Im Stillen herrscht in Zürich Bewunderung und Respekt

Der Abstand der Fussballstandorte beträgt mehr als ein paar Punkte: Warum sich aus Zürcher Sicht der FC Basel schlecht als Feindbild eignet.

Fussball und Fasnacht: Manchmal nervt Basel mit seinem Lokalchauvinismus. Hier die Choreografie zum Saisonschluss. (Bild: STEFAN BOHRER)

Der Abstand der Fussballstandorte beträgt mehr als ein paar Punkte: Warum sich aus Zürcher Sicht der FC Basel schlecht als Feindbild eignet.

Es gibt Basler Witze über Zürich. Volkskundler deuten sie als sublimierte Kränkungen. Denn Zürich ist so wichtig geworden, wie sich Basel immer fühlte: Es hat doppelt so viele Einwohner, seine Politik dominiert das Land, seine Medien machen es zum Dauerthema. Zürich profitiert vom Flughafen und vom grossen S-Bahn-Netz, vom Finanzplatz und globalen Firmen wie Google, die sich an Sihl und Limmat ansiedeln. Basler pendeln weit häufiger nach Zürich als umgekehrt.

Über Basler gibt es in Zürich dagegen keine Witze. Damit ist eigentlich schon alles gesagt über die Wahrnehmung Basels in Zürich: Die Stadt am Rhein wird übersehen. Man registriert zwar die Fasnacht, geht an die Kunstmesse Art und versucht (vergeblich), den Basler Humor zu verstehen – aber sonst? Zürich ist krampfhaft damit beschäftigt, eine Weltstadt sein zu wollen. Man vergleicht sich mit Berlin, London, New York. Basel ist da nur Provinz.

Manchmal nervt der Basler Lokalchauvinismus

Ausser natürlich im Fussball. Hier liegen die Dinge gerade umgekehrt: Basel ist die sportliche und wirtschaftliche Macht und Zürich seine vernachlässigte Agglomeration. Nur Basel schafft es regelmässig, den ­europäischen Elitefussball in die Schweiz zu bringen. Die Erfolge im Europacup der letzten Jahre und die Dauerpräsenz im Fernsehen haben dazu geführt, dass in Zürich und Umgebung mehr Kinder mit einem FCB-Trikot herumlaufen, als die Basler nur schon Gedanken verschwenden an den FCZ oder GC.

Manchmal nervt der Basler Lokalchauvinismus, der seine grössten Bühnen in der Fasnacht und im Fussball hat. Es gibt deshalb FCZ-Fans, die GC den Cupsieg gönnten – einfach darum, damit wieder einmal ein anderer Club einen Titel gewinnt.

Dem FC Basel gelingt der Spagat zwischen Kommerz und Tradition ziemlich gut.

Doch das ist auch schon alles, was man in Zürich an Abneigung gegenüber dem FCB aufzubringen vermag. Im Stillen herrschen sogar eher Bewunderung und Respekt, und zwar unabhängig davon, ob man Anhänger des einen oder des andern Zürcher Vereins ist.

Tatsächlich eignet sich der FCB schlecht als Feindbild, im Gegenteil. In drei Punkten ist der FC Basel besonders sympathisch: Seine Mannschaft besteht nicht ausschliesslich aus Legionären, sondern schafft durch die regionale Herkunft einzelner Spieler Identifikation. Der Vereinsführung gelingt der Spagat zwischen Kommerz und Tradition ziemlich gut. Sie zeigt sich kritisch gegenüber den irrsinnigen Aspekten dieser Unterhaltungsindustrie und weiss, dass zum Verein sowohl die VIP-Logen wie auch die Muttenzerkurve dazugehören. Schliesslich ist der FCB in Basel im Gegensatz zum FCZ und GC in Zürich mehr als ein Event: Das Stadion füllt sich nicht nur bei Spitzenspielen.

Entwicklungsgebiet Zürich

In fast allen diesen Punkten ist Zürich ein Entwicklungsgebiet. Der knappe Vorsprung Basels auf GC in dieser Saison und auf den FCZ vor zwei Jahren täuscht darüber hinweg, dass die Differenz zwischen Basel und Zürich mehr als drei respektive einen Punkt beträgt. An Sihl und Limmat richtet man sich darauf ein, dass die vier Meistertitel des FCB in Folge vielleicht erst der Beginn einer Epoche sind. Möglicherweise wird YB in naher Zukunft der Herausforderer Basels sein – FCZ und GC werden primär um das wirtschaftliche Überleben kämpfen.

Und sollte ein Zürcher Club doch einmal um den Titel spielen wie GC diese Saison, wird der Lokalrivale – und das ist kein Witz – dem FCB dankbar sein, wenn er den Gewinn der Meisterschaft verhindert.

Dario Venutti ist Redaktor beim Zürcher «Tagesanzeiger» und nahm im Dezember an einer Gesprächsrunde der TagesWoche mit Schriftsteller Pedro Lenz und FCB-Präsident Bernhard Heusler teil: Drei Männer, eine Liebe.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 07.06.13

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