Manchester City: Eineinhalb Querulanten zuviel

Manchester United ist in der Premier League dank eines brillianten Paul Scholes der 20. Titel wohl nicht mehr zu nehmen – und Manchester City muss mal wieder den Mist beiseite räumen, den das enfant terrible Mario Balotelli hinterlässt.

Mario Balotelli nimmt zu Alex Song Kontakt auf, den er gerade reichlich brutal gefoult hat. (Bild: Reuters/STEFAN WERMUTH)

Manchester United ist in der Premier League dank eines brillianten Paul Scholes der 20. Titel wohl nicht mehr zu nehmen – und Manchester City muss mal wieder den Mist beiseite räumen, den das enfant terrible Mario Balotelli hinterlässt.

Mario Balotelli war schon in der Kabine, als die Kollegen nach Manchester Citys endgültigen Zusammenbruch im Titelrennen frustriert auf dem Rasen des Emirates-Stadion kauerten – und das war vielleicht besser so. Den einen oder anderen dürfte es in Erinnerung an Roberto Mancinis Worte vor dem 0:1 (Tor: Mikael Arteta, 87.) beim FC Arsenal am Sonntag nämlich stark in den Finger gejuckt haben. «Wenn ich mit ihm vor zehn Jahren zusammen gespielt hätte, hätte ich ihm jeden Tag eine auf den Kopf gehauen», hatte Citys Trainer offen zugegeben, in der Hoffnung, dass die verbalen Hiebe den unter der Woche mal wieder mit allerhand Blödsinn (Autounfall, Affäre mit einer Prostituierten) aufgefallenen  Problemstürmer rechtzeitig zur Einsicht bringen würden.

Balotelli aber zeigte beim kapitalen Spiel gegen die Gunners am Ostersonntag eine an Hirnlosigkeit kaum zu überbietende Vorstellung. Nach nur zehn Minuten trat der 22-Jährige Alex Song mit knochenbrechender Bosheit gegen das Schienbein. Schiedsrichter Martin Atkinson übersah die Attacke, zückte aber in der Nachspielzeit die Gelb-Rote Karte, als der Angreifer Gegenspieler Bacary Sagna zum dritten Mal völlig unmotiviert zu Boden brachte.

Es war der letzte Balotelli-Knall in einer Saison, die der «Guardian» als «Portfolio des Wahnsinns» bezeichnete – nicht mehr spielentscheidend, und doch von einer aberwitzigen Symbolkraft. Die prächtig besetzten, von den vielen Partien und Kabinenkontroversen  aber  müde gewordenen Hellblauen liessen in der entscheidenden Phase Intelligenz und Nervenstärke vermissen. Man stand sich, wie schon so oft in der an Missgeschick und Unglück reichen City-Geschichte, letztlich selbst im Weg, wenn auch auf  stark gestiegenem Niveau. Mit «Mad Mario« («Sun») und dem gerade erst von einem sechsmonatigen Streik heimgekehrten Carlos Tévez hatte man mindestens eineinhalb Querulanten zuviel im Kader.

Brillanter Altmeister Scholes

Für Manchester United avancierte dagegen ausgerechnet der ruhigste, unscheinbarste Superstar der vergangenen Dekade zum Schlüsselspieler. Beim 2:0-Sieg gegen früh dezimierte Queens Park Rangers (Elfmeterschwalbe von Ashley Young, Rote Karte für Shaun Derry, 14.), brillierte abermals der 37-Jährige Routinier Paul Scholes im Mittelfeld und erzielte den zweiten Treffer mit einem Weitschuss (68.).

United hatte Anfang Januar drei Punkte Rückstand auf City, als Alex Ferguson den als Jugendtrainer arbeitenden Mittelfeldspieler auf dessen überraschende Bitte hin reaktivierte. Von den zwölf Ligaspielen seit seiner Rückkehr gewannen die Roten elf und spielten einmal unentschieden; acht Punkte Vorsprung an der Tabellenspitze lassen nun nur noch die Frage offen, wann man die 20. Meisterschaft feiern kann. «Die Dame mit den Gewichtsproblemen setzt schon zum Solo an», schrieb der «Daily Telegraph».

Eine unoriginelle Saison

Sir Alex rühmte den rampenlichtscheuen Scholes als «grossartigen Spieler», der «Kontrolle über Tempo und Spiel»  wie kein Zweiter ausübe. Die grosse Wirkung des Veteranen-Comebacks erzählt natürlich auch ein wenig von Uniteds geschwundener Brillanz in der Zentrale. Doch die schlichte Effizienz des Scholeschen Passpiels brachte exakt jene Struktur, die dem von Yaya Tourés Kraft und Geistesblitzen der Offensive befeuerten City dauerhaft fehlte. Zusammenhalt und Routine schlagen unfokussierten Individualismus, das bleibt als das nicht übermässig originelle Fazit einer leicht enttäuschenden Saison auf der Insel stehen.

Für Balotelli und Mancini ist die Geschichte damit aber noch nicht zu Ende. Der Stürmer werde bis zum Sommer nicht mehr zum Einsatz kommen, sagte der Trainer. Er brauche Spieler, denen er vertrauen könne, zudem rechnete er wegen des Fouls an Song mit einer zusätzliche Sperre durch den Verband. Ob hier der Videobeweis zum Tragen komme? «Ich hoffe es,» sagte der 47-Jährige.  Den Verkauf des Angreifers im Sommer bezeichnete er als «wahrscheinlich».

Mancincis 24-Millionen-Störfaktor

Balotelli hatte gegen Arsenal ein T-Shirt mit der Aufschrift «YOLO» unter seinem Trikot getragen, eine Abkürzung für «You only live once», man lebt nur einmal. Die Tragik des hoch-talentierten Kindskopfes ist jedoch, dass er nicht um die Sterblichkeit einer Fussballkarriere weiss. «Ich liebe ihn als Typen, er könnte mein Sohn sein, aber wenn er sich nicht ändert, verschwendet er sein Talent und ist in zwei, drei Jahren erledigt», prophezeite der völlig entnertve Mancini.

Seine unerklärliche Inkonsequenz im Umgang mit dem 24-Millionen-Euro-Störfaktor von Inter könnte ihm in der Nachbetrachtung durch die Eigentümer noch selbst zum Verhängnis werden. Mancinis Abend an der Themse war komplett hinüber, als er die Einschätzung von Real-Madrid-Coach José Mourinho teilen musste – die jenes Mann also, der ihn bei Inter beerbt hatte und jetzt mit einem Auge auf das City-Amt schielt. Ja, Balotelli sei, wie von Mourinho beobachtet, anscheinend wirklich «untrainierbar», gab Mancini kleinlaut zu. Das hätte er nach zwei gemeinsamen Jahren im San Siro auch schon früher wissen dürfen.

 

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