Lichtblick im Nebel

Das Scheitern in der Champions League trübt die Zwischenbilanz des FC Basel im nationalen Umfeld. Einerseits ist der Europacup zum Massstab der öffentlichen Wahrnehmung geworden, auf der anderen Seite gibt es eine Sehnsucht nach Sinnstiftendem. Diese merkwürdige Situation birgt auch Chancen.

Football Soccer - FC Basel v Arsenal - UEFA Champions League Group Stage - Group A - St.Jakob-Park, Basel, Switzerland - 6/12/16 General view during the match Action Images via Reuters / Andrew Couldridge Livepic EDITORIAL USE ONLY.

(Bild: Reuters/Andrew Couldridge)

Das Scheitern in der Champions League trübt die Zwischenbilanz des FC Basel im nationalen Umfeld. Einerseits ist der Europacup zum Massstab der öffentlichen Wahrnehmung geworden, auf der anderen Seite gibt es eine Sehnsucht nach Sinnstiftendem. Diese merkwürdige Situation birgt auch Chancen.

Positiv bleiben. Auf diese schlichte Floskel zog sich Urs Fischer kurz vor Mitternacht zurück. Gerade war dem FC Basel von Arsenal vorgeführt worden, was derzeit auf allerhöchstem Niveau der Champions League möglich ist. Und vielleicht war das auch deshalb schmerzhaft, weil sich just jener Tag zum fünften Mal jährte, als der FCB gegen Manchester United eines seiner kühnsten Abenteuer in der Sterneliga erlebte. 

Positiv bleiben. Das fällt manchem schwer in einem Basler Fussballherbst, in dem von Orientierungssuche und Identifikation, von fehlenden Emotionen und reichlich Übersättigung die Rede ist. Absurd eigentlich, wenn man die nationale Meisterschaft betrachtet, in der Basel 16 Spiele ungeschlagen geblieben ist. Dann gibt es in Bern die erste Niederlage, und drei Tage später ist die Sache gegen Arsenal nach einer Viertelstunde bereits gegessen.

Der kalte Nebel, der in dieser Dezembernacht in den St.-Jakob-Park kroch, passte deshalb zur Grosswetterlage rund um den Club. Es herrscht Unzufriedenheit, und das liegt auch daran, dass der FC Basel, dass die Mannschaft von Urs Fischer die Herzen der Fans nur selten zu wärmen vermochte.

Die schlechteste Europacup-Saison der letzten fünf Jahre

Das Gute am FC Basel in seiner derzeitigen Zusammensetzung ist, dass mit einer solch «relativ grossen Enttäuschung», wie Sportdirektor Georg Heitz das Aus im internationalen Wettbewerb nennt, so unaufgeregt umgegangen wird wie mit den viel besungenen magischen Nächten vergangener Jahre.

Erstmals seit 2009/10 überwintert der FCB nicht international. «Es tut weh, weil wir uns daran gewöhnt haben, im Frühjahr noch in der K.o.-Runde dabei zu sein», sagt Bernhard Heusler, «aber damit muss man rechnen. Das wird den Club und die Mannschaft nicht durchschütteln.»

Es scheint unzweifelhaft: Der FC Basel muss sich frischen Wind verschaffen.

Das vielleicht nicht. Die grossen Linien in Frage zu stellen, dafür gibt es auch keine Veranlassung. Der FCB steuert auf seinen zwanzigsten Meistertitel zu, den achten in Folge, er wird mit erheblichem Vorsprung in die Winterpause gehen und darf damit rechnen, nächsten Sommer noch einmal direkt in die Champions League einzuziehen. Vielleicht zum vorerst letzten Mal, bevor dann die Reformen in der Königsklasse zuungunsten kleinerer Verbände und Vereine greifen werden.

Der FCB, stets für den Löwenanteil an Punkten für die Schweiz besorgt, hat die schlechteste Europacup-Saison seit fünf Jahren hinter sich. Das Scheitern auf europäischer Ebene wird schwer wiegen in den Koeffizienten-Ranglisten, mit denen die internationalen Startplätze bemessen werden. Vielleicht aber wird dadurch in Zukunft auch die Erwartungshaltung zurechtgerückt, wenn eine Champions-League-Teilnahme nicht mehr als Selbstverständlichkeit, sondern wieder als Segen wahrgenommen wird.

Das Geschäftsjahr bringt neue Rekordzahlen

Noch ist der FC Basel mit aufgeblähten Segeln unterwegs. Aus dem Geschäftsjahr 2016 wird die AG mit neuen Rekordzahlen gehen: mit einem Umsatz von rund 120 Millionen Franken und einem Gewinn von gegen 20 Millionen. Da kann man nicht alles falsch gemacht haben. Der Club wird weitere Reserven schaffen können, auf die er womöglich bald einmal zurückgreifen muss, denn extraordinäre Profite aus Transfers zeichnen sich derzeit nicht ab.

Dennoch wird der FCB gut beraten sein, an ein paar Stellschrauben zu drehen. Bei aller Überlegenheit in der Schweiz, sportlich wie wirtschaftlich, fragt sich auch Bernhard Heusler: «Wie können wir den Leuten noch Freude machen?» Und eine Antwort lautet: Indem die erste Mannschaft durchlässiger gemacht wird für die eigene Nachwuchsarbeit, die sich der FCB viele Millionen Franken pro Jahr kosten lässt.

Die Sehnsucht nach Emotionen und Identifikation haben den Serienmeister in diesem Spätjahr in eine merkwürdige Situation gebracht.

Georg Heitz hat unlängst in einem Interview mit der NZZ durchblicken lassen: «Vielleicht verstopfen wir die Pipeline zu sehr, wenn wir zu viele Spieler von aussen holen.» Das muss nicht den grossen Paradigmenwechsel bedeuten, eine Abkehr vom erfolgreichen Geschäftsmodell, für das Heusler und Heitz stehen und mit dem sie den Club nach dem Abtritt von Gigi Oeri finanziell abgesichert haben. Aber die beiden Mehrheitsaktionäre sind klug genug, um Korrekturen anzubringen und einen Mittelweg einzuschlagen.

Am Mittwoch, drei Stunden vor dem Anschauungsunterricht im St.-Jakob-Park, schaffte eine U19-Auswahl des FCB eine paar Meter weiter im Leichtathletik-Stadion gegen Arsenal einen schönen Erfolg in der Youth League. Adrian Knup, Vizepräsident im FCB und für den Nachwuchsbereich zuständig, skizzierte danach die Aufgabenstellung für die Clubleitung so: «Wie viel Platz, wie viel Luft ist für junge Spieler in der ersten Mannschaft? Das werden wir in der Technischen Kommission besprechen, und der Verwaltungsrat muss es absegnen.»

Der ersten Mannschaft fehlt es am wertvollsten Gut: Speed.

Es scheint unzweifelhaft: Der FC Basel muss sich frischen Wind verschaffen. Sein Profikader ist «eher zu gross», wie Heitz einräumt, und es wird in der Winterwechselfrist ausgedünnt werden, wenn sich die Möglichkeit ergibt.

Die erste Mannschaft, auch das hat Sportdirektor Heitz bereits konstatiert, hat sich in der ersten Saisonhälfte nicht in dem Tempo entwickelt, wie das in den Führungsgremien kalkuliert worden war. Eine Mannschaft, der es auf gehobenerem Niveau unter anderem am wertvollsten Gut im modernen Fussball mangelt: Speed.

Ihr grösstes Problem scheint indes zu sein: Sie hat nicht die grossen positiven Emotionen wecken können. Die seriöse Arbeit, die Urs Fischer und seine Spieler Woche für Woche abliefern, reicht dazu nicht mehr aus. «Früher war mehr Lametta», hat dies der «Tages-Anzeiger» der Jahreszeit angemessen beschrieben.

Würde Urs Fischer übers Wasser wandeln, hiesse es: Schaut, nicht mal schwimmen kann er.

Dafür muss zuvorderst der Trainer seinen Kopf hinhalten, und das magere Abschneiden in der Champions League diente dazu, ihm von Spiel zu Spiel mehr am Zeug zu flicken. Inzwischen ist es so weit, dass Fischer übers Wasser wandeln könnte, und die Leute würden sagen: Schaut, nicht mal schwimmen kann er.

Auch wenn der Rückhalt in der Öffentlichkeit geschwunden ist: Fischer moderiert diesen Kader gut, und das sieht auch die Clubspitze. Dass das Entwicklungspotenzial nicht ausgeschöpft wurde und die Jungen forciert gehören, scheint erkannt.



Football Soccer - FC Basel v Arsenal - UEFA Champions League Group Stage - Group A - St.Jakob-Park, Basel, Switzerland - 6/12/16 FC Basel coach Urs Fischer before the match Reuters / Arnd Wiegmann Livepic EDITORIAL USE ONLY.

Leistet seriöse Arbeit, muss aber den Kopf hinhalten für das magere Abschneiden in der Champions League:FCB-Trainer Urs Fischer. (Bild: Reuters/Arnd Wiegmann)

Eine offenbar unerfüllte Sehnsucht nach Emotionen und Identifikation haben den Serienmeister in diesem Spätjahr dennoch in eine merkwürdige Situation gebracht: Das internationale Geschäft ist zum Massstab der öffentlichen Wahrnehmung geworden, das trübt den Blick auf die Zwischenbilanz in den heimischen Wettbewerben.

Und jetzt muss er – nebst der angestrebten Zahl von 10’000 Mitgliedschaften, von denen bis dato fast 9000 erreicht wurden – seine Jahreskarten verkaufen. Eine Messzahl, die für den FCB immer noch einen ähnlichen Stellenwert hat wie die Millionen aus dem Fleischtopf der Champions League.

Ein Cup-Viertelfinal so attraktiv wie ein Europa-League-Sechzehntelfinal

Vielleicht tut es deshalb auch ganz gut, sich befreit von internationalen Ambitionen auf die nationalen Wettbewerbe zu kaprizieren. Ist der Cup-Viertelfinal Anfang März im eigenen Stadion gegen den alten Erzrivalen FC Zürich nicht mindestens so attraktiv wie ein Sechzehntelfinal-Heimspiel in der Europa League? Kann ein Double, das erste seit 2012, nicht eine Herausforderung sein für einen verwöhnten Fussballstandort?

Wer damit nicht zufrieden wäre, dem kann dann auch nicht mehr geholfen werden.

 

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