Maccabi Tel Aviv ist der FC Basel des israelischen Fussballs: ein Serienmeister, der seine Herausforderungen in Europa sucht. Am Mittwoch kommt es zur dritten Begegnung mit dem FCB innert zwei Jahren. Im letzten Test verlor Maccabi den Final des israelischen Supercups – die Fans von Maccabi Tel Aviv üben sich bereits in Galgenhumor.
Der Pokal war unwichtig, nicht aber das Spiel. Trainer Slavisa Jokanovic schickte am vergangenen Samstagabend die Besten aufs Feld: den schnellen und trickreichen nigerianischen Stürmer Nosa Igiebor, den aus der Schweiz zurückgekehrten Allrounder Avi Rikan, den routinierten Verteidiger Tal Ben Haim mit zehn Jahren Erfahrung aus der Premier League.
Und natürlich seinen Star Eran Zahavi, die Lebensversicherung von Maccabi Tel Aviv. Coach Jokanovic, erst seit wenigen Wochen am Mittelmeer im Amt, machte Zahavi in entwaffnender Offenheit sogleich zur «Strategie»: Der Ball soll zum zentralen Mittelfeldspieler, auf dass der damit etwas anzufangen wisse.
In der zweiten Runde der Champions-League-Qualifikation hatte das funktioniert: Maccabi Tel Aviv reiste mit einer 1:2-Heimniederlage unter grossem Druck zum Rückspiel ins tschechische Pilsen, wo Zahavi beide Tore erzielte und sein Team mit einem 2:0-Auswärtssieg für die Playoffs qualifizierte.
Eine Verletzung wollte vor dem Spiel gegen Basel niemand riskieren
Am Samstagabend ging es für Maccabi um den Gewinn eines Wettbewerbs, der kaum Tradition hat und entsprechend wenige Zuschauer anlockt: den israelischen Supercup. 3000, vielleicht 4000 Fans unterstützten Maccabi Tel Aviv, den Doublegewinner der letzten Saison, dem deswegen dieser Pokal eigentlich kampflos hätte übergeben werden müssen.
Ein paar Hundert Fans fanden sich auf der Gegentribüne ein und feuerten den Kontrahenten an; Ironi Kirjat Shmona, ein Kleinclub aus dem Norden nahe der Grenze zum Libanon, Zweiter der abgelaufenen Meisterschaft. Maccabi Tel Aviv, das in den letzten Jahren fast alles gewann, was es im israelischen Fussball zu gewinnen gibt, machte in der Abendhitze nicht den Eindruck, auch diesen Kübel mitnehmen zu wollen.
Zu wichtig sind die anstehenden Spiele, als dass man die Gefahr von Verletzungen eingehen wollte. Es geht um die Champions League.
Währenddessen setzte der Aussenseiter aus Kirjat Shmona auf eine solide Verteidigung und wartete ab, was für Gelegenheiten sich bieten sollten. So wurde es ein ereignisarmes, dröges Spiel, aufgeschreckt von einigen plötzlichen Toren.
«EZ7», der «CR7» von Maccabi
Zahavi schoss Tel Aviv zweimal in Führung, einmal mit einem Weitschuss praktisch aus dem Stand ins hohe linke Eck, danach mit einem Zufallstreffer, als ihm der Ball ans Schienbein prallte und von dort ins Tor rollte. Kirjat Shmona glich zwei Mal aus. In der Verlängerung wurde die Luftfeuchtigkeit noch drückender, das Spiel noch zäher, Tore fielen keine mehr. Das Elfmeterschiessen wartete.
Während die ausgewählten Schützen in der kurzen Pause noch einmal ihre Muskeln dehnten, blickten zumindest die Fans von Maccabi Tel Aviv bereits voraus aufs nächste Spiel, jenes erste der entscheidenden zwei Spiele um den Einzug in die Champions League. Dort will dieser Club seit Jahren hin, dafür garantiert sein Besitzer, der kanadische Milliardär Mitch Goldhar, Saison für Saison das eindeutig höchste Budget im israelischen Fussball.
Die besten Spieler Israels spielen in Gelb-Blau, in den Farben von Maccabi, allen voran Eran Zahavi, der vor knapp drei Jahren vom Lokalrivalen Hapoel Tel Aviv losgeeist wurde – allein das schon ein kaum zu vergebender Affront für die in inniger Feindschaft verbundenen Anhänger dieser beiden Clubs.
Mittlerweile ist Zahavi Captain bei Maccabi und mit Abstand bestverdienender Fussballer der Liga, der seinen eigenen Merchandising-Brand führt: «EZ7», in Anlehnung an den grossen «CR7» von Real Madrid. Es gibt israelische Sportjournalisten, die halten Zahavi für einen der besten drei Spieler, den Israels Fussball je hervorgebracht hatte.
«Alles ausser Basel»
Zahavi machte sich auf zum Strafraum, um als erster seinen Elfmeter auszuführen und den Vorteil auf die Seite seines Teams zu ziehen, während seine Fans auf den Rängen noch ihr Lied fertig sangen. «Basel, was ist das?», lautet die erste Zeile. Ein nicht gerade tiefsinniger Vierzeiler, der von einem Vergleich zwischen den beiden Städten handelt und mit dem die Maccabi-Fans in selbstironischer Weise ihrer Rivalität zu jenem Club frönen, der ihnen in den letzten Jahren mehrmals die Tür zu grösseren europäischen Weihen verschloss: der FC Basel.
«Basel ist das Beispiel, wie wir als Club sein wollen», sagte Adam Polo, der an diesem Samstagabend ebenfalls auf den dünn besetzten Rängen stand. Polo ist Maccabi-Fan, schon «sein Leben lang». Als Knabe nahm ihn sein Vater ins Bloomfield-Stadion im Süden von Tel Aviv mit, da war er vier Jahre alt.
Heute ist er 31, arbeitet als Business-Analyst in der IT-Branche und geht noch immer an alle Spiele, daheim und auswärts, und wenn das Spiel wichtig ist, dann reist er auch an die Destinationen in Europa. Zweimal flog er in den letzten beiden Jahren deswegen nach Basel, beide Male endete die Begegnung mit dem FCB mit einer Enttäuschung.
«Rak lo Basel», lautete daher einer der häufigsten Hashtags auf den Twitter-Kanälen der Maccabi-Fans vor dem 7. August, als die Playoffs für die Gruppenphase der Champions League ausgelost wurden. «Alles ausser Basel.»
«Tragödie», «Heimsuchung», «Nemesis»
Astana aus Kasachstan, der weissrussische Vertreter Bate Borissow, ja sogar der Traditionsverein Celtic Glasgow – sie alle wären Teams gewesen, denen man an einem guten Abend auf Augenhöhe begegnet wäre, sagt Polo. Und dann wurde es wieder der Schweizer Serienmeister.
«Bei 0.25 Prozent lag die Wahrscheinlichkeit, dass man bei drei Auslosungen dreimal auf den FC Basel trifft», sagt Polo mit fatalistischem Lachen. Sie haben sogar die Taschenrechner zur Hand genommen, die Fans von Maccabi Tel Aviv.
Als «Heimsuchung» benennt die israelische Sportpresse mittlerweile den FCB, als «Tragödie» bezeichnet der Fan Adam Polo die erneute Begegnung mit der «Nemesis» vom Rhein, und Trainer Jokanovic sagte nach der ernüchternden Hauptprobe zu den israelischen Journalisten in den leeren Gängen des Netanya-Stadions, was man als Trainer in so einer Situation eben sagen kann: Sein Team sei noch nicht eingespielt, vor dem Tor treffe man die falschen Entscheidungen, Fehler werden hart bestraft – «und im nächsten Spiel noch härter».
Ein Auswärtstor müsse fallen in Basel, zwingend – aber Maccabi habe die Qualität dazu.
Kein Auftritt, der Hoffnung macht
Er kann nur einen gemeint haben: Eran Zahavi. Als dieser anlief, um sein Team im Elfmeterschiessen in Führung zu bringen, schoss er scharf, aber unplatziert in die Mitte, der Torwart hielt und begann bereits zu jubeln, aber der Schiedsrichter pfiff ihn zurück: zu früh bewegt. Zahavi konnte noch einmal anlaufen, zielte diesmal tief in die rechte Ecke. Der Torwart hielt erneut.
Ironi Kirjat Shmona trug mit dem Endresultat 7:6 den Supercup-Pokal davon, Zahavi und sein Team liessen die Köpfe hängen. Kein Sieg und kein Auftritt, der Hoffnung macht, dafür 120 Minuten und Krämpfe in den Beinen.
Und vier Tage später wartet Basel.
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