Die Masters in Augusta, Georgia: Beim ersten Golf-Major 2012 staunt man über Borniertheit, Selbstherrhlichkeit, Dünkel und britisch anmutende Schrulligkeiten.
Allein schon dieses pömpel-hässliche grüne Sakko. Das ist neben dem Millionenpreisgeld die kleidende Sieger-Trophäe der Masters, die im Augusta National Golf Club als erstes Major Turnier 2012 ausgespielt werden. Am Sonntag darf der neue Champion in das massgeschneiderte «Green Jacket» schlüpfen, er darf es auch mitnehmen, jedoch: nie in der Öffentlichkeit tragen. Und nach einem Jahr muss der Spieler es in dem ihm zugeteilten Schrank im Klubhaus als Reliquie aufhängen. Kein Brite hätte sich solche Schrullenregeln besser ausdenken können. Immerhin, es bleiben lebenslang Besuchsrechte am Jackett («visitation rights»). Wer mehrfach gewinnt bekommt nur dann ein Neues, wenn sich «die Konfektionsgrösse dramatisch geändert hat».
Der Golfclub von Augusta/Georgia, im Süden der USA, ist umrankt von Mythen, die von Geheimnistuerei befeuert werden. In der «friedvollen Enklave für mächtige Männer» (World Golf Magazin) gleich neben der lauten Washington Road mit ihren Kettenrestaurants und Billigläden herrschen Exklusivität und Reichtum wie auf keinem anderen Golfplatz der Welt. 300 Klubmitglieder soll es geben, darunter Prominente wie Bill Gates oder Warren Buffet.
Banalitäten wie Aufnahmegebühren und Mitgliedsbeitrag sind genauso streng vertraulich wie Schnitthöhe des Rasens, Hersteller des Jacketts oder die Herkunft und Körnung des fast weissen Bunkersandes. Das Turnier spült mit Lizenzgebühren und Fernsehrechten Abermillionen in die Kassen. Vor allem ist The Masters mächtig. Selbst Coca-Cola darf nicht in roten Bechern sondern nur im giftigen Clubgrün verkauft werden darf. Und das gleich neben Atlanta.
Diktatur des Golfsports
Das Golf-Heiligtum ist ein Ort von Spleen und Willkür. Mitglied wird man angeblich durch unangekündigte, kommentarlose Zusendung der Jahresrechnung. Wer sich selbst bewirbt, hat sich wegen Anmassung lebenslang disqualifiziert. Weibliche Mitglieder gibt es nicht. Nicht weil sie prinzipiell ausgeschlossen seien, sagen die Kluboberen spitz, o nein, man habe nur halt noch nie einer Frau eine Zahlungseinladung geschickt. Seit 2002 dürfen Frauen (nach einer Kampagne von US-Feministinnen) immerhin gastspielen, auf Einladung eines Mitglieds, männlich.
Für die einen ist Augusta Mythos und spleenige Pilgerstätte, für die anderen «Diktatur des Golfsports». Schon als Zuschauer auf das Turniergelände hinter die dichten Hecken und Gebüsche zu gelangen, ist schwer. Eintrittskarten werden vergeben und nicht offiziell verkauft, Wartelisten auch für Folgejahre sind schon lange geschlossen. Selbst Journalisten berichten von jahrelangen vergeblichen Versuchen zur Akkreditierung. Absagen gibt es nicht, Unwürdige werden schlicht ignoriert.
Manikürte Landschaften
Der romantische Platz lässt von all dem Dünkel nichts ahnen. In der manikürten Parklandschaft aus Forsythien, Azaleenwäldern und Magnolienfeldern heissen die Spielbahnen «Gelber Jasmin» oder «Blühender Pfirsich». An Loch 17 gibt es den «Eisenhower Tree», weil Ex-Präsident Dwight D. Eisenhower als Eisenhauer den Ball mehrfach gegen eben diese Pinie geknallt hat. Der Platz von bescheidenen 6.750 Metern ist voller Tücken, eine ist das «härteste Loch im Turniergolf». Sagt Jack Nicklaus, und der muss es wissen als sechsmaliger Masters-Rekordsieger.
Es geht um die idyllisch unschuldige Bahn 12, genannt «Golden Bell» (Goldglöckchen, eine Forsythienart), ein Par 3 von lächerlichen 142 Metern, was selbst für Hobbyspieler als kurz gilt. Hier gibt es immer neue kleine Wind-Turbulenzen in verschiedenen Höhen, weshalb die Wahl von Schläger und Schwung-Dynamik einer Lotterie gleicht, bloss nicht in den Rae´s Creek zu schlagen. Jeder Spieler hat seine Methoden – bis hin zum Gefühl an der Wange, wie der Wind da kitzelt. Dramen sind hier garantiert. Tom Weiskopf ist 1980 mit 13 Schlägen von der Fahne gegangen.
Qualifikation per schmucklosem Brief
Die Masters-Macher können nicht nur Zuschauer wegen unbotmässigen Verhaltens jederzeit und lebenslang ausschliessen, sondern auch ungeliebte Profis. Sportliche Qualifikation für das prestigeträchtigste Turnier ist notwendig aber nicht hinreichend. Dann bleibt im nächsten Jahr der demonstrativ schmucklose, schneeweisse Brief mit wenigen nüchternen Zeilen aus, mit dem man zum Wettkampf einbestellt.
Altmeister Gary Player sagte einmal verzückt, beim Masters «muss ich immer noch schlucken, wenn ich durch das Einfahrtstor fahre». Der Weg führt durch die 300 Meter lange herrschaftliche «Magnolia Lane» mit der Allee aus 65 mächtigen Magnolienbäumen. Dahinter ragt das protzige, unschuldig weisse Clubdomizil auf, ein Plantagenhaus aus Sklavenzeiten.
Die Favoriten Woods und McIllroy
Altstar Tiger Woods, der Augusta liebt wie kaum ein anderer, ist bei den Buchmachern schon wieder leichter Favorit, kaum dass er vor zehn Tagen seit erstes PGA-Turnier seit zweieinhalb Jahren gewann. Dahinter rangiert der Nordire Rory McIlroy, 22, der im Vorjahr weit führend so spektakulär auf der Finalrunde eingebrochen war, auch an Golden Bell. Ex-Champion Bernhard Langer, 54, wie alle Masters-Gewinner lebenslang startberechtigt, ist zum 30. Mal dabei.
Ein anderer Deutscher, Martin Kaymer, versucht im fünften Anlauf erstmals den Cut zu schaffen. Scheidet die ehemalige Welt-Nummer 1, derzeit Ranglistensechster, am Freitag wieder aus, purzelt er aus den Top Ten. Am Mittwoch gelang ihm auf der Trainingsrunde an Loch 16 mit einem über das Wasser skippenden Ball ein vielumjubeltes Hole-in-on.
Woods, 36, hat das giftig-grüne Jackett schon vier Mal überstreifen dürfen, er hält zudem die Rekorde als jüngster Sieger (1997 mit 21), mit dem niedrigsten Score (270) und dem grössten Vorsprung (12 Schläge). Bei seinem dritten Sieg 2002 konnte er eine besondere Ausnahmeregel von Augusta beanspruchen: Traditionell hält der Vorjahressieger dem Gewinner würdevoll das grüne Jackett zum Anziehen hin. Da Woods aber Titelverteidiger war, musste der damalige Chairman des Klubs als textiler Greenkeeper einspringen.
The Masters
Die 76. Auflage, 5.-8. April
Preisgeld: 7,5 Mio US-Dollar
Teilnehmer: 107
Cut nach zwei Runden: die 44 Besten plus Schlaggleiche
Par 72, Platzrekord: 63 (Nick Price, Greg Norman)
Rekordteilnehmer: Gary Player, 52 mal
Favoriten: Tiger Woods (USA, Weltranglisten-Nummer 7), Luke Donald (England, 1), Rory McIllroy (Nordirland, 2), Lee Westwood (England, 3). Vorjahressieger: Charl Schwartzel (Südafrika, 8)
TV-Übertragung: Internet/Swisscom-TV
Martin Kaymers Hole-in-one im Training.