«Klopp is on top»

Beinahe 200 Nationalspieler verdienen ihr Geld in der Premier League. Sie haben für die Länderspielpause eine Liga verlassen, an deren Spitze es so eng ist wie seit Jahren nicht mehr.

Britain Football Soccer - Arsenal v Tottenham Hotspur - Premier League - Emirates Stadium - 6/11/16 Arsenal's Granit Xhaka with Tottenham's Mousa Dembele Action Images via Reuters / Andrew Couldridge Livepic EDITORIAL USE ONLY. No use with unauthorized audio, video, data, fixture lists, club/league logos or "live" services. Online in-match use limited to 45 images, no video emulation. No use in betting, games or single club/league/player publications. Please contact your account representative for further details.

(Bild: Reuters/Andrew Couldridge)

Beinahe 200 Nationalspieler verdienen ihr Geld in der Premier League. Sie haben für die Länderspielpause eine Liga verlassen, an deren Spitze es so eng ist wie seit Jahren nicht mehr.

Der Premier League ist vor den anstehenden Länderspielen ein Meisterstück gelungen. Nach elf Spieltagen liegen an der Tabellenspitze die ersten vier Vereine lediglich zwei Punkte und drei Tore auseinander.

Einen solchen Stau hat es im globalen Zirkus seit der Premier-League-Gründung 1992 lediglich einmal gegeben: Vor 20 Jahren trennten den FC Arsenal nach elf Runden zwei Punkte und fünf Tore vom viertplatzierten FC Wimbledon. Meister wurde aber letztlich der Fünfte, Manchester United.

«Bleibt cool. Wer denkt, einen Punkt Vorsprung zu haben nach elf Spielen, ist ein grosses Zeichen, dem kann ich nicht helfen.»

– Jürgen Klopp, Trainer Liverpool

In den vergangenen Spielzeiten hielt sich die Titelspannung in Grenzen. Stattdessen kreiste die Aufmerksamkeit zuletzt um den 5000:1-Aussenseiter Leicester City, der sich gegen jede Prognose die erste Meisterschaft der Vereinsgeschichte sicherte. Viele Menschen auf der Insel halten das mittlerweile für eine Fata Morgana, weil Leicester nach der ersten Heimpleite (1:2 gegen West Brom) dort angelangt ist, wo die Mission der Foxes begonnen hat: in der Abstiegszone.

Der Rückstand auf die Spitze beträgt 14 Punkte. Vorne weg stürmt jetzt der FC Liverpool, gefolgt vom FC Chelsea, Manchester City und dem FC Arsenal.

Rang 1: FC Liverpool | 26 Punkte | 30:14 Tore

Der FC Liverpool ist nach 916 Tagen zurück auf Platz eins der Premier League. Auf der Insel verehren die Menschen deswegen Trainer Jürgen Klopp. Und die Zeitungen titeln: «Klopp is on top». «Bleibt cool», sagt der nur: «Wer denkt, einen Punkt Vorsprung zu haben nach elf Spielen, ist ein grosses Zeichen, dem kann ich nicht helfen.»

In Tränen aufgelöst war ja der rote Teil Liverpools, als die Reds am 05. Mai 2014 in den Schlussminuten ein 3:0 gegen Crystal Palace verspielten und die Tabellenführung abgeben mussten. An die damalige Tristesse erinnerte beim 6:1 über den FC Watford am Sonntag nichts mehr.



Britain Football Soccer - Liverpool v Watford - Premier League - Anfield - 6/11/16 Liverpool manager Juergen Klopp and Sadio Mane celebrate after the game Action Images via Reuters / Jason Cairnduff Livepic EDITORIAL USE ONLY. No use with unauthorized audio, video, data, fixture lists, club/league logos or

Gute Laune beim Tabellenführer: Jürgen Klopp hat den FC Liverpool an die Spitze der Premier League geführt.  (Bild: Reuters/Jason Cairnduff)

Innert elf Spieltagen hat Liverpool 30 Tore erzielt. Die Reds stellen den besten Angriff der Liga. Fünf Treffer in zuletzt fünf Partien kamen von Sadio Mané, Zuzug aus Southampton. Seine beiden kongenialen Partner Roberto Firmino und Philippe Coutinho weisen jeweils acht Torbeteiligungen an den vergangenen sieben Spieltagen auf. Der Clou dahinter: Diese drei nominellen Angreifer sind den Mittelfeldspielen zum Verwechseln ähnlich.

Mané, Firmino und Coutinho lassen sich leicht nach hinten in freie Zonen fallen, um der gegnerischen Viererkette zu entkommen. Dort nehmen sie die Pässe der Mitspieler auf und drehen sich schon bei der Ballannahme in die gewünschte Spielrichtung.

Jeder von ihnen hat die Gabe, mit wenigen Schritten die Geschwindigkeit des Angriffs zu erhöhen. Häufig folgen Choreographien mit schnellen, flachen Pässen, bis Liverpool eine Lücke im gegnerischen Abwehrverbund erspäht und hineinstürmt. Allerdings wurde dieses Konzept bereits lahmgelegt: von José Mourinho beim 0:0 gegen Manchester United.

Rang 2: FC Chelsea | 25 Punkte | 26:9 Tore

Das Haar ist zerzaust und die Stimme krächzt. Nach dem 0:3 gegen den FC Arsenal Ende September wirkte der Italiener Antonio Conte, Trainer des FC Chelsea, in seinem Designeranzug wie ein Dirigent, der soeben von seinem Orchester in den Wahnsinn getrieben wurde.

Der Taktikguru aus Lecce möchte am liebsten jede Bewegung des Balls, jeden Laufweg seiner Spieler bestimmen. Deswegen sagte er nach dem Spiel: «Wir sind nur auf dem Papier ein grosses Team, aber nicht auf dem Platz.»

Ein Jahr ist es her, dass José Mourinho das Team mit seinen penetranten Anweisungen, die vor allem die eigene Torsicherung zum Ziel hatten, in die untere Tabellenhälfte coachte – und sich selbst in die Entlassung. Abgesehen von dem fortlaufenden Aktionismus an der Seitenlinie hat Conte das Problem Chelseas durchaus erkannt. Seine neue 3-4-3-Anordnung entspricht offenkundig den individuellen Fähigkeiten der Spieler am meisten.



Britain Football Soccer - Chelsea v Everton - Premier League - Stamford Bridge - 5/11/16 Chelsea's Eden Hazard celebrates scoring their first goal Action Images via Reuters / Andrew Couldridge Livepic EDITORIAL USE ONLY. No use with unauthorized audio, video, data, fixture lists, club/league logos or

Eden Hazard, Feingeist im Spiel des Chelsea FC. (Bild: Reuters/Andrew Couldridge)

Speziell Feingeist Eden Hazard profitiert davon, da er nun vermehrt die linke Seite in Richtung Zentrum verlassen darf. Dort trifft er auf Torjäger Diego Costa; das Duo harmoniert prächtig. Das Team im Gleichgewicht halten dahinter Nemanja Matic und Neuzugang N’Golo Kante von Leicester City. Ein Vorteil ist auch, dass Chelsea bei der Vielzahl an Partien auf der Insel nur Zuschauer ist, wenn die europäischen Wettbewerbe stattfinden. Das hilft, den Fokus auf die Liga zu schärfen.

Seit dem Debakel gegen Arsenal gelangen fünf Siege und ein Torverhältnis von 16:0. Ein Gegenmittel hat noch kein Verein gefunden. Evertons Trainer Ronald Koeman schickte seine Mannschaft im Duell mit den Blues auch in der 3-4-3-Formation aufs Feld – und verlor 0:5.

Rang 3: Manchester City | 24 Punkte | 25:10 Tore

Pep Guardiola lehrt die Profis von Manchester City gerade den etwas anderen Blick auf ein Fussballspiel. Die Erfolge des Vereins basierten unter seinen Vorgängern auf dem typisch britischen Vorgehen: Die Angriffsmuster waren ohne erkennbare Struktur, vertrauend auf die individuelle Qualität der Protagonisten auf dem Feld.

Das wilde, auf Zufall bedachte Hin und Her zwischen den Toren widerspricht der Anschauung Guardiolas. Er möchte statt mit Dribblings durch Passspiel nach vorne kombinieren lassen, indem sein Team in Ballnähe permanent eine personelle Überzahl herstellt.



Britain Football Soccer - Manchester City v Middlesbrough - Premier League - Etihad Stadium - 5/11/16 Manchester City manager Pep Guardiola celebrates their first goal Reuters / Darren Staples Livepic EDITORIAL USE ONLY. No use with unauthorized audio, video, data, fixture lists, club/league logos or

Neues Team, fast gleicher Erfolg: Pep Guardiola steht mit ManCity zwar nicht an der Tabellenspitze, wie das an der Seitenlinie der Bayern der Fall war. Aber ein dritter Platz in der ausgeglichenen Liga kann sich sehen lassen. (Bild: Reuters/Darren Staples)

In der Offensive hat Guardiola Spieler zur Verfügung, die seinen Plan verstehen und umsetzen. Nur in den hinteren Reihen fehlt es ManCity an der technischen Qualität und dem Spielverständnis der Verteidiger, um in kniffligen Situationen die Übersicht zu bewahren.

Zu oft verfällt die Defensive noch in das Muster, den Ball hoch nach vorne zu manövrieren. Oder sie leistet sich gar einen Fauxpas durch ein missglücktes Abspiel vor dem eigenen Tor. Erst ab Neujahr hat der Katalane wieder die Möglichkeit, das Kader aufzubessern. Mit Torwart Claudio Bravo und Innenverteidiger John Stones hat er seine Abwehr im Sommer schon verstärkt.

Der unrunde Saisonstart mit zeitweise sechs Spielen hintereinander ohne Erfolg zeigt, dass Guardiola bei ManCity an der Basis beginnen musste. Die ersten Veränderungen sind bereits sichtbar, aber es fehlt auch einiges, bis ManCity spielt, wie Pep Guardiola das fordert.

Rang 4: FC Arsenal | 24 Punkte | 24:11 Tore

Wütend lief Arsène Wenger auf die am Boden liegende Trinkflasche zu. Mit seinem rechten Fuss holte er aus, um seinen Ärger über eine Schiedsrichterentscheidung beim 1:1 im Nord-London-Derby gegen die Tottenham Hotspurs zu verarbeiten.

Viele Menschen im Stadion sahen den Gegenstand in Gedanken schon von der Trainerzone aufs Spielfeld fliegen. Wenger bremste jedoch seinen Anlauf ab und berührte die Flasche so sanft, dass sie lediglich ein paar Zentimeter nach vorne rutschte. Selbst im Ärger wahrt der FC Arsenal seinen Stil.

Die Einhaltung der Etikette und die Reinheit des Fussballs gehören bei den Gunners zu den obersten Geboten. Wenger hat es geschafft, sein Team zum letzten Virtuosen unter den Branchengiganten der Premier League zu machen. Der Stil, den «Le Professeur» dem Verein auferlegt hat, ist unverwechselbar. 

Die Spieler geniessen eine Freiheit auf dem Platz, die sonst überall taktischen Zwängen erliegt. An guten Tagen gleicht dann jedes Herausspielen einer Torchance einem Gemälde. Alexis Sanchez und Mesut Özil, Arsenals Ausnahmekönner im Angriff, interagieren miteinander wie Blitz und Donner.



Britain Football Soccer - Arsenal v Tottenham Hotspur - Premier League - Emirates Stadium - 6/11/16 Arsenal's Granit Xhaka misses a chance to score Reuters / Toby Melville Livepic EDITORIAL USE ONLY. No use with unauthorized audio, video, data, fixture lists, club/league logos or

Spitzenspiel im Emirates Stadium: Granit Xhaka von Arsenal im Abschluss gegen Tottenham. (Bild: Reuters/Toby Melville)

Durch die Verpflichtung von Granit Xhaka hat Arsenal einen Wellenbrecher mehr im Mittelfeld bei Kontern der Konkurrenz. Auch die Verletztenliste hat sich deutlich reduziert. Trotzdem lässt sich die immer gleiche Spielausrichtung leicht durchschauen. Tottenhams Trainer Mauricio Pochettino wählte eine Fünferkette aus, um Arsenal zu stoppen. Eine halbe Stunde dauerte es, bis Wenger das Anlaufverhalten seiner Stürmer der neuen Herausforderung anpasste.

Bis dahin hätte Tottenham mit zwei Toren vorne liegen können. Für das Ziel, die erste Meisterschaft nach 13 Jahren zu gewinnen, gilt: Kunst, aber bitte keine brotlose Kunst.

Rang 5 und 6: Tottenham (21 Punkte | 15:6 Tore) und Manchester United (18 Punkte | 16:13 Tore)

Um die Euphorie in Liverpool wieder einzufangen, mischte sich Klopp in die Titelhochrechnungen ein. «Tottenham hat auch ein gutes Team und Manchester United darf man nie abschreiben.» Beide Vereine liegen derzeit auf den Rängen fünf und sechs.

Die Spurs haben nur fünf Punkte Rückstand auf Liverpool. Aber die junge Mannschaft kämpft mit der Mehrbelastung durch die Champions League. Der englische Rekordmeister aus Manchester verfügt mit Zlatan Ibrahimovic und Paul Pogba über Ruhm und Glanz im Kader. Ein Wiedererkennungsmerkmal, etwa in Form eines Spielstils, hat Josè Mourinho allerdings bislang nicht entwickeln können.

Deswegen gilt in der Premier League derzeit nur als garantiert, dass Leicester City nicht noch mal Meister wird.

Die Tabelle der Premier League nach elf Runden.

Die Tabelle der Premier League nach elf Runden.

Nächster Artikel