Es geht nicht immer alles auf, so wie beim 1:1 am Sonntag in St. Gallen. Aber die Partie im Schatten des Europacup-Clashs mit Tottenham Hotspur verdeutlichte einmal mehr, was FCB-Murat Yakin seinen Spielern abverlangt.
Es gab, erzählt Fabian Frei, schon verwunderte Gesichter, als Murat Yakin am Sonntagmorgen beim Spaziergang der Mannschaft seinen Matchplan eröffnete. Fünf eigentliche Zentrumsspieler nominierte der FCB-Trainer für St. Gallen, womit vor dem Anpfiff zumindest für Aussenstehende nicht ersichtlich war, wer die Flügel besetzen sollte.
Ein paar Rätsel aufzugeben, das scheint Murat Yakin zu lieben. Und auch seine eigene Mannschaft bleibt davor nicht gefeit: «So kennen wir ihn ja», sagt Fabian Frei, «aber ich vertraue ihm voll und ganz.» Es vor allem dem Gegner nicht zu einfach zu machen, sich auf den FC Basel einzustellen, das ist wie ein Mantra des Murat Yakin. Erst am Freitag, nach der Rückkehr vom Aufsehen erregenden Tottenham-Match, hat er wieder von der taktischen Flexibilität gesprochen, die er vor allem den zentralen Spielern abverlangt.
Die Veränderung als pure Absicht
«Das war mir», hob er zu einem Erfahrungsbericht von der anderen Seite an, «gegen Basel immer zu einfach. Da wusste man vorher immer schon genau, wie die Mannschaft spielen würde.» Er will diese Einschätzung aus der Zeit, als er noch Trainer in Thun und Luzern gewesen war und die FCB-Trainer Fink und Vogel hiessen, ausdrücklich nicht als Kritik an seinen Vorgängern verstanden wissen. Aber seine Vorstellung vom Spiel ist eine andere, und er etikettiert sie mit einem Satz: «Wir spielen modernen Fussball.»
26 Spiele hat die Mannschaft nun unter Yakin absolviert, gefühlt 26 verschiedene Aufstellungen würfelte der Trainer zusammen, zumindest hat noch keine Startelf zwei Spiele hintereinander bestritten. Was zum einen notgedrungen war, weil gesperrte, verletzte oder angeschlagene Spieler zu ersetzen waren. Zum anderen pure Absicht des Trainers.
«Fussball denken, nicht nur spielen»
Damit hat er erreicht, dass in dem grossen Kader des FC Basel eine Konkurrenzsituation entstanden ist wie vielleicht noch nie. Zumal der FCB gerade den Luxus geniesst, keine ernsthaft verletzten Spieler beklagen zu müssen. «Das Tolle an meiner Arbeit ist, dass ich derzeit alle bei Laune halten darf», hat Yakin der «Sonntagszeitung» gesagt.
Nachdem nun in London auch noch Markus Steinhöfer – ihm war das selbstredend zuzutrauen als Mitglied jener Mannschaft, die Manchester United vor einem Jahr in der Champions League widerstanden hat – und der ins kalte Wasser geworfene Kay Voser funktioniert haben als Aussenverteidiger, kann Yakin nach sechs Monaten beim FCB feststellen: «Jeder Spieler hat seine Chance bekommen – und hat sie auch genutzt.» Deshalb spricht der Trainer Mitte April von «20 Stammspielern».
Und diesen verlangt er einiges ab an Anpassungsfähigkeit und geistiger Beweglichkeit. «Es ist Fussball denken, nicht nur Fussball spielen», meint Fabian Frei, dem – nicht nur, weil er ein kluger 24-jähriger Mann ist, einiges strategisches Geschick auf dem Fussballplatz nachgesagt werden kann. «Ich verstehe die Sprache des Trainers, und ich verstehe auch seine Ideen. Unter Heiko Vogel haben wir ein System gespielt und versucht, dieses zu perfektionieren. Bei Murat Yakin sollte man immer gut zuhören.»
Die Flügel waren in St. Gallen eindeutig unterdotiert
Mutig will Yakin seine Spieler auf dem Platz sehen, sie sollen bei allem defensiven Gewissen, das er ihnen auferlegt hat, etwas risikieren. Und das beinhaltet dann auch mal die Aufgabenstellung wie in St. Gallen. Weil, was sehr nachvollziehbar ist, Valentin Stocker und Mohamed Salah für das kapitale Rückspiel in der Europa League am Donnerstag gegen Tottenham Hotspur geschont wurden, hiess das, aus fünf Zentrumsspieler ein Spiel aufzuziehen, bei dem die Flügel – unter dem bewussten Verzicht auf David Degen oder Jacques Zoua – eindeutig unterdotiert waren.
Über Ballbesitz und den langen Ball sollte operiert werden auf einem vom Winter gezeichneten Platz. Mit dessen erbärmlichem Zustand hatten die Basler nicht gerechnet. «Wir haben nicht gewusst, dass er so schlecht ist», sagt Fabian Frei, «das soll keine Entschuldigung sein, aber Fussball spielen konnte man darauf nicht – zumindest keinen schönen.»
«Wir können mit dem Punkt gut leben»
Über das Unentschieden in der AFG-Arena wollte sich Frei nicht allzu sehr den Kopf zerbrechen. «Okay, das eine oder andere hat nicht so gut funktioniert. Aber deswegen muss man nicht gross auf Fehlersuche gehen. Wir haben nicht verloren, und damit können wir gut leben.» Den Punkt beim Tabellendritten betrachtet er als «gewonnenen Punkt», schliesslich könne man nach dreiviertel der Meisterschaft von den Sankt Gallern nicht mehr als Aufsteiger reden: «Sie stehen zurecht da, wo sie stehen.»
Neun Spiele in Serie sind die Basler nun in der Super League ungeschlagen bei zwei Unentschieden. 23 von 27 möglichen Punkten haben sie seit der letzten Niederlage im November in Thun eingeheimst, und man kann beim Parallellauf im Europacup wahrlich nicht behaupten, sie hätten ihre Hausaufgaben in der Meisterschaft vernachlässigt. Mit einem Punkt Vorsprung in der Tabelle wird der FC Basel nächsten Sonntag in den Heimmatch gegen den FC Zürich gehen. Und das dann vielleicht mit der zusätzlichen Euphorie eines Halbfinalisten in der Europa League.
Fabian Frei stimmte sich schon am Sonntagabend in St. Gallen auf den Donnerstag und den ausverkauften St.-Jakob-Park ein: «Ich freue mich, dass so viele Leute kommen.» Und er wird wieder genau zuhören, wenn Murat Yakin der Mannschaft seinen Plan gegen Tottenham präsentiert.
Wie für den FC Basel die Partie in St. Gallen, so war auch für Tottenham das Heimspiel gegen Everton der 47. Pflichtmatch in dieser Saison. Auch er endete Unentschieden, auch Tottenham kam wie Basel in St. Gallen aus einem Rückstand zum Punkt, durch das Ausgleichstor von Gylfi Sigurdsson drei Minuten vor Ende der regulären Spielzeit. Der selbe Isländer also, der am Donnerstag als (starker) Einwechselspieler gegen den FC Basel das 2:2 erzielt hatte.
Im Gegensatz dazu ging Tottenham diesmal durch den umstrittenen Emmanuel Adebayor in Führung, da hatte sich der Sekundenzeiger noch nicht einmal gedreht. Andre Villas-Boas hatte seine Startelf auf sechs Positionen verändert – notgedrungen auch, weil Gareth Bale, Aaron Lennon und William Gallas verletzt sind. Er brachte wieder Frankreichs Nationalkeeper Hugo Lloris, der beim 1:1 nicht gut aussah. Der Trainer der Spurs stellte drei neue Verteidiger auf, wobei Jan Vertonghen wie schon in der Schlussphase gegen Basel linker Verteidiger spielte und das 1:0 vorbereitete. Und auf den Flügeln begannen der Deutsche Lewis Holtby links und der US-Amerikaner Clint Dempsey rechts.
Durch das späte Ausgleichstor fühlten sich die Nordlondoner wenigstens für ihren grossen Aufwand nach der Pause belohnt, der allerdings in wenig konkreten Torchancen gemündet hatte. Villas-Boas preist seine Spieler für die Intensität ihres Auftritts, fordert Kredit für sein Team und spricht von einer «grossen Chance», die am Donnerstag in Basel wartet.
Die Spur haben den direkten Qualifikations-Platz für die Champions League wieder an Chelsea (2:1 gegen Sunderland) verloren, sie haben Arsenal (2:1 bei West Bromwich) wieder im Nacken und Everton nicht abgeschüttelt. Aber sie können nun alle Kräfte auf das Rückspiel konzentrieren. Ihr anschliessendes Premier-League-Spiel bei Chelsea wurde verschoben, weil der Abramowitch-Club am Wochenende den FA-Cup-Halbfinal spielt. (cok)
Premier League, 32. Runde
Tottenham Hotspur–FC Everton 2:2 (1:1)
White Hart Lane. – 36’192 Zuschauer. – SR Marriner.
Tore: 1. Adebayor 1:0, 15. Jagielka 1:1, 53. Mirallas 1:2, 87. Sigurdsson 2:2.
Spurs (4-1-4-1): Lloris; Walker, Caulker, Dawson, Vertonghen; Parker (Carroll, 87); Dempsey, Dembele (Huddlestone, 76), Holtby, Sigurdsson; Adebayor. – Nicht eingesetzt: Friedel, Assou-Ekotto, Naughton, Ceballos, Livermore.
Everton: Howard; Coleman, Distin, Jagielka, Baines; Gibson, Heitinga; Barkley (Jagielka, 52), Osman, Mirallas (Naismith, 86); Anichebe.
Tottenham 2-2 Everton Highlights 07/04/2013 from IFI on Vimeo.