Kopfstösse, Zehennägel und ein Prozess – sieben Antworten vor dem Spitzenspiel FCB–FCZ

Die einen fügen sich beim Jubel gegenseitig Platzwunden zu, andere suchen nach Gründen, warum der FC Zürich gegen den FC Basel im Vorteil ist. Und wir beantworten vor dem Derby am Samstag (20 Uhr, St.-Jakob-Park) sieben drängende Fragen.

Marco Streller und Philipp Degen mit genähter Platzwunde, nachdem sie sich beim Jubeln in Thun gegenseitig einen Kopfstoss versetzt haben. (Bild: Keystone/Georgios Kefalas)

Die einen fügen sich beim Jubel gegenseitig Platzwunden zu, andere suchen nach Gründen, warum der FC Zürich gegen den FC Basel im Vorteil ist. Und wir beantworten vor dem Derby am Samstag (20 Uhr, St.-Jakob-Park) sieben drängende Fragen.

Der FC Zürich scheint bislang der einzige ernstzunehmende Gegner des FC Basel in der Super League zu sein. Stimmt das?

Nein, sagt Philipp Degen. Das heisst, eigentlich sagt er ja, an der Pressekonferenz an diesem Freitagmorgen. Aber dann korrigiert er eben noch so. «Der FCZ ist für mich die am besten besetzte Mannschaft … also … eine der am besten besetzten Mannschaften der Super League neben uns.» Schliesslich befällt den FCB-Rechtsverteidiger noch so etwas wie Mitleid mit den Berner Young Boys und er fügt an: «Und YB hat trotz allem auch ein gutes Kader.»

Naja. Angst vor der nationalen Konkurrenz klingt anders. Schliesslich sagt Degen auch: «Sicher ist die Qualität in unserem Kader gestiegen.»

Aber um auf die Frage von oben zurück zu kommen, so ganz unter uns: ja.

Ist das am Samstag also bereits das erste von vier meisterschaftsentscheidenden Duellen zwischen den beiden Erzrivalen?

Geht es nach FCB-Trainer Paulo Sousa, dann nicht. «Es ist zu früh für ein Schlüsselspiel», sagt der Portugiese mit Blick auf die 32 Partien, die der FCB nach dem Derby noch auszutragen hat. Aber Sousa gibt auch zu: «Solche Partien können einen Einfluss auf den weiteren Verlauf der Saison haben.»

Im Übrigen spricht der FCB-Coach nicht so gerne über die eigene Mannschaft. Aber er findet immer wieder Argumente, die, wenn nicht gleich gegen sein Team sprechen, so doch für den Gegner. Beim FCZ zum Beispiel hat er ausgerechnet, dass Trainer Urs Meier bereits 68 Spiele mit dem Team absolviert hat: «Das ist ein Vorteil für Zürich. Ausserdem hat sich die Mannschaft seit letzter Saison kaum verändert.»

Letzteres ganz im Gegensatz zum FCB, der sich im Sommer auf dem Transfermarkt ausgetobt hat und unter Sousa erst drei Pflichtspiele erlebt hat. Mannschaft und Trainer sind deswegen in Sousas Diktion erst «am Anfang eines Prozesses».

Das Wort «Prozess» scheint Paulo Sousa sehr gerne zu verwenden. Könnte «Prozess» zum neuen «kchompakcht» werden, das Ex-Ex-Ex-Trainer Christian Gross (derzeit Saudiarabien) beim FCB zum geflügelten Wort hat werden lassen?

Gut möglich. Wir beobachten das weiter.

Wie sieht eigentlich die Bilanz zwischen FCB und FCZ aus?

Aus Zürcher Sicht niederschmetternd, zumindest seit Einführung der Super League. 44 Meisterschaftsspiele, 25 FCB-Siege, 13 Remis und sechs FCZ-Siege, der letzte davon zu Saisonbeginn des Vorjahres, ein 2:1 in Basel. Zwischendurch gab es mal 20 Spiele (inklusive zweier Cupspiele) ohne Zürcher Sieg gegen den Erzrivalen. Nach langen vier Jahren und 260 Tagen wurde diese schwarze Serie am 13. August 2011 im St.-Jakob-Park mit 2:1 dank den späten Toren von Mathieu Beda (87.) und Amine Chermiti (93.) beendet.

Im neuen Format wurden seit 2003/04 elf Meister ermittelt: acht mal hiess er FC Basel, drei mal FC Zürich. Und selbst in den Zürcher Meisterjahren (2006, ’07, ’09) hatte der FCB am Ende eine positive Bilanz im Klassiker. Das war eigentlich immer so – bis zur vergangenen Saison, als der FCZ erstmals immerhin eine ausgeglichene Rechnung herstellen konnte: Dem Sieg in Basel (siehe oben) stehen zwei Unentschieden (jeweils, gähn!, torlos im Letzigrund) sowie ein Basler 4:2-Sieg im zweiten Spiel im Joggeli gegenüber. Unter dem Strich kam es sogar noch besser für die Zürcher mit dem 2:0-Finalsieg im Cup. Das heisst also: So gut wie in der Vorsaison stand der FCZ gegen den FCB in den letzten elf Jahren nie da!

In Thun war sowohl die Ersatzbank wie auch die Tribüne prominent mit FCB-Spielern besetzt. Wer spielt denn nun gegen den FCZ? Kommt zum Beispiel Walter Samuel in Frage?

Tja, nichts genaues weiss man nicht. Der Trainer gibt sich bedeckt – fast schon gewohnt bedeckt, könnte man nach acht Wochen Paulo Sousa sagen – und so kann man über die Aufstellung nur spekulieren. Mehr als ein «das werdet ihr morgen sehen», lässt sich Sousa jeweils als Gedanken vor einem Spiel nicht entlocken. (Nachher eigentlich auch nicht.)

Und Walter Samuel? Hatte am Dienstag seinen ersten Auftritt vor den Medien. Machte das freundlich, routiniert, mal auf Spanisch, mal auf Italienisch. Sass entspannt in kurzen Hosen im Mediencenter, zeigt an seinen mächtigen Waden erste Anzeichen von Krampfadern, trägt rechts am Unterschenkel ein kleines Tattoo und liess in seinen Latschen einen Blick auf die in fast 20 Jahren Profifussball ruinierten Zehennägel frei, die mal eine Pediküre vertragen könnten.

Mit einem bezaubernden Lächeln: Walter Samuel bei seinem ersten Medientermin in Basel.

Mit einem bezaubernden Lächeln: Walter Samuel bei seinem ersten Medientermin in Basel. (Bild: Meinrad Schön) (Bild: Meinrad Schön)

Er erzählte, wie er zum FC Basel gekommen ist (ein Freund, ein Schweizer, habe ihn darauf gebracht), was sein erster Gedanke war («ein ruhiger Club») und wie der Wechsel vonstatten ging: «Die Gespräche waren reibungslos, alles lief korrekt ab, eine Sache von zwei, drei Tagen, und es gab keine Gerüchte, ehe es bekannt gegeben wurde.»

Walter Samuel berichtete dann noch davon, dass die argentinische Fraktion beim FCB, zuvorderst Matias Delgado, eine grosse Hilfe sei, und auf die Frage, wie viele gute Fussballjahre er mit 36 Jahren noch in seinem Körper spüre, sagte er: «Zwei.» Lachte und grinste über beide Backen.

Und wann man ihn zum ersten Mal in einem Ernstkampf sehen wird? Tja: «Es fehlt sicher noch etwas», sagt Samuel, der aus einer langen Sommerpause zum FCB stiess, während der er sich mit einem persönlichen Coach fit gehalten hat. Er fühlt sich eigentlich schon ganz gut, «aber», sagt Samuel, «das Auge des Misters (wie in Italien die Trainer genannt werden; Anm. d. Red.) ist besser als meines.»

Die Aufregung um Marco Streller und West Ham United hat sich ja sehr schnell wieder erledigt. Der Captain bleibt, und vielleicht hängt er ja sogar noch ein Jahr dran. Aber wie sieht’s eigentlich mit anderen auslaufenden Verträgen beim FCB aus?

Die Spieler sind fast durch die Bank längerfristig an den FC Basel gebunden. Neben Strellers Vertrag läuft noch jener von Philipp Degen Ende Saison aus, und bei Fabian Schär gibt es eine Option über die laufende Saison hinaus, von der man ausgehen kann, dass der Club sie ziehen wird. Eine Option im Vertrag hat auch Arlind Ajeti, und dann ist da noch Taulant Xhaka, dessen Vertrag im Juni kommenden Jahres endet.

Das kann sich aber rasch ändern, denn der FCB hat ihm vor drei Wochen eine Verlängerung des Vertrags unterbreitet. Xhaka berät sich derzeit mit seinem Vater, und er lässt durchblicken, dass es keinen Grund gibt, nicht in Basel zu bleiben: «Natürlich würde ich gerne verlängern und weiter dazu lernen.» Vom angeblichen Interesse des Fulham FC, das jüngst mal die Runde machte, weiss er nichts.

Taulant Xhaka (24), der älterere Bruder von Nationalspieler Granit Xhaka, gehört nun schon – man staunt – seit 2003 dem FCB an. Die anderthalb Jahre, die er an GC ausgeliehen war (Januar 2012 bis Juni 2013) eingerechnet, hat er als Profi in den Hauptwettbewerben 103 Spiele absolviert (2 Tore, 3 Assists).

Genoss er schon bei Murat Yakin eine gewisse Stellung, so hat er sich unter Paulo Sousa zunächst einmal als zentraler Mann im Verteidigungsdispositiv festgesetzt. Wie das genau aussieht, erfährt die Mannschaft auch erst im Laufe einer Trainingswoche: «Wir wissen selbst nicht, wie wir spielen, das kann sich ändern, aber man merkt es dann mal im Training, in welchem System er anfangen will. Der Trainer bringt das sehr gut rüber.»

Wer hat eigentlich den härteren Dickschädel: Marco Streller oder Philipp Degen?

Das ist nicht entschieden. In Thun versuchten die beiden Teamkollegen diese Frage zwar zu beantworten. Doch nach einem etwas missratenen Jubel, der in einem gegenseitigen Kopfstoss endete, mussten beide mit Platzwunden genäht werden: Unentschieden!

Marco Streller (l.) und Philipp Degen mit genähter Platzwunde, nachdem sie sich beim Jubeln in Thun gegenseitig einen Kopfstoss versetzt haben.

Marco Streller (l.) und Philipp Degen mit genähter Platzwunde, nachdem sie sich beim Jubeln in Thun gegenseitig einen Kopfstoss versetzt haben. (Bild: Keystone/Georgios Kefalas)

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