«Jungs, ich glaube daran, und ihr?» – «Natürlich glauben wir daran»

Es ist kurz vor Mitternacht. In der Interviewzone, für die Schweizer Presse unter freiem Himmel im kühlen Liverpool, sagt Marco Streller, warum sein Team besser war als die Engländer, warum viele Spieler wieder zurück zum FCB wollen – und er gesteht, dass die Mannschaft für Paulo Sousa durch das Feuer gehen würde. Eine Aufzeichnung.

Basel's head coach Paulo Sousa greets Basel's Marco Streller as he leaves the field during the Champions League Group B soccer match between Liverpool and FC Basel at Anfield Stadium in Liverpool, England, Tuesday, Dec. 9, 2014. (AP Photo/Jon Super) (Bild: Keystone/JON SUPER)

Es ist kurz vor Mitternacht. In der Interviewzone, für die Schweizer Presse unter freiem Himmel im kühlen Liverpool, sagt Marco Streller, warum sein Team besser war als die Engländer, warum viele Spieler wieder zurück zum FCB wollen – und er gesteht, dass die Mannschaft für Paulo Sousa durch das Feuer gehen würde. Eine Aufzeichnung.

Marco Streller, realisieren Sie, was sie mit dem 1:1 gegen Liverpool geschafft haben?

Das zu realisieren ist schwierig, denn es ist einmal mehr eine «Night to remember», ich bin unglaublich stolz. Es ist auch speziell, dass ich das immer wieder sagen muss, aber die erste Halbzeit war, seit ich denken kann, etwas vom Besten in der Geschichte des FC Basel. Wir sind hierhin gekommen und haben nicht auf den einen Punkt gespielt, sondern waren ganz klar die bessere Mannschaft. Und dann passieren zuweilen solche Dinge wie nach der roten Karte, das Publikum kam nochmals auf und es wurde sehr schwer. Aber wir haben hier Männer auf dem Platz, die, das darf ich jetzt nicht sagen, etwas in der Hose haben. Ich finde es cool, in dieser Mannschaft zu spielen. Immer wieder werden Spieler weggekauft und es kommen neue, es ist einfach grossartig.

Wie war es, das Ende des Spiels von der Bank verfolgen zu müssen?

Das war ganz schlimm. Die Kraft hat bei mir nicht gereicht, ich war lange verletzt und hatte jetzt in zehn Tagen drei Spiele. Deswegen war ich froh, dass wir solche Spieler einwechseln können. Ich bin nicht extrem nervös geworden. Ok, nach dem Tor von Steven Gerrard bin ich ein bisschen nervös geworden. Aber ich habe immer daran geglaubt und gewusst, die Jungs werden das durchbringen. Nochmals: Ich bin unglaublich stolz, wir haben einmal mehr in England bestanden, sind in der nächsten Runde in einer Gruppe, die eine der schwersten war, die wir je hatten, mit diesen zwei absoluten Top-Teams. Das zeigt einmal mehr, welch hervorragende Arbeit wir leisten.

«Es ist einfach supergeil, für diese Mannschaft zu spielen.»

Die Ruhe in der ersten Halbzeit war beeindruckend.

Wir hatten ein paar Kombinationen drin, die waren sensationell. Die hohen Bälle waren schwierig, das habe ich bei mir gemerkt, denn die Liverpooler sind körperlich sehr stark und drücken dich weg. Aber wenn der Ball am Boden war, sind wir extrem schnell durch die Abwehr gekommen. Das ist unser Spiel, das wir gerne spielen, dass ich sehr gerne spiele. Wir konnten sie so in Schwierigkeiten bringen.

Wenn Sie das Erreichte jetzt einordnen müssen, dann wird das langsam schwierig, oder?

Wir hatten schon derart viele Höhepunkte, aber es ist sicherlich sehr, sehr hoch einzuordnen. Weil wir erstmals auswärts bestanden haben in einem Spiel, in dem es um alles ging. In Schalke sind wir beispielsweise nicht so gut aufgetreten wie hier. Ich hatte erwartet, dass die Liverpooler kommen würden wie die Feuerwehr. Das haben wir schnell in den Griff bekommen und waren die bessere Mannschaft. Der Trainer nennt das: «Protagonist sein».

Die Handschrift von Paulo Sousa sieht man inzwischen. Was bedeutet sie genau?

Es ist ein sehr offensives Spiel, immer mit einem Akteur, der zwischen den Linien anspielbar ist. Denn er will das Spiel aktiv gestalten und den Ball flach halten, im wahrsten Sinne des Wortes. Und er ist einer, der vor der Partie in der Sitzung gesagt hat: «Jungs, ich glaube daran. Und ihr?» Unsere Antwort war: «Natürlich glauben wir daran.» Das ist ja das Spezielle. Im Vorfeld mussten wir auf dem Boden bleiben, aber ich konnte Ihnen mit gutem Gewissen sagen, dass wir weiterkommen würden. Dieses Selbstverständnis im Team ist etwas sehr Spezielles, das geht nicht von heute auf morgen. Dass wir jetzt so weit sind und auf der Insel gefürchtet werden, das ist sensationell.

«Zuerst einmal: Es werden sehr gute und clevere Transfers getätigt.»
Streller zu einem der Erfolgsgeheimnisse

Es gab in diesem Jahr aber auch schon schwierigere Phasen.

Wenn man einen neuen Trainer kriegt und er erzählt seine Philosophie, dann muss man als Spieler daran glauben. Und wenn man dann sieht, dass man damit Erfolg haben kann, dann glaubt man umso mehr daran. Dann zieht man an einem Strang, was wir sowieso immer machen. Aber wenn die Überzeugung da ist respektive die Resultate, dann glaubt man alles, was er sagt. Das ist das Spezielle am Trainerdasein: Es wird viel Wert gelegt auf Taktisches, aber schlussendlich muss die Mannschaft für den Trainer durch das Feuer gehen. Und das machen wir.

Wenn Ihnen nach der 1:2-Niederlage in St. Gallen jemand gesagt hätte, dass Sie an diesem 9. Dezember 2014 die Gruppenphase der Champions League überstehen, was hätten Sie dann gesagt?

Dann hätte ich gesagt, dass ich das auch so sehe. Wirklich, ich kenne das ja, ich erzähle nicht irgendwelchen Quatsch. Ich habe das alles erlebt und ich weiss, dass wir im Herbst immer gut sind. Und dieses Jahr haben wir zu Beginn des Jahres mehr Punkte geholt als erwartet. Das Spiel war zwar nicht sehr schön, aber im Herbst sind wir dann ins Rollen gekommen. So, wie wir das auch erwartet hatten. Wir haben immer gesagt, dass wir dieses Finale an der Anfield Road wollen – und wir haben es bekommen.

«Man sieht aber auch bei vielen Spielern, die weg gehen vom FC Basel: Sie würden manchmal nach einem halben Jahr gerne wieder zurückkommen.»

Was ist denn das Geheimnis dieser Mannschaft, was das Kader angeht?

Zuerst einmal: Es werden sehr gute und clevere Transfers getätigt. Dann haben wir eine Achse mit sehr erfahrenen Spielern und mehr oder weniger erfahrenen Spielern. Die neuen Spieler werden immer sehr gut integriert. Wir wollen ihnen das Gefühl vermitteln, dass sie hier willkommen sind und unser Vertrauen kriegen. Der Teamgeist ist sehr wichtig, wir haben innerhalb der Mannschaft nie Probleme und stehen zueinander. Man freut sich für den anderen, beispielsweise wenn der Konkurrent ein Tor macht, dann unterstützt man ihn. Das sind entscheidende Merkmale, damit man so erfolgreich sein kann. Und dann gibt es Spieler, die schon fünf, sechs Jahre dabei sind. Es sind zwar nicht viele, aber die können das den anderen auch vermitteln. Wenn man die Überzeugung hat, in England bestehen zu können, wenn man schon einmal gewonnen hat, dann macht das alles viel einfacher.

Nach Leistungen wie gegen Liverpool wird das Interesse an Fabian Frei gross sein.

Ja, es ist halt ein bisschen unser Los, dass wir vielleicht auch Fabian irgendwann verlieren werden. Das wäre sehr schade, aber wenn es sein Wunsch ist, dereinst in der Bundesliga oder in der Premier League zu spielen, dann muss man das respektieren. Dass er die Qualitäten dazu hat, darüber müssen wir nicht diskutieren. Man sieht aber auch bei vielen Spielern, die weg gehen vom FC Basel: Sie würden manchmal nach einem halben Jahr gerne wieder zurückkommen. Dass wir aber international spielen, ist ein Argument, das zieht. Dann kommen eben auch Spieler wie beispielsweise Yoichiro Kakitani, den man jetzt noch nicht so viel gesehen hat. Aber ich kann Ihnen sagen, der wird kommen, das ist ein grossartiger Spieler, den halb Europa gejagt hatte, bevor er schliesslich zu uns gekommen ist. Das spricht einfach für unseren Verein. Wir werden nicht nervös, haben eine hervorragende Führung, einen guten Trainer und eine tolle Mannschaft. Es ist einfach supergeil, für diese Mannschaft zu spielen.

Und jetzt wird gefeiert?

Ganz sicher, ganz sicher werden wir jetzt feiern. Und Sie sicher auch, vielleicht sehen wir uns ja noch.

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