Raphael Wicky war nach dem Schlusspfiff eine gewisse Unsicherheit anzusehen. Der Basler Trainer, so schien es, wusste nicht so recht, wie er seinen Gesichtsausdruck unter Kontrolle halten wollte. Wie nur um alles in der Welt sollte er jetzt mit ernster Miene und Demut diesem Pep Guardiola in die Augen schauen und die Glückwünsche entgegennehmen? Schliesslich galt es trotz des 2:1-Erfolgs auswärts gegen Manchester City Haltung zu wahren gegenüber dem geschlagenen Antipoden, diesem Welttrainer aus Spanien.
Wicky sollte später vor den TV-Kameras zum Basler Coup sagen: «Das kann mir niemand mehr nehmen. Wenn ich mal Kinder habe, kann ich ihnen sagen: Schaut mal, den mit der Glatze habe ich mal bezwungen.»
Wicky schaffte es jedenfalls nicht, vor Guardiola ein Schmunzeln zu unterdrücken nach der Leistung, die seiner Mannschaft kaum jemand zugetraut hatte. Nicht nach den zwei Niederlagen in der Meisterschaft, nicht nach dem Ausscheiden im Cup gegen die Young Boys. Und schon gar nicht gegen dieses Manchester, gegen das in der Premier League kein Kraut gewachsen ist, das seit dem 3. Dezember 2016 und dem 1:3 gegen Chelsea im eigenen Stadion nicht mehr verloren hatte und gegen das noch kein Team zwei Tore erzielt hatte.
Erster Sieg in einem Achtelfinal-Rückspiel
Gut, Stoke City verlor im Etihad Stadium 2:7. Aber da unterlief Manchester City ein Eigentor. Der FC Basel machte seine beiden Treffer selbst, sehenswert dazu. In der 17. Minute erzielte Mohamed Elyounoussi nach schöner Vorarbeit von Blas Riveros das 1:1. Und in der 71. Minute traf Michael Lang nach einem nicht mehr enden wollenden Solo Elyounoussis aus spitzem Winkel zum 1:2.
Lang und Elyounoussi also, ausgerechnet zwei jener Spieler, die in dieser Rückrunde bisher noch nicht in die Spur gefunden hatten, erzielten die Tore im mit 49’411 Zuschauern nicht ganz ausverkauften Stadion. Führt man sich vor Augen, dass der FC Basel mit fünf Siegen aus acht Spielen aus der Champions League ausscheidet, offenbart sich seine Leistung in der Königsklasse. Nach 0:7- und 0:4-Niederlagen in den Jahren 2012 und 2015 gegen Bayern München und den FC Porto gewinnt der FC Basel zudem erstmals überhaupt ein Rückspiel einer Achtelfinalpaarung. Kurz: Die Basler beenden heuer die beste Saison eines Schweizer Vertreters in der Champions League.
«So kann man sich verabschieden», sagte Fabian Frei gegenüber dem SRF, «man hat die Freude gesehen auf dem Platz. City schlägt man nicht jeden Tag, das ist ein würdiger Abschluss. Und dieses Selbstvertrauen werden wir spüren in den nächsten Tagen.»
Basel trotzt Manchester Citys 1070 Pässen
Dass Basel an diesem Mittwochabend ausscheiden würde, war jedoch schon vor dem Anpfiff klar. Und wenn eine Affiche nach einer 0:4-Niederlage im Hinspiel entschieden ist, dann denkt ein Trainer halt in Etappen: nicht mehr in 90 Minuten, sondern in Halbzeiten. Wicky hatte vor der Partie gesagt, dass er schauen wolle, was im ersten Durchgang möglich sei, um dann die zweite Halbzeit mit seiner Mannschaft zu besprechen. Tatsächlich deutete sich schon nach 45 Minuten an, was für den im nationalen Championat angezählten FCB drinliegen könnte.
Manchester City, in einer Art B-Besetzung aufs Feld geschickt, war zwar in der achten Minute bereits in Führung gegangen. Gabriel Jesus’ Tor nach einer schönen Kombination über Leroy Sané und Bernardo Silva erinnerte an Manchesters beste Spielabschnitte im St.-Jakob-Park. Die Engländer hatten bei Schlusspfiff 71 Prozent Ballbesitz, brachten 970 Zuspiele an den eigenen Mann und spielten insgesamt 1070 Pässe (tausendundsiebzig!). Nur führten diese selten zu gefährlichen Szenen. Guardiola sagt: «Wir haben Pässe gespielt, nur um Pässe zu spielen.»
Eine vermisste Lockerheit kehrt zurück
Der FC Basel hielt jedenfalls dagegen, obwohl er 738 Pässe weniger spielte. Er hatte in Geoffroy Serey Dié eine Allzweckwaffe im zentralen Mittelfeld, an der Seite des abgeklärten Luca Zuffi. Er spielte mit einer Dreierkette, die Fabian Frei im Zentrum nach langer Absenz auf dem Rasen anleitete und die im Vergleich zum Hinspiel gut funktionierte. Und die Basler hatten vor allem im Torschützen und Assistgeber Elyounoussi den entscheidenden Mann für die Offensive.
Gegen Manchesters gefürchtete Offensive staffelte der FCB in einer 5-4-1-Grundordnung seine Linien mal enger, mal weiter auseinander. Gerade so, wie es die Situationen erforderten. Und die Basler strahlten eine Lockerheit aus wie kaum einmal in diesem Jahr. Wohl auch deswegen, weil sie anders als in den nationalen Wettbewerben für einmal nicht unter Siegzwang standen.
Stromausfälle und gefrorene Terrains waren in Manchester jedenfalls weit weg. Doch die Flucht aus dem Alltag endet hier. Der Fokus liegt ab sofort nur noch auf den Rasen und Plastikunterlagen der Super League, in der sich der FCB auch mit einem Sieg gegen Manchester City nichts kaufen kann. Aber er kann hoffen, dass dieser Erfolg für die Wende steht, wie das nach dem 5:0 gegen Lissabon im Herbst der Fall war.
Die Trainer-Monologe: «Wer weiss, ob wir das in naher Zukunft wieder erleben werden»
Raphael Wicky, Trainer des FC Basel:
«Ich wusste, dass etwas möglich war heute. Unrealistische Ziele habe ich nie gesetzt, und natürlich habe ich nie von einer Qualifikation für den Viertelfinal gesprochen, aber von einem guten Resultat. Wir hatten uns schliesslich schon im Hinspiel Chancen erspielt.
Wir haben versucht, den Spielern taktische Lösungen mit auf den Platz zu geben: mit dem Ball, und nicht nur verteidigend. Das Team hat die Vorgaben unglaublich gut umgesetzt. Wir haben gemerkt, dass wir Platz haben zum Spielen. Und plötzlich realisiert man, dass da etwas gehen kann. Ich hoffe, dass dieser Sieg uns Selbstvertrauen gibt.
Die Bilanz in der Champions League ist fantastisch. Damit haben nicht viele gerechnet, und jeder darf extrem stolz sein. Auch die Schweiz, denn wir spielen auch für die Schweiz. Und wer weiss, ob wir das in naher Zukunft wieder erleben werden.»
Pep Guardiola, Trainer von Manchester City:
«Wir sind so froh, zum zweiten Mal für die Viertelfinals qualifiziert zu sein. Unsere erste Halbzeit war – ausser ein paar Kontern – gut. In der zweiten Halbzeit haben wir vergessen zu spielen, das war wirklich sehr schlecht. Wir haben nur gepasst und gepasst, aber ausser Sané und Foden hatten wir keine Aggressivität, keinen Drang in der Vorwärtsbewegung. Alles war langsam und ohne Rhythmus – das ist nicht Fussball. Wir wussten, das es an Harmonie fehlen würde mit den Wechseln im Team – und es war nicht einfach, mit einem 4:0-Vorsprung in die Partie zu steigen. Aber das wird uns im Viertelfinale nicht noch einmal so gehen.»
Die Aufstellungen: ManCity ohne De Bruyne und mit neun Änderungen im Vergleich zum Hinspiel
Beim FC Basel formierte Trainer Raphael Wicky wie gewohnt in der Champions League auf eine Dreier- respektive Fünferabwehr. Diesmal mit Fabian Frei in der zentralen Verteidigung neben Marek Suchy und Léo Lacroix. Ausserdem ersetzte Blas Riveros wie schon im Hinspiel als Linksverteidiger Raoul Petretta. Im Mittelfeld kehrte Luca Zuffi wie erwartet in die Startelf zurück, und vorne setzte der Trainer auf ein junges und schnelles Trio mit Dimitri Oberlin, Mohamed Elyounoussi sowie Kevin Bua.
Bei Manchester City sass Kevin De Bruyne, der herausragende Spieler der Saison, nur auf der Bank, ebenso wie Torjäger Sergio Agüero. Auch Stammgoalie Ederson erhielt eine Pause. Im Vergleich zum Hinspiel veränderte Pep Guardiola seine Mannschaft gleich auf neun Positionen. Einzig Ilkay Gündogan und Bernardo Silva blieben von der Startaufstellung beim 4:0-Sieg in Basel übrig.
Manchester City (4-3-3): Bravo – Danilo, Stones, Laporte, Zinchenko – Gündogan (66. Diaz), Touré, Foden (89. Adarabioyo) – Bernardo Silva, Jesus, Sané.
Bank: Ederson (Tor), Walker, Otamendi, Diaz, Adarabioyo, de Bruyne, Agüero
FC Basel (3-4-3): Vaclik – Suchy, Frei, Lacroix – Lang, Serey Dié, Zuffi, Riveros – Bua (67. Stocker), Oberlin (74. van Wolfswinkel), Elyounoussi.
Bank: Salvi (Tor), Petretta, Kaiser, Manzambi, Stocker, Ajeti, van Wolfswinkel