Der SC Freiburg versucht den bittersten Abstieg der Vereinsgeschichte zu verarbeiten. Trainer Christian Streich wird bleiben und den nächsten Umbruch gestalten müssen. Denn viele Stammspieler werden gehen.
Als die Spieler des SC Freiburg mitten in der Nacht zum Sonntag wieder am heimischen Stadion aufschlugen, erlebten sie eine Überraschung. In der Dunkelheit vor der Haupttribüne warteten knapp 100 Fans. Sie hatten aufmunternde Transparente dabei und der Tenor lautete: «Wir kommen wieder.»
Das Freiburger Motto, frei nach Pink Panther.
Trotzige Zuversicht mischte sich in die tiefe Trauer, als der schwere Gang in die 2. Bundesliga mit dem 1:2 in Hannover unverrückbar feststand. Präsident Fritz Keller zitierte Paulchen Panther («Wir kommen wieder, keine Frage»), und Trainer Christian Streich machte sich ein bisschen selbst Mut mit seinem Manifest: «Der Verein ist ein kleiner Verein, aber ein grosser in seinem Wesen. Wir werden wieder zurückkommen und versuchen so Fussball zu spielen, dass die Leute eine Freude haben in Freiburg.» Dann wurde er von seinen Emotionen durchgeschüttelt.
Die Freiburger Bilanz: Nach sechs Jahren geht es wieder zurück in Liga 2 (mit einem Klick auf das Bild geht es zur ausführlichen Darstellung bei «transfermarkt»):
Mit dem vierten Abstieg nach 1997, 2002 und 2005 verbunden ist die Ahnung, dass viele der Spieler, die am Sonntag ihre Spinde ausräumten, künftig nicht mehr im Freiburger Dress auflaufen werden. Roman Bürki, der von Bremen ausgeliehene Nils Petersen, Admir Mehmedi, Vladimir Darida, Oliver Sorg oder Jonathan Schmid, der mit Hoffenheim in Verbindung gebracht wird, dürften gegen Hannover ihr letztes Spiel für Freiburg absolviert haben.
Wenigstens dürfen die Freiburger erhebliche Ablösebeträge erwarten aus den laufenden Verträgen dieser Spieler. Allein für Bürki stehen sechs Millionen Euro im Raum, nicht viel darunter dürfte der zweite Schweizer Nationalspieler, Mehmedi, einbringen. Zwar muss sich der Sportclub, der dabei ist, ein neues Stadion zu bauen, auf halbierte Fernsehgeld-Einnahmen einrichten. Die rund zehn Millionen Euro für einen Spitzenplatz in der 2. Bundesliga sind vergleichsweise immerhin das Fünffache, was der Schweizer Meister aus dem TV-Topf erhält.
Die Sisyphos-Arbeit beginnt von vorn
Christian Streich hatte bereits unmittelbar nach Schlusspfiff ein für allemal klargestellt, dass er «selbstverständlich» auch in der kommenden Saison Cheftrainer bei dem Verein bleiben wird, bei dem er vor 20 Jahren als Ausbildner begonnen hat. «Ich habe dem SC Freiburg sehr viel zu verdanken. Es sagt etwas über diese Zeit aus, wenn mich von acht Journalisten acht fragen, ob ich bleibe.»
Dass er nach einem Kurzurlaub wieder den Sisyphos geben muss, ist Streich dabei bewusst. Ein paar Talente aus dem eigenen Nachwuchs wird man wieder hochziehen – in der Hoffnung, dass sie den Sprung von der Regionalliga in die Zweite Liga schaffen. Und mal wieder wird man sich nach günstigen Verstärkungen umschauen müssen, die möglichst sofort einschlagen – schliesslich geht die Saison schon am 24. Juli wieder los, drei Wochen vor der Ersten Liga.
Juniorennationalspieler Tim Kleindienst, der 13 Mal für Energie Cottbus in der 3. Liga traf, steht als erster Neuzugang im Angriff fest. Chefscout Klemens Hartenbach wusste am Montag von weiteren Spielern zu berichten, die «unabhängig von der Ligazugehörigkeit kommen werden».
Schon unmittelbar nach der bitteren Niederlage in Hannover hatte Sportdirektor Jochen Saier einen «grösseren Umbruch» angekündigt, «der wird aber auch nötig sein». Wie er das genau meinte, wollte Saier nicht präzisieren, doch bei aller Trauer, dass eine Mannschaft «mit der etwas hätte entstehen können» (Streich) auseinandergerissen wird – beim SC wissen sie schon, dass dieser Absturz eben nicht nur mit widrigen Umständen zu tun hat.
Streich: «Die kommenden Wochen werden sehr hart»
Die sechs Gegentore, die der SC in der abgelaufenen Spielzeit in den letzten Spielminuten bekommen hat, fielen ja nicht nur (wie gegen Berlin oder den HSV) aufgrund nachteiliger Schiedsrichterentscheidungen. Viele Gegentreffer hatte sich der SC mit unkonzentriertem Defensivverhalten selbst zuzuschreiben. Symptomatisch auch, dass der SC beim Abstiegsendspiel in Hannover nach 122 Spielsekunden zurücklag, weil der 1,73 Meter grosse Hiroshi Kiyotake völlig frei zum Kopfball gekommen war.
Vom grotesken Eigentor durch Pavel Krmas (84.) ganz zu schweigen. Wäre das nicht gefallen, hätte Nils Petersens Treffer in den Schlussminuten (89.) doch noch den Klassenerhalt bedeutet. So konnte er nicht verhindern, dass der SC am letzten Spieltag von Platz 14 auf Rang 17 stürzte.
Pavel Krmas: Bitterer geht nicht
Der Unglücksschütze selbst sass nach dem Schlusspfiff weinend in der Kabine. Der 35-jährige Krmas besiegelte nach acht Jahren in Freiburg zu seinem Karriereende in seinem 100. Erstligaspiel für den Sportclub dessen Abstieg. Auch Torhüter Bürki liefen die Tränen herunter, als er sich bei den mitgereisten Fans für die Unterstützung bedankte.
Und Christian Streich konnte die mühsam aufrechterhaltene Beherrschung nicht mehr wahren, als er gerade erklären wollte, dass «die kommenden Wochen sehr hart werden». Denn dann werde man sich vergegenwärtigen, wie leicht dieser Abstieg zu vermeiden gewesen wäre.
Die Abschlusstabelle der 1. Bundesliga 2014/15: