Luzern–FCB 1:1 – und alle wollen Schuld sein

Nach einer 1:0-Führung und drückend überlegenen geführter erster Halbzeit muss sich der FC Basel beim FC Luzern mit einem 1:1 bescheiden. Schuld am Wechsel der Kräfteverhältnisse wollen am Ende beide Teams haben.

Die Basler feiern das 0:1 in Luzern. Mittendrin der Kleinste, Shaqiri, der spekatakulär mit Seitfallzieher traf. (Bild: Keystone/URS FLUEELER)

Nach einer 1:0-Führung und drückend überlegenen geführter erster Halbzeit muss sich der FC Basel beim FC Luzern mit einem 1:1 bescheiden. Schuld am Wechsel der Kräfteverhältnisse wollen am Ende beide Teams haben.

Bei Fragen nach Schuld und Verantwortung hilft es oft, sich zunächst an die von niemandem bestrittenen Fakten zu halten. In diesem Sinne: Der FC Basel spielte den FC Luzern in dessen ausverkauftem Stadion während einer Halbzeit an die Wand, ging mit einer viel zu knappen 1:0-Führung in die Pause, verlor das Spiel danach aus den Füssen und erhielt richtigerweise das 1:1.

So weit herrschte nach dem Schlusspfiff Einigkeit in der swissporarena. Aber dann ging es an die Auslegung der Ereignisse. Und wie das so ist – jeder versucht im Nachhinein die Deutungshoheit über die Historie zu erlangen. Meistens ist es der Sieger, der seine Sichtweise der Geschichte durchzusetzen vermag. In Luzern aber gab es keinen. Zumindest keinen eindeutigen.

Andreas Möller hätte es wohl trotzdem so formuliert: Vom Feeling her hatten die Luzerner nach dem Schlusspfiff ein gutes Gefühl. Denn sie waren sich ganz sicher, wer verantwortlich dafür zeichnete, dass die Partie nach der Pause derart gekippt war: Sie natürlich; klar wie Klosbrühe.

Yakin hatte viele Gründe, um umzustellen

«Ruckzuck» hätten sie die neuen Anweisungen ihres Trainers nach der Pausenansprache umgesetzt, erzählte Goalie David Zibung nach dem 1:1 mit ehrlichem Stolz in der Stimme: «Das spricht für uns.»

Tatsächlich hatte Murat Yakin sein Team nach 45 Minuten neu geordnet. Dazu war auch reichlich Anlass gewesen. Denn daran, dass es zur Pause nur 0:1 aus Sicht der Gastgeber stand, hatte eigentlich nur ein Luzerner seinen Anteil: Zibung, der sein Team mit starken Paraden im Spiel hielt.

Nach dem Seitenwechsel dann stellte Luzern um auf eine Dreier-Abwehr. Es kamen Xavier Hochstrasser und Adrian Winter, die eigentlich mit Blick auf den Cup-Halbfinal vom Mittwoch beim FC Sion geschont werden sollten. Und der zuvor in einer kreativen Rolle völlig überforderte Michel Renggli durfte aus dem Mittelfeld eine Reihe zurück rücken, um sich dem zu widmen, was er viel besser beherrscht als das Spiel mit dem Ball: das Spiel gegen den Ball.

Vogel mit drei Vierteln zufrieden

«Zwei-, dreimal» hätten sie vor der Pause Glück gehabt, gab Yakin unumwunden zu: «Aber die zweite Halbzeit war dann genau so, wie ich mir das vorstelle.» Alles klar also. Massiv verbesserte Luzerner hatten den FCB in Hälfte zwei beinahe in die Knie gezwungen. Oder vielleicht doch nicht?

Schliesslich gab es da noch die Sicht der Basler. Und auch für die war eindeutig, wer Schuld war am Umschwung der Partie nach dem Seitenwechsel: Sie selbst natürlich; keine Frage. Wenn er die Partie in Viertel aufteile, erklärte Heiko Vogel, dann sei er mit «drei Vierteln» zufrieden gewesen: «Aber was wir nach der Pause gezeigt haben, war indiskutabel.» Und auf die Frage, was denn genau indiskutabel gewesen sei in diesen 20 Minuten, setzte der FCB-Trainer noch einen drauf. Mit einem einzigen, vernichtenden Wort: «Alles.»

Oder wie es Alex Frei formulierte: «Mit der Umstellung auf eine Dreierabwehr und fünf Spieler im Mittelfeld war Luzern in Überzahl. Aber wir haben uns auch doof angestellt, haben keine zwei, drei Pässe mehr hintereinander hingebracht.» Und dann gab der Stürmer zu, dass die verlorene Spannung im Meisterrennen der Konzentration im Team eben nicht nur zuträglich ist: «Vielleicht hat eine gewisse Müdigkeit eine Rolle gespielt, die im Gefühl, dass bei 17 Punkten Vorsprung nur noch im Notfall etwas passiert, entstehen kann.»

Für beide Seiten ein Zeichen der eigenen Stärke

So arbeiteten beide Seiten fleissig daran, die Geschehnisse als Zeichen der eigenen Stärke zu interpretieren. Die Luzerner, weil sie die Schweizer Überflieger gefordert hatten. Die Basler, weil sie allein ihre eigene Nachlässigkeit für das Aufkommen der Luzerner verantwortlich machten.

Zufrieden konnten letztendlich alle das Stadion verlassen. Der FCB hat unter Vogel weiterhin kein einziges Spiel in nationalen Wettbewerben verloren und ist nun bei insgesamt 21 Ligapartien ohne Niederlage angelangt.

Die Luzerner wiederum bleiben auch so das Team, das den FCB letztmals besiegt hat: Am 20. August 2011 mit 3:1. Und sie können nach dem Unentschieden gegen den alten und kommenden Meister mit gewachsenem Selbstvertrauen in den Cup-Halbfinal gegen Sion steigen.

Genau das war die Partie gegen Basel für die Luzerner von Beginn weg gewesen: Ein Vorspiel auf die für sie wirklich wichtige Begegnung vom Mittwoch. Eigentlich schade. Denn wäre in dieser Begegnung von Erstem und Zweitem noch wirklich etwas auf dem Spiel gestanden – die mit hohem Rhythmus geführte Partie hätte wohl um einiges mehr Emotionen ausgelöst.

Und alle mögen den Schiedsrichter

Hätte, wäre, wenn. So aber konnte Heiko Vogel entspannt «eine Lanze für den Schiedsrichter» brechen, obwohl der ein elfmeterwürdiges Foul Tomislav Puljics an Marco Streller übersehen hatte. Und Murat Yakin sagte wie selbstverständlich, es sei «nicht der Zeitpunkt, um über Schiedsrichterentscheide zu diskutieren», obwohl auch seine Luzerner immer wieder Elfmeter gefordert hatten. Am Freitag hatte Yakin gemäss «Neuer Luzerner Zeitung» noch verlangt, man müsse «den Schiedsrichter auf seine Seite bringen, damit er auch blau-weiss denkt».

Bleiben wird von diesem Ostersamstag so vor allem eines: Das Führungstor des FCB durch Xherdan Shaqiri. Nach David Abrahams Flanke hatte er bereits in der 3. Minute mit einem Seitfallzieher getroffen, dem Vogel mit einem breiten Grinsen im Gesicht nur deswegen das Prädikat Weltklasse verweigerte, weil dem Abschluss «etwas die Distanz zum Tor fehlte».

«Man sieht, wieso so ein Burscht zu den Bayern kann»

Angesichts der technischen Finesse war gar David Zibung voll des Lobes: «Da sieht man schon, warum so ein 20-jähriger Burscht zu den Bayern wechseln kann.» Selten hört man einen Goalie so unbeschwert von einem eben kassierten Gegentor schwärmen. Auch ein Zeichen dafür, wie wenig diese Partie von einem wirklichen Spitzenspiel hatte.

Schön, steht dem FC Basel in einer Woche zur Abwechslung wieder einmal ein Duell bevor, in dem es einen wirklichen Unterschied macht, ob er gewinnt oder verliert. Im seinem Cup-Halbfinal als Gast des FC Winterthur.

Super League, 28. Runde
FC Luzern–FC Basel 1:1 (0:1)
Swissporarena. – 17‘000 Zuschauer (ausverkauft). – SR Kever.

Tore:
3. Shaqiri 0:1 (akrobatischer Seitfallzieher auf Flanke Abraham im Anschluss an den ersten Corner).
59. Lezcano 1:1 (drückt den Ball aus drei Metern über die Linie auf Kopfballvorlage Lustenberger).

FC Luzern: Zibung; Thiesson, Wiss, Puljic, Lustenberger (84. Sarr); Kryeziu (46. Hochstrasser), Renggli, Kukeli; Hyka, Ferreira (46. Winter); Lezcano.
FC Basel: Sommer; Steinhöfer, Abraham, Dragovic, Park; Shaqiri (88. Andrist), Huggel, Xhaka (70. Yapi), F. Frei (60. Zoua); A. Frei, Streller.

Verwarnungen: 62. Lezcano (Unsportlichkeit/Schwalbe).

Bemerkungen: Luzern ohne Stahel (verletzt), Bento, Sorgic, Strohhammer (ohne Aufgebot); FCB ohne Stocker (mit Kniebeschwerden geschont), Degen, Jevtic (verletzt), Chipperfield, Voser (im Aufbau), Pak (U21), Herzog (ohne Aufgebot).

Die Tweets zum Spiel

Direktlink zu Twitter


Nächster Artikel