Ein Sieg bei der Vierschanzen-Tournee bleibt Simon Ammann verwehrt. Bereits beim ersten Springen in Oberstdorf stürzt der Schweizer und scheidet aus.
Jeder, der schon einmal bei der Vierschanzentournee dabei war, kennt die geflügelten Worte, die alle Jahre wieder rund um den Schanzentisch von Oberstdorf zu hören sind. Man könne die Tournee in Oberstdorf nicht gewinnen, man könne sie ebendort aber sehr wohl verlieren, lautet eines der wichtigsten ungeschriebenen Gesetze des Schanzenklassikers.
Das sollte sich auch bei der 63. Auflage der Tournee wieder bewahrheiten. Diesmal erwischte es Simon Ammann, der seinen Traum vom ersten Gesamtsieg bereits nach dem ersten Sprung auf der Schattenbergschanze im Schnee begraben musste. Nach einem soliden Sprung auf 133 Meter verlor der 33-Jährige bei der Telemark-Landung das Gleichgewicht und plumpste kopfüber in den Auslauf.
Ammanns Probleme mit der Landung
Zwar blieb Ammann bei seinem Sturz unverletzt, der Crash schmerzt den Toggenburger aber trotzdem. Denn mit der Bruchlandung von Oberstdorf ist klar: Auch im 17. Anlauf wird Simon Ammann der heiss begehrte Tourneesieg vorenthalten bleiben, der letzte Titel, der ihm in seiner beeindruckenden Trophäensammlung noch gefehlt hätte.
Und dass der Jungvater noch einen 18. Versuch unternimmt oder gar auf den Spuren des Japaners Noriaki Kasai wandelt, der mit 42 noch immer über die Schanzen springt, ist unwahrscheinlich. «Wenn es mit der Tournee nicht klappen sollte, dann gibt es genug andere Dinge in meiner Karriere, auf die ich zurückschauen kann», hatte Ammann zuletzt in Oberstdorf bereits gemeint.
Der Umfaller, der dem vierfachen Olympiasieger diesmal in Oberstdorf passierte, war nicht der erste dieser Art. Seit jeher gehört das Landemanöver zu den Schwächen von Simon Ammann, der immer wieder Probleme hat, nach weiten Sprüngen die Haltung zu bewahren.
Schon im Dezember 2013 hatte der 33-Jährige in Lillehammer einen ähnlichen Sturz fabriziert. Auch damals war der Schweizer nach der Landung vornüber in den Schnee gekippt. Auch damals hatten heftiger Schneefall und ein weicherer Aufsprunghügel die Landung erschwert, und auch damals hatte Ammann versucht, seinen Sprung bis zum letzten Meter auszureizen und sein Risiko mit einem Köpfler bezahlt.
Es mag nur ein schwacher Trost sein, dass Simon Ammann nicht der einzige Tourneemitfavorit ist, der gleich beim ersten Wettbewerb strauchelte und die Tourneeträume vorzeitig beenden muss. Auch die deutschen Mitfavoriten Severin Freund (nur 13. mit 36,9 Punkte Rückstand) und Richard Freitag (15./40,5 Zähler Rückstand) sind vor dem Neujahrsspringen in Garmisch wohl schon aus dem Rennen um den Gesamtsieg. Der Norweger Anders Bardal (55,5 Punkte Rückstand) ist ebenfalls schon ins Hintertreffen geraten, und auch den zweifachen Tourneesieger Gregor Schlierenzauer (Rang 17) hat es in Oberstdorf erwischt.
Österreicher bleiben auch ohne Schlierenzauer Turnier-Favorit
Allerdings fällt der Fehlstart des Superstars bei den Österreichern nicht wirklich ins Gewicht. Denn auch ohne ihren flügellahmen Zugvogel machten die rot-weiss-roten Skispringer ihrem Ruf als Superadler alle Ehre und brachten gleich drei Athleten in die Top fünf – und damit in eine aussichtsreiche Position auf eine Verlängerung der Erfolgsserie. Seit 2009 hatten die Österreicher noch jedes Mal den Tourneesieger gestellt.
Nun machen mit Stefan Kraft und Michael Hayböck zwei neue Gesichter Jagd auf die begehrte Trophäe. Die beiden Zimmerkollegen waren schon über den gesamten Winter hinweg die konstantesten und stärksten Springer aus dem Team von Neo-Cheftrainer Heinz Kuttin und es schien nur eine Frage der Zeit, bis einer aus dem Duo seinen ersten Weltcupsieg landen würde. «Wenn es uns einmal nur richtig reinläuft, dann werden wir eine Menge Spass haben», hatte Trainer Kuttin vor der Tournee bereits prophezeit.
21-jähriger Kraft legt Traumflug hin
Gesagt, getan, gesprungen. Bei den widrigen Bedingungen auf der Schattenbergschanze agierte der 21-jährige Kraft im Stile eines Routiniers und liess sich weder durch Wind und Schneefall, noch durch die Halbzeitführung aus der Flugbahn werfen. Der Salzburger zeigte im Finaldurchgang, dass ihn sein Coach nicht von ungefähr zum Geheimfavoriten erklärt hatte, und landete den grössten Erfolg seiner jungen Karriere. «Das ist ein Traum, einen schöneren Zeitpunkt für den ersten Sieg kann man sich nicht aussuchen.»
Mit Kraft freute sich auch Michael Hayböck, auch wenn er das interne Duell mit seinem Zimmerkollegen verloren hat und noch immer auf seinen ersten Weltcupsieg warten muss. Mit dem zweiten Rang, dem fünften Podestplatz in Serie, sprang der Oberösterreicher allerdings in das Trikot des Weltcupgesamtführenden und ist vor allem wegen seiner beeindruckenden Konstanz und Sicherheit ein heisser Anwärter auf den Gesamtsieg.
Genauso wie auch Peter Prevc, den etwa die österreichische Skisprunglegende Anton Innauer ganz oben auf der Rechnung hat. Der Slowene hatte in Oberstdorf im Finale mit Abstand die schlechtesten Bedingungen und schaffte es dennoch mit nur acht Punkten Rückstand auf den dritten Rang. Der Pole Kamil Stoch (4.), der Österreicher Andreas Kofler (5.) und der Norweger Anders Fannemel (6.) folgen dann schon mit einem Respektsabstand.
«Die Tournee, die mag mich einfach nicht.»
Die Erfahrung lehrt freilich. Wer in Oberstdorf nicht ganz vorne landet, der wird bei der Tournee keine grossen Sprünge mehr machen. In den vergangenen 15 Jahren wurde 13 Mal ein Springer Gesamtsieger, der schon beim Auftakt im Allgäu auf dem Stockerl gestanden war.
Und Simon Ammann? Für den bewahrheitet sich einmal mehr ein Satz, den er schon vor Jahren einmal getätigt hatte. Nachdem er wieder einmal an der Tournee gescheitert war. «Die Tournee, die mag mich einfach nicht.»