Lieber Welttorhüter, mach dir nichts draus, «Herr Messi» ist furchtbar gut

Verneigen? Huldigen? Lionel Messi verzaubert die Fussballwelt. Erneut. Die Superlative sind längst ausgegangen, da muss Profaneres für die Ehrung herhalten.

Football - FC Barcelona v Bayern Munich - UEFA Champions League Semi Final First Leg - The Nou Camp, Barcelona, Spain - 6/5/15 Barcelona's Lionel Messi scores their second goal Reuters / Paul Hanna (Bild: Paul Hanna)

Verneigen? Huldigen? Lionel Messi verzaubert die Fussballwelt. Erneut. Die Superlative sind längst ausgegangen, da muss Profaneres für die Ehrung herhalten.

Lionel Messi wird ja oft als eigener Planet beschrieben, der mit niemandem ausserhalb seiner Familie so richtig kommuniziert. Das stimmt so nicht. Messi unterhält zum Beispiel eine enge Freundschaft mit Sergio «Kun» Agüero, seinem argentinischen Sturmkollegen von Manchester City. Mit dem habe er kürzlich auch über Manuel Neuer gesprochen, verriet er nun: «Dass wir ihn in der Champions League schon bezwingen konnten, aber nicht im WM-Finale.»

Zum Glück für den vierfachen Weltfussballer war nun also wieder Champions League angesagt, gegen die Bayern in der grössten Partie seit jenem Endspiel von Rio de Janeiro. Und ob es nun eine kleine Revanche für damals war, eine für die krachende Niederlage vor zwei Jahren im Halbfinale, eine an seinem ehemaligen Trainer Pep Guardiola und dessen Eigentümeleien – oder einfach nur die Erleichterung, in der 77. Minute nach langem Anrennen endlich die Abwehr der Münchner überwunden zu haben, wie er selbst sagte: So wie nach diesem 1:0 hat man Messi noch selten jubeln sehen.

«Grüssen, achten und ehren Sie den Gott des Fussballs» – höher kann Messi nicht mehr gefeiert werden.

In Erinnerung wird aber vor allem das 2:0 bleiben. «Ergeben Sie sich der Wahrheit. Haben Sie nicht den geringsten Zweifel. Grüssen, achten und ehren Sie den Gott des Fussballs»: So besang der Radiosender «Cadena Ser» das jüngste Meisterwerk eines Fussballers, für den schon vor Jahren die Superlative ausgegangen sind – und der sich trotzdem immer wieder selbst übertrifft. Wie er Jerome Boateng, einen der besten Innenverteidiger der Welt, zu Boden schickte, und Manuel Neuer, den aktuell besten Torwart der Welt, überlupfte – das war vielleicht sogar der Gesamthöhepunkt seiner 77 Champions-League-Tore.


Lionel Messi 2:0 Amazing Goal | Barcelona… von EuropeanLeagueLiveGoal 

Erst am Vortag war die Latte für den vierfachen Weltfussballer ja noch mal höher gelegt worden. Von ihm selbst, indem er sich erstmals seit fast zwei Jahren den Fragen der Medien stellte und gewissermassen Hausrecht reklamierte vor dem Wiedersehen mit Pep Guardiola. Vor allem aber auch von diesem, seinem Ex-Trainer. Geradezu obsessiv feierte der Coach seinen ehemaligen Lieblingsschüler und schlussfolgerte: «Es ist unmöglich, ihn zu stoppen.»

Eine kleiner Seitenhieb an «Herr Pep»

Ob Guardiola bewusst damit spielte oder nicht – die Elogen bedeuteten natürlich auch Druck, steigerten vielleicht sogar die Gefahr der Übermotivation. Vor diesem Hintergrund so eine Show zu liefern, unterstreicht nun umso mehr seinen Status als König von Barcelona, als hellster Stern im Fussball-Universum, vor allen anderen Spielern oder Trainern. «Herr Messi», titelte die klubnahe Sportzeitung «El Mundo Deportivo» anderntags – eine Anspielung auch auf das Buch «Herr Pep», mit dem der katalanische Journalist Martí Perarnau nach intensiver Begleitung des Bayern-Trainers in München den Guardiola-Kult verschriftlichte.

«In Deutschland ist es nie einfach zu spielen»: Messi selbst verabschiedete sich mit einem typisch nüchternen Ausblick auf das Rückspiel. Bei ihm haben Worte selten das wirklich Wichtige gesagt. Auch deshalb rätselten alle, als er vorige Saison etwas nachliess. Ein Prozess wegen Steuerhinterziehung, der Abgang seines vertrautesten Betreuers, wiederholte Muskelverletzungen – es gab viele Erklärungsversuche, und in allen steckte wohl ein Teil der Wahrheit. «Es war ein schwieriges Jahr wegen allem, was ausserhalb des Platzes passierte», gestand er kürzlich pauschal ein.

Messi sagt mit Worten selten das wirklich Wichtige.

Doch jetzt ist er wieder happy, er wird zum zweiten Mal Vater und bleibt seit Längerem von Verletzungen verschont. Schon in der Hinrunde dieser Saison näherte er sich wieder seinem Limit, und seit Januar schiebt er es konsequent weiter nach oben. Auf dem Weg zurück zu dieser Ambition half ihm womöglich auch ein Satz seines ewigen Rivalen Cristiano Ronaldo, der nach seiner dritten Auszeichnung zum Weltfussballer im Januar sagte: «Ich will Messi erreichen.» Es war der ultimative Weckruf.

77:76 heisst es in der Allzeit-Rangliste der Champions League zugunsten von Messi. Es ist ein kolossales Duell, von dem die Menschen wohl noch in Jahrzehnten sprechen werden. So wie von diesem 2:0 gegen die Bayern. So wie von dem Privileg, ihn Fussball spielen gesehen zu haben. «Wenn er inspiriert ist, dann ist er nicht zu halten», sagte Teamkollege Gérard Pique in der Nacht. «Er markiert», schlussfolgerte Ivan Rakitic, «den Unterschied zwischen einem grossen Spieler und einem einzigartigen Spieler: Es gibt keinen anderen wie Leo.» Für Pep Guardiola blieb insofern ein Trost bei seiner Heimkehr nach Barcelona: wenigstens als Prophet hatte er reüssiert.



Football - FC Barcelona v Bayern Munich - UEFA Champions League Semi Final First Leg - The Nou Camp, Barcelona, Spain - 6/5/15 Barcelona's Lionel Messi in action Reuters / Kai Pfaffenbach

Als alle dachten, der Stern sei am verglühen, drehte Lionel Messi nochmals auf – und schickt ein Danke an Cristiano Ronaldo. (Bild: Kai Pfaffenbach)

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