«Jedes Imperium bricht einmal zusammen»

Vor dem Klassiker FCB-FCZ, der nach 41 Jahren wieder im Cupfinal aufgelegt wird, sprechen die beiden Sportchefs über die Stellung ihrer Clubs, über die Möglichkeiten und Grenzen im Schweizer Fussball. Marco Bernet vom FC Zürich setzt am Ostermontag auf eine Cup-Tradition, Georg Heitz vom FC Basel sagt, vor die Wahl gestellt, zöge er die Meisterschaft dem Cupsieg vor.

«Lieber einen Ball verlieren als den Cupfinal» – Georg Heitz (links) und Marco Bernet. (Bild: Francisco Paco Carrascosa)

Vor dem Klassiker FCB-FCZ, der nach 41 Jahren wieder im Cupfinal aufgelegt wird, sprechen die beiden Sportchefs über die Stellung ihrer Clubs, über die Möglichkeiten und Grenzen im Schweizer Fussball. Marco Bernet vom FC Zürich setzt am Ostermontag auf eine Cup-Tradition, Georg Heitz vom FC Basel sagt, vor die Wahl gestellt, zöge er die Meisterschaft dem Cupsieg vor.

Am Ostermontag (14 Uhr) kommt es in Bern erstmals nach 1973 wieder zu einem Cupfinal zwischen dem FC Basel und dem FC Zürich. Die TagesWoche hat die beiden Sportchefs, Marco Bernet (56) vom FC Zürich und Georg Heitz (44) vom FC Basel zum Gespräch in Zürich getroffen. Beide sind noch nicht lange im Profifussball dabei. Bernet, gelernter Hochbauzeichner, begleitet seine Funktion beim FCZ erst seit Jahresbeginn 2013, Heitz, früherer Redaktor bei der «Basler Zeitung», ist seit 2009 dabei und schaut in dieser Zeit auf vier Meistertitel, zwei Cupsiege und etliche lukrative Transfers zurück.

Beide kennen sich aus gemeinsamen Zeiten in der Kommunikationsabteilung der Fifa. Für unseren Fotografen jonglierten sie mit einem Ball aus dem jeweiligen Fanshop – Heitz‘ Plastikkugel landete dabei prompt im Schanzengraben. Zwar hatte er damit daheim in Basel Erklärungsnotstand, sagte aber: «Lieber einen Ball verlieren als den Cupfinal.»

Herr Bernet, welche Erinnerungen haben Sie an die Cupfinals zwischen Ihrem FC Zürich und dem FC Basel in den 70er-Jahren?
Marco Bernet: Ich habe natürlich wunderschöne Erinnerungen an die drei Siege. Ich meine, ich sei bei allen drei im Stadion gewesen. Das war eine sehr gute Zeit für den FCZ, wir waren zusammen mit dem FCB führend im Schweizer Fussball. Und: Ein Cupfinal – das ist das Grösste.

Herr Heitz, zu diesen Finalspielen können wir Sie schlecht befragen, Sie waren noch nicht mal vier Jahre alt 1973, beim letzten Cupfinal zwischen FCB und FCZ.
Georg Heitz: Im Unterschied zu Marco, der die Blüte der beiden Clubs in den Siebziger-Jahren erlebt hat, musste ich später das Derby in der Nationalliga B anschauen. Ich bin in einer Zeit aufgewachsen, in der beide Clubs nicht so glorios dagestanden sind.

Gibt es in Ihrem Job Anerkennung für die geleistete Arbeit?
Heitz: Die gibt es immer wieder, mitunter nach einem grossen Erfolg sogar etwas übertriebenes Lob. Aber beim FCB ist es doch so: Wenn du zweimal hintereinander verlierst, dann ist der Trainer eine Pfeife und muss ausgewechselt werden, der Sportchef ist auch eine Pfeife, und wenn du nochmal verlierst, hat auch der Präsident Bernhard Heusler keine Ahnung von Fussball und muss weg. Aber das verhält sich genau gleich, wenn jemand als zweifacher Weltmeister in verantwortlicher Position wäre.

Bernet: Wir haben an einem Mittwoch gegen Thun die Finalqualifikation geschafft und am Wochenende darauf daheim gegen den Letzten Lausanne 0:3 verloren. Dann kommen Mails mit Inhalten aus der untersten Schublade. Trainer weg, Präsident weg – der Sportchef kam gar nicht vor, vielleicht nimmt man mich schon nicht mehr wahr (lacht).

Wie schafft man es, unter diesem Druck an der eigenen Linie festzuhalten und nicht den Wünschen der Öffentlichkeit nachzugeben?
Bernet: Es ist Stabilität der Führung gefragt: Bei Trainer, Präsident, Verwaltungsrat, Geldgeber. Da muss man eine einheitliche Aussage finden. Und für uns gilt, dass wir ganz klar am Trainer festhalten. Nicht einfach als Floskel, sondern effektiv am Trainer festhalten. Dann kommst du aus der Krise raus. Windfahnenpolitik bringt uns nicht weiter.

Heitz: Am Ende des Tages müssen die Verantwortlichen wissen, wohin sie wollen. Aber wir reden von Sport, von einem Spiel, in dem du halt auch einmal verlieren kannst. Deswegen muss nicht gleich alles schlecht sein. Wenn man damit nicht umgehen kann, musst du dir wirklich einen anderen Job suchen.

Bernet: Wir sind in einer anderen Situation als Basel. Der FCZ kann den Anspruch nicht haben, immer zu gewinnen. Ihr müsst ihn haben. Darum ist bei euch die Gefahr auch viel grösser, dass ihr kritisch angegangen werdet. Bei uns vertrauen die Fans vielleicht auch diesem innerzürcherischen Entwicklungsprozess.

Herr Heitz, die NZZ hat Sie neulich als Trüffelschwein bezeichnet. Wir nehmen mal an, dass Sie das als Kompliment aufgefasst haben?
Heitz: Ach (verdreht die Augen). Es klingt wie eine Floskel, aber Sie stimmt bei uns halt: Es ist am Ende Teamwork. Es kann nicht einer alleine einen tollen Transfer machen. Das geht auch beim FCZ nicht. Es sind so viele Komponenten, die stimmen müssen. Wenn der Spieler erst mal hier ist, muss er auch gut betreut sein. Es kommt auf die Mitspieler an, wie gut er integriert wird, wie der Trainer mit einem Spieler umgeht, und, und, und. Natürlich versuchen wir, Spieler zu finden, bei denen das Preis-Leistungs-Verhältnis besonders gut ist. Aber das versuchen sie in grösseren Ligen mit anderen Summen ebenfalls.

Und was heisst das für die Super League?
Bernet: Es sind fünf, sechs Mannschaften, die oben dabei sind. Eine Zäsur gab es erst mit unserer Niederlage gegen Lausanne, sonst würden wir vielleicht um den Titel mitspielen. Aber der dritte Platz bleibt hart umkämpft. Und solange dem FC Basel die hohe Belastung mit dem Europacup bleibt, sehe ich sportliche nicht die Gefahr, dass die Schere im sportlichen Bereich zu weit auseinandergeht. Im finanziellen Bereich allerdings schon.

Wir erleben derzeit eine Liga, die so ausgeglichen ist wie schon lange nicht mehr. Liegt das nur daran, dass der FCB bis vergangene Woche noch auf drei Hochzeiten getanzt hat?
Heitz: Es ist schon so, dass wir eine halbe Meisterschaft mehr spielen als die anderen. Da relativiert sich dann auch das grössere Budget, das wir zur Verfügung haben. Aber wir können als Schweizer Club nicht 25 Nationalspieler beschäftigen, weil die einen Anspruch haben zu spielen. Es ist gar nicht so einfach, eine Balance bei der Kaderplanung hinzubekommen. Und wenn wir zwei Spieler für eine Position haben und der eine, der für eine Millionen oder anderthalb geholt wurde, hat nach drei Runden noch nicht gespielt, heisst es gleich, er sei ein Flop. Um unser Programm zu bewältigen, muss man aber auch in die Breite des Kaders investieren, aber das Verständnis dafür ist nicht sehr gross.

Es gibt viele enge Spiele, der FCB hat nach seinem eigenen Geschmack vielleicht ein paar Unentschieden zu viel, er ist aber – notabene vom FCZ – erst einmal in dieser Saison national geschlagen worden. Was sagt das aus?
Bernet: Das spricht für die Routine dieser Mannschaft. Und man darf nicht vergessen, was die Spieler leisten. Das fängt beim Konkurrenzkampf innerhalb des Teams an und geht bis zur Erwartungshaltung des Publikums. Das kann schnell kippen. Ich habe Spiele in Basel erlebt, wo ich nicht hören wollte, was ich gehört habe. Da kamen nach zwei, drei Fehlpässen Pfiffe. Dabei wird häufig vergessen, dass bei der Mehrfachbelastung gar kein richtiger Trainingsbetrieb mehr aufgezogen werden kann.

Heitz: Das Programm ist schon happig, vor allem für die Nationalspieler, die noch mehr unterwegs sind. Aber unter dem Strich ist all das ja wiederum gut für die Liga: Der FCB spaziert da nicht einfach durch.

Marco Bernet: «Die erfolgreicher Basler Jahre werden enden. Irgendwann und warum auch immer.»

Wie konserviert man denn Erfolg im Fussball?
Bernet: Man muss sich bewusst sein, dass die Ära irgendwann zu Ende gehen wird. Die erfolgreichen Basler Jahre werden enden, warum auch immer. Jedes Imperium ist irgendwann einmal zusammengebrochen. Es muss ja nicht hundert Jahre dauern. Im Schweizer Fussball sind es vielleicht fünf bis zehn Jahre, die so etwas anhalten kann. Der Abstieg kann schleichend passieren, durch einen Präsidentenwechsel oder was auch immer. Wir sind uns bewusst, dass wir erst einmal Arbeit leisten müssen. In diesem Prozess nehmen wir den Cupsieg sehr gerne mit, und wenn nicht, ist das kein Unglück.

Herr Heitz, Sie werden Ihrem Kollegen widersprechen wollen bei der These vom untergehenden Imperium.
Heitz: Komplett widersprechen kann ich nicht, denn Fussball ist zyklisch. Es gibt Beispiele weitaus grösserer Clubs als dem FC Basel, denen es irgendwann nicht mehr so gut ging. Unsere Position ist nicht in Stein gemeisselt. Es gibt andere Vereine in der Schweiz, die finanzielle Möglichkeiten haben. Die Young Boys etwa. Da weiss man zwar nicht genau, wie diese finanziellen Möglichkeiten genau aussehen, aber den Ehrgeiz, Meister zu werden, haben sie.

Bernet: YB ist ein Beispiel dafür, dass der Erfolg nicht mit Geld zu kaufen ist.

Herr Bernet, mit wem haben Sie denn im Moment mehr zu tun: Mit Heliane oder Ancillo Canepa?
Bernet: Es sind beide präsent. Ancillo ist mein Ansprechpartner, wenn es ums Sportliche geht, Heliane beim Finanziellen. Sie schaut sorgfältig aufs Geld, und das ist gut so. Der Verein ist unter Kontrolle, und die Situation macht meinen Arbeitsalltag in in keinster Weise schlechter.

Wo stünde der FCZ ohne das Engagement des Ehepaars Canepa?
Bernet:
Keine Ahnung, vielleicht am gleichen Ort, vielleicht einen Rang höher oder eine Liga tiefer. Ich weiss es nicht.

Marco Bernet: «Es wird ein Spiel werden, das von gegenseitigem Respekt getragen wird.»

Nach 41 Jahren gibt es wieder den Cupfinal zwischen den grossen Rivalen FCZ–FCB wieder und es gab im Vorfeld eine grosse Diskussion um Sicherheit und Fans. Können Sportchefs etwas dazu beitragen, dass es am Ostermontag das erhoffte Fussballfest werden wird?
Bernet: Für mich beginnt der Match mit dem Anpfiff im Stadion. Alles andere rundherum ist für mich auf politischer Ebene zu lösen. Die Fans sind nicht Clubeigentum, und die Fankultur ist ein Bestandteil der Gesellschaft. Und damit ist diese auch ein Stück weit mitverantwortlich. Man kann nicht alles auf dem Buckel der Vereine abladen, aber wir werden versuchen, mit einem fairen und attraktiven Fussball unseren Beitrag zu einem Spektakel zu leisten.

Heitz: Man wird darauf achten, dass im Vorfeld die Stimmung nicht durch unbedachte Äusserungen von Spielern oder Cluboffiziellen künstlich angeheizt wird.

Bernet: Diese Gefahr besteht von unserer Seite nicht. Es wird ein Spiel werden, das von gegenseitigem Respekt getragen wird.

Irgendwie ein schöner Abschluss des Interviews. Der FCB-Ball bleibt vorerst in Zürich. (Bild: Francisco Paco Carrascosa)

Nächster Artikel