Wie steht es um das Schweizer Team? Wie ist die WM-Form der Schweizer Rennläufer und Rennläuferinnen? Von wem dürfen Medaillen erwartet werden, und wer hat vielleicht das Zeug zum Überraschungsweltmeister in Vail? Eine Einschätzung.
Die Frauen – der ganze Druck lastet auf Lara Gut
Marianne Abderhalden, Charlotte Chable, Dominique Gisin, Michelle Gisin, Lara Gut, Wendy Holdener, Nadja Jnglin-Kamer, Priska Nufer, Fabienne Suter.
Speed-Disziplinen
Wer eine Ausnahmekönnerin wie Lara Gut in seinen Reihen hat, der darf nicht nur von Medaillen träumen – er sollte sie eigentlich erwarten dürfen. An einem guten Tag ist die Tessinerin eine Klasse für sich und selbst von einer Lindsey Vonn kaum zu schlagen, an einem schlechten Tag kommt sie nicht ins Ziel.
Auch in diesem Winter hat Lara Gut ihr gesamtes Repertoire präsentiert. Mit Ausfällen, aber auch mit zwei Saisonsiegen (Super G in Lake Louise, Abfahrt in St. Moritz). Der eigene Übermut und der Druck von aussen stehen der Tessinerin gerne einmal im Weg, keine Läuferin wagt und fährt in Abfahrt und Super G so enge Linien wie die Speedspezialistin aus Sorengo. Wenn es aufgeht, ist sie nahezu unschlagbar, wenn nicht, dann landet sie in der Rubrik «ferner fuhren» oder im Fangnetz.
Wird sie rechtzeitig fit? Dominique Gisin. (Bild: Keystone/ALESSANDRO DELLA VALLE)
Mit zunehmendem Alter und Erfahrungsschatz leistet sich die 23-Jährige immer weniger Aussetzer und Ausrutscher. Dazu scheint ihr die WM-Piste «Raptor», auf der in Vail die Frauen-Wettbewerbe ausgetragen werden, wie auf den Leib geschneidert. 2013 konnte Gut bei der Generalprobe sowohl den Super G als auch die Abfahrt gewinnen.
Ein Fragezeichen aber bleibt: Wie wird Lara Gut mit dem Erfolgsdruck umgehen? Im Moment lastet jedenfalls die ganze Verantwortung auf ihr. In der Frauenmannschaft von Swiss Ski im Allgemeinen, aber bei den Speedbewerben im Besonderen. Insofern wäre der Alleinunterhalterin bereits geholfen, würde sich Dominique Gisin rechtzeitig für die Speedbewerbe fit melden.
Die amtierende Abfahrts-Olympiasiegerin, die nichts unversucht lässt, um trotz eines Schienbeinkopfbruches in Vail an den Start zu gehen, könnte Gut allein mit ihrer Anwesenheit entlasten. Und möglicherweise könnte auch Nadja Jnglin-Kamer in die Bresche springen. Die 28-Jährige, in der viele Experten eine potenzielle Podestfahrerin sehen, rief sich nach einer langen Verletzungspause zuletzt mit einem sechsten Rang in der Abfahrt von St. Moritz in Erinnerung.
» Medaillenchancen: 80 Prozent
Technik-Disziplinen
Waren das Zeiten, als die Schweiz dank Ausnahmekönnerinnen wie Vreni Schneider und später Sonja Nef im Slalom und im Riesenslalom der Konkurrenz um die Ohren fuhr und Siege und Trophäen einheimste. Seit Jahren bilden diese Disziplinen nun schon die Achillesferse des Schweizer Skirennsports und die letzte WM-Medaille in einem technischen Bewerb, Gold durch Nef im Riesenslamon 2001, ist längst verjährt.
Die Slalom-Hoffnung: Wendy Holdener. (Bild: Keystone/GAETAN BALLY)
Von den Schweizerinnen in Vail einen Podestplatz zu verlangen, wäre daher vermessen. Und trotzdem wären die Ski-Experten keineswegs baff, würde im Slalom oder Riesenslalom eine Schweizerin auf dem Siegerfoto lächeln. Immerhin hat Speedspezialistin Lara Gut (fünf Podestplätze im Riesenslalom) schon bewiesen, dass sie auch das Kurvenfahren beherrscht. Und sollte sie schon in den ersten WM-Bewerben (Super G, Abfahrt) ihre Pflichtmedaille holen, dann ist ihr alles zuzutrauen.
Auch im Slalom siehts inzwischen nicht mehr so düster aus, wie noch an der letzten WM. Dank Wendy Holdener: Die 21-Jährige gilt in Slalom-Kreisen schon seit einiger Zeit als künftige Siegfahrerin. Dumm nur, dass die WM auf amerikanischem Schnee stattfindet, die besten Saison-Ergebnisse (Dritte in Kühtai, Vierte in Flachau) hat Holdener nämlich bei Rennen in Österreich geliefert.
» Medaillenchancen: 40 Prozent
Wie es in den Rocky Mountains aussieht? Ungefähr so:
Die Männer – nicht weit entfernt vom Siegerpodest
Luca Aerni, Gino Caviezel, Mauro Caviezel, Didier Défago, Beat Feuz, Carlo Janka, Patrick Küng, Justin Murisier, Sandro Viletta, Daniel Yule, Elia Zurbriggen, Silvan Zurbriggen. – Ersatz: Bernhard Niederberger
Speed-Disziplinen
Auch wenn der erste Saisonsieg in Abfahrt oder Super G auf sich warten lässt, sind die Schweizer Speedspezialisten nicht weit von der Weltspitze und den Medaillenrängen entfernt. Das hat nicht zuletzt die Heimabfahrt auf dem Lauberhorn gezeigt, als sich gleich sieben Schweizer Läufer in den Top 12 platzieren konnten. Was im Moment freilich fehlt, ist der absolute Ausreisser nach oben.
Beaver Creek ist sein Revier: Beat Feuz. (Bild: Keystone/GAETAN BALLY)
«Wenn jeder sich um das eine oder andere Zehntel verbessern kann, dann sind wir gut dabei», glaubt Alpinchef Rudi Huber. Der grösste Hoffnungsträger ist der Mann mit der längsten Krankenakte: Dass Beat Feuz nach all seinen Knieoperationen überhaupt wieder Skifahren kann, grenzt an ein Wunder. Dass das 27-jährige Stehaufmännchen nach seinem langen Leidensweg aber sogar wieder um den Sieg mitfahren kann, das hätte wohl kaum jemand für möglich gehalten.
Feuz war in diesem Winter schon in zwei Weltcup-Abfahrten Zweiter, unter anderem auch in Vail/Beaver Creek. Auf die WM-Piste «Birds of Prey» scheint der Speedspezialist aus Schangnau überhaupt abzufahren, dort stand Feuz in seiner Karriere bereits drei Mal auf dem Siegespodest.
Und auch die Formkurve der Teamkollegen zeigt rechtzeitig zum Saisonhöhepunkt nach oben: Carlo Janka fuhr in diesem Winter ebenfalls schon in die Top 3 (Dritter in Wengen) und auch Routinier Didier Defago sowie Patrick Küng schnupperten bereits an den Spitzenrängen. Es ist also durchaus nachvollziehbar, wenn SRF-Experte Bernhard Russi «mit grosser Hoffnung» nach Colorado blickt.
» Medaillenchance: 60 Prozent
Technik-Disziplinen
Es müsste schon viel zusammen kommen, dass einer aus der Schweizer Technikabteilung auf der «Birds of Prey»-Piste den Vogel abschiesst und eine Medaille holt. Zu schwach waren die Auftritte im bisherigen Winter, zu weit sind die Athleten (noch) von der absoluten Weltklasse entfernt.
Daniel Yule: Aufstrebendes Schweizer Slalom-Ass.. (Bild: Keystone/PETER KLAUNZER)
Slalomspezialist Daniel Yule zeigte zwar bei der WM-Generalprobe in Schladming (Rang 10) erneut sein Potenzial auf. Trotzdem geht es für den 21-jährigen WM-Debütanten in Vail/Beaver Creek wie für die anderen jungen Läufer im Aufgebot vorrangig um eines: Praxis und Erfahrung sammeln für die Heim-Weltmeisterschaft 2017 in St.Moritz, die vom Swiss Ski Team als grosses Fernziel ausgerufen wurde.
Im Riesenslalom war Carlo Janka einst die Nummer eins der Welt, doch der Olympiasieger (2010) und Weltmeister (2009) hat in dieser Disziplin den Anschluss verloren und lässt sein Können nur mehr sporadisch aufblitzen. Einen Hoffnungsschimmer gibt es allerdings: Den besten Riesenslalom in diesem Winter fuhr Janka ausgerechnet bei der WM-Generalprobe in Beaver Creek (Rang 7).
» Medaillenchance: 5 Prozent
Die Website der Veranstalter Die Live-Ergebnisse bei der FIS |
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Das WM-Programm von Vail/Beaver Creek | |||
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Datum | Uhrzeit (MEZ) | Geschlecht | Wettbewerb |
Di, 3. Februar | 19.00 | Frauen | Super-G |
Mi, 4. Februar | 19.00 | Männer | Super-G |
Fr, 6. Februar | 19.00 | Frauen | Abfahrt |
Sa, 7. Februar | 19.00 | Frauen | Abfahrt |
So, 8. Februar | 19.00 | Männer | Kombination, Abfahrt |
22.15 | Kombination, Abfahrt | ||
Mo, 9. Februar | 18.00 | Frauen | Kombination, Abfahrt |
22.15 | Kombination, Abfahrt | ||
Di, 10. Februar | 22.15 | Fr/Mä | Teamwettbewerb |
Do, 12. Februar | 18.15 | Frauen | Riesenslalom, 1. Lauf |
22.15 | Riesenslalom, 2. Lauf | ||
Fr, 13. Februar | 18.15 | Männer | Riesenslalom, 1. Lauf |
Riesenslalom, 2. Lauf | |||
Sa, 14. Februar | 18.15 | Frauen | Slalom, 1. Lauf |
22.15 | Slalom, 2. Lauf | ||
So, 15. Februar | 18.15 | Männer | Slalom, 1. Lauf |
22.30 | Slalom, 2. Lauf |
Kombination und Teamwettbewerb
Diese beiden Disziplinen sind die absoluten Stiefkinder der FIS und werden auch von den Athleten nicht heiss und innig geliebt, was nicht zuletzt am Weltcupkalender abzulesen ist. Die Frauen hatten in diesem Winter noch überhaupt keine Alpine Kombination, die Männer durften immerhin zwei Mal kombinieren (Wengen, Kitzbühel).
Umso schwieriger ist es auch WM-Prognosen zu stellen, denn viel hängt auch davon ab, wie die Kurse in Abfahrt und Slalom gesetzt werden, was entscheidet, ob eher Speed- oder Slalomspezialisten im Vorteil sind.
Die echten Allrounder sind vom Aussterben bedroh. Bei den Männern gibt es mit dem Franzosen Alexis Pinturault, dem Sieger der Kitz-Kombi, und dem kroatischen Altstar Ivica Kostelic noch zwei Läufer, die alle Bewerbe absolvieren. Bei den Frauen ist nur die slowenische Weltcupführende Tina Maze übrig geblieben.
Charlotte Chable – extra für den Parallelslalom im Teamwettbewerb nominiert. (Bild: Keystone/JOHANN GRODER)
Den Schweizer Läufern scheint das Format Kombination allerdings zu liegen: Sandro Viletta ist der amtierende Olympiasieger, Carlo Janka gewann vor wenigen Wochen die Lauberhorn-Kombination. Bei den Frauen darf sich Lara Gut kleine Medaillenchancen ausrechnen, sofern sie den Slalom unfall- und fehlerfrei bewältigt.
Noch offener ist der Ausgang des neuen Teambewerbs, der in einem Parallelslalom ausgetragen wird. In dieser Disziplin ist dem Zufall Tür und Tor geöffnet, weshalb der Favoritenkreis so gross ist wie in keinem anderen WM-Bewerb. Nach zwei schlechten Auftritten an den letzten Weltmeisterschaft hat sich die Schweizer Mannschaft diesmal für den Teambewerb gerüstet und mit Charlotte Chable eine Läuferin eigens für diese Disziplin nominiert. Die 20-Jährige, die erst einen Weltcupeinsatz vorweisen kann, gilt als erklärte Parallel-Spezialistin.
Medaillenchance: 50 Prozent