Der 80 Millionen Euro teuere WM-Torschützenkönig James Rodriguez wird im Bernabeu von 45’000 Menschen empfangen und lässt Real Madrid, das gerade erst Weltmeister Toni Kroos verpflichtet hat, sogleich vom «elften Weltwunder» träumen.
Er machte eine glänzende Figur, man kann das wirklich nicht anders sagen. Im schwarzen Festanzug sass James Rodríguez zwischen den Honoratioren von Real Madrid und strahlte sein Jungenlächeln: als ein Video seiner besten Szenen von kleinauf gezeigt wurde, unterlegt mit bedeutungsschwangerer Filmmusik. Als Clubpräsident Florentino Pérez ihn vorstellte als «einen dieser Männer, die Fussballliebhaber verführen». Und als der kolumbianische Botschafter in Spanien, ein kräftiger Mann mit beigem Jackett, enormer gelber Krawatte und landesüblichem Überschwang eine Botschaft des Staatspräsidenten verlas: «Ein stolzer Tag, es lebe Kolumbien».
Um die Ehrentribüne herum kreischte da das Estadio Santiago Bernabéu, das mit rund 45’000 Menschen, darunter an die Hälfte Kolumbianer, gefüllt war. Und James lächelte weiter, der Nationalheld, inzwischen unten auf dem Rasen angekommen und ins weisse Vereinsleibchen gekleidet.
Zwei Anhänger im gelben kolumbianischen Trikot durchbrachen die Absperrungen und liefen auf ihn zu. James nahm sie in den Arm und geleitete sie persönlich zurück. Die Festregie legte ihm mehr Bälle zum Schuss ins Publikum hin als ein Profi sonst während 90 Minuten berührt. Da warf er sie am Ende eben in die Massen.
Nichts und niemand konnte dem 23-Jährigen sein Lächeln nehmen am Tag, an dem er dort ankam, wo er immer hingewollt hatte – bei «diesem grossen Club», von dem er spätabends auf der abschliessenden Pressekonferenz voller Ehrfurcht sprach, ohne auch nur einmal den Vereinsnamen zu nennen.
Der propere James, der kühle Kroos
Das waren schon andere, emotionalere Szenen als bei der Präsentation des kühlen Deutschen Toni Kroos vier Tage zuvor an gleicher Stelle. Die Botschaft aber ist ähnlich: Mehr denn je bekommt Real als Champions-League-Titelverteidiger, was es will.
Nach dem Strategen des europäischen Erzrivalen Bayern München nun den heissesten Jungkicker des Planeten. Nach dem Weltmeister-Regisseur den WM-Aufsteiger, nach dem Ersten der Fifa-Statistiken auch den Torschützenkönig des Turniers. Wie Kroos unterschrieb James einen Sechsjahresvertrag. Zum blütenweissen Real-Trikot mit dem neuen Polo-Kragen sieht sein hübsches Jungengesicht besonders proper aus.
Strahlend, gut frisiert und potenziell glamourös – ein Spieler ganz nach Art des Hauses. Das gilt selbstverständlich auch für seine technischen Fertigkeiten, die natürliche Eleganz seines Spiels und dessen Eruptionen in Form denkmalschützenswerter Traumtore.
Seine Volleyabnahme nach Selbstvorlage im WM-Achtelfinal gegen Uruguay und sein feiner Chip im Gruppenspiel gegen Japan wurden in punkto ästhetischer Qualität gerade von der internationalen Fangemeinde zu den WM-Treffern Nummer eins und drei gewählt.
Die hofnahe «Marca» traf Volkes Träume also mal wieder auf den Punkt, als sie am Dienstag titelte: «Das elfte (Welt-)wunder.» Die Zahl dient dabei weniger als numerische Definition einer Fussballmannschaft denn als Erinnerung an das Klassenziel von neuer wie alter Belegschaft: den elften Europacup, was auch sonst.
Wo sollen die bloss alle spielen?
James, gesprochen: Chames, kommt für rund 80 Millionen Euro vom AS Monaco, er ist damit der drittteuerste Spieler der Vereinsgeschichte nach seinen künftigen Offensivpartnern Gareth Bale (100) und Cristiano Ronaldo (94). Jenseits von Madrid wurde nur in Barcelona schon mehr Geld ausgegeben, für Neymar (99, wenn man Nebenzahlungen mit einberechnet) sowie gerade jetzt für Luis Súarez, dessen Wechsel auf 81 Millionen taxierte wird.
Dass Reals Präsident Florentino Pérez wegen einer läppischen Million diesen Sommer auf seinen rituellen Transferrekord verzichtet, mag Hardcore-Fans enttäuschen, aber wenigstens stellt sich die gleiche Frage wie sonst auch nach den royalen Shoppingtouren: Wo sollen die bloss alle spielen?
Mit dem Aufstellungsbogen dürfte es jedenfalls nicht immer so harmonisch verlaufen wie bei der Nummernvergabe, bei der sich James die seit dem Abgang von Mesut Özil vakante Nummer 10 sicherte und Kroos die seit Kakás Fortzug freie 8. Dass beide für die erste Elf eingeplant sind, verraten ausserdem ihre Gehälter von sieben bzw. sechs Millionen Euro netto.
Offene Personalien: Di Maria, Khedira und der Goalie
Vom aktuellen Stammpersonal, amtierender Champions-League-Sieger immerhin, muss dafür wohl Ángel Di María weichen, den der Verein zur Gegenfinanzierung an Paris St. Germain abgeben könnte. Auch Sami Khedira steht auf der Liste von Spielern, die bei einer guten Offerte (Arsenal?) gehen dürfen.
Offen ist ausserdem noch die Torwart-Position. Ante portas wartet Costa Ricas WM-Heros Keylor Navas, letzte Saison bei Levante bester Keeper der spanischen Liga. Wer dafür von den bislang rotierenden Keepern weichen muss – ob Diego López, Klubikone Iker Casillas oder gar beide –, gilt noch als offen.
Ancelottis Projekt
Nach der anstehenden Sommertournee durch die USA wird Madrid jedenfalls mit einem Kader in die Saison gehen, der nicht nur alte Galáctico-Sehnsüchte befriedigt, sondern auch so ausbalanciert wirkt wie selten zuvor. Trainer Carlo Ancelotti, selbst ehemals ein exquisiter Mittelfeldsspieler, kann mit den beiden Neuen verstärkt an seinem Projekt tüfteln: Real von einer Kontermannschaft in ein dominant spielendes Team mit starkem Zentrum zu verwandeln. Und für die Eitelkeiten und Eifersüchteleien hat er ja seine unter den Spitzenklubtrainern wohl einmalige Humankompetenz.
Zumindest mit James sollte er da aber sowieso keine Probleme bekommen, denn der ist nicht nur neuer Superstar, sondern auch immer schon Fan seines Vereins. «Mein Traum ist jetzt Wirklichkeit», sagte er zum Ende eines Tages «den ich nie vergessen werden».
So etwas sagen Fussballer oft, aber James kann zum Beweis unter anderem die 600 Kilometer anführen, die er vorigen April in seinem Sportwagen von Monaco nach München zurücklegte, um seiner Lieblingself in der Champions League zuzusehen. Das Spiel endete 4:0. James weiss also aus eigener Anschauung, wie hoch die Messlatte liegt.