner (meist) nur eine Befürchtung.
Swiss Indoors 2012
Das Tableau
Der Spielplan für Samstag
Die Erwartungen dürften diesmal allerdings leicht verhalten gewesen sein – zurecht nach Federers eher mittelprächtigen Auftritten in den ersten beiden Runden. Aber in der Realität dieses letzten Viertelfinals absolut zu unrecht. Hatte man vermutet, Benoit Paire (ATP 46) könnte der schwierigere Fall werden als es Becker und Bellucci waren, so liess Federer den Franzosen als klarer unterlegen erscheinen.
Klar besser als Paire
Federer gelang schon zum 1:2 ein Break, im neun Minuten dauernden fünften Game hatte er wieder mehrere Möglichkeiten und deutete da schon an, dass er sowohl in langen wie in kurzen Ballwechseln klar besser ist, klar besser als Paire und klar besser als er selbst zu Wochenbeginn noch war. Obwohl ihm das Break nicht gelang, war dieses Game doch so etwas wie ein Bruch in Paires Spiel.
Und Federer war da, war erwacht, war sehr präsent, erfasste eine für ihn vorteilhafte Situation mit früher gekannter Selbstverständlichkeit. Dazu gelangen ihm ein paar durchaus künstlerisch anmutende Bälle; etwa ein kurzer Backhandvolley mit geradezu McEnroe’schem Touch zum 4:2, oder danach ein unglaublicher Return, dem er instinktsicher ans Netz folgte und mit Volley abschloss. 6:2 nach nur 29 Minuten – logischer hätten die Zahlen für diesen ersten Satz nicht sein können.
Gute Vorzeichen
Federer verlor die Linie auch danach nicht, er führte im zweiten Satz rasch mit 4:0, liess nur mehr wenige Punkte zu und war nach 54 Minuten im Halbfinal, in dem er auf den Franzosen Paul-Henri Mathieu trifft. Dieser gewann gegen den eleganten Bulgaren Grigor Dimitrov nach zwei Stunden mit 7:6 und 7:6.
Federer holte mit seinem raschen Erfolg also nicht nur die Zeit im Spielplan wieder auf, die die andern Viertelfinalisten in langen Matches verplempert hatten, er holte vor allem wieder nach, was er in seinen ersten beiden Runden nicht hatte zeigen können. Gute Vorzeichen also für den samstäglichen Halbfinal – und wahrscheinlich darüber hinaus.
Zweiter Halbfinal: Rückhand gegen Vorhand
Die Viertelfinals in der unteren Tableauhälfte sind exakt nach den Vorgaben der Setzliste verlaufen, sodass im zweiten samstäglichen Halbfinal die Nummer 3 des Turniers auf die Nummer 2 trifft, der Franzose Richard Gasquet auf den Argentinier Juan Martin del Potro. Gasquet schlug den Russen Michael Juschni mit 6:2 und 7:6, der lange del Potro (1.98 m) stand einem noch längeren gegenüber, dem Südafrikaner Kevin Anderson (2.03) und stand auch länger auf dem Platz als Gasquet.
Ob del Potros schwieriger Start mit seinem ihn gelegentlich zwickenden Rücken zu erklären war? Oder damit, dass er sich nach seiner Qualifikation fürs ATP-Tour-Finale etwas zurücklehnte? Oder schlicht damit, dass Anderson ganz ausgezeichnet aufschlug und etwa sein Game zum 6:3 des ersten Satzes mit vier Assen abspulte?
Wie auch immer, der favorisierte del Potro musste sich bis zum 3:3 im Tiebreak des zweiten Satzes abmühen (und das Turnier um eine seiner Attraktionen bangen), bis er mit vier Punkten in Serie den Satz gewann und sich schliesslich sicher, aber doch erst nach zwei Stunden und 22 Minuten mit 3:6, 7:6 und 6:2 für den Halbfinal qualifizierte.
Gasquet gegen del Potro, das ist nicht nur die Begegnung der beiden Bronzemedaillengewinner von London (Gasquet im Doppel mit Benneteau), das ist auch der Vergleich von zwei der prononciertesten Schlägen auf der Tour: Von del Potros mächtiger Vorhand und von Richard Gasquets Rückhand, einer an Beschleunigung und Ästhetik einzigartigen Bewegung. Del Potro kennt sie genau, mag allerdings nur ein einziges Wort darüber verlieren: «Fantastic.»