Michael Chang: «Als Trainer ist man ein Schauspieler, der ein Pokerface aufsetzt»

Michael Chang ist einer der vielen Ex-Stars, die im Spitzentennis als Trainer engagiert worden sind. Vor dem Viertelfinal-Duell in Melbourne zwischen seinem Schützling Kei Nishikori und Stan Wawrinka erklärt der 42-jährige Chang im Interview, warum er es nicht schätzt, wenn während des Spiels fragende Blicke des Spielers zum Coach wandern.

Michael Chang, former tennis player and current coach of Kei Nishikori of Japan, smiles after watching Nishikori defeat David Ferrer of Spain in their men's singles fourth round match at the Australian Open 2015 tennis tournament in Melbourne January 26, 2015. REUTERS/Issei Kato (AUSTRALIA - Tags: SPORT TENNIS) (Bild: Reuters/ISSEI KATO)

Michael Chang ist einer der vielen Ex-Stars, die im Spitzentennis als Trainer engagiert worden sind. Vor dem Viertelfinal-Duell in Melbourne zwischen seinem Schützling Kei Nishikori und Stan Wawrinka erklärt der 42-jährige Chang im Interview, warum er es nicht schätzt, wenn während des Spiels fragende Blicke des Spielers zum Coach wandern.

Michael Chang (42) gehörte zur goldenen Generation des US-Tennis, die in den 80er-und 90er-Jahren den Sport dominierte. Unvergessen ist bis heute sein French-Open-Sieg 1989, allem voran sein legendärer Achtelfinalerfolg gegen Ivan Lendl. Nun ist Chang in die Reihe der Supercoaches getreten, die in der Szene für Aufsehen sorgen. Sein Schützling Kei Nishikori wird als mögliche Nummer 1 der Zukunft gehandelt, im Australian-Open-Viertelfinale spielt der Japaner gegen Titelverteidiger Stan Wawrinka.

Michael Chang, Sie haben aussergewöhnliche Monate mit Ihrem Schützling Kei Nishikori hinter sich, der das US-Open-Finale erreichte und nun auch in Melbourne im Viertelfinale steht? Was ist das Geheimnis dieses Erfolgs?
Michael Chang: Spitzentennis ist vor allem auch eins: Ein Kampf der Köpfe. Wer hat den stärkeren Willen, den stärkeren Geist. Und hier hat Kei gewaltige Fortschritte gemacht. Er hat früher zu oft an sich gezweifelt, hat sich nicht bedingungslos vertraut. Das ist jetzt ganz anders. Er will nicht nur gut mitspielen mit den Grossen, auf Augenhöhe sein mit ihnen. Sondern er geht raus auf den Platz mit der Haltung und dem Vorsatz: Die kann ich schlagen.

Wie Michael Chang bei den French Open von 1989 in die Tennis-Geschichtsbücher einging:

Sie haben einmal erwähnt, dass Nishikori früher fast wie ein Fan über Roger Federer sprach – und dass Sie das erheblich störte.
Wir wissen alle, was Roger Federer im Tennis erreicht hat und was er fürs Tennis bedeutet. Aber für einen Profispieler gibt es natürlich Grenzen, denn dieser Federer ist mein Gegner. Wenn ich mit ihm auf den Platz gehe, will ich gewinnen gegen ihn – aber dafür muss ich auch ein professionelles Verhältnis zu ihm haben. Das hat Kei dann auch verstanden.

Diesen Glauben an sich selbst hat Nishikori beim Finaleinzug in New York erstmals so richtig ausgestrahlt, es wirkte wie ein Durchbruch.
Es machte mich einfach glücklich, ihn so spielen zu sehen. Da stand jemand auf dem Platz, der eine Siegermentalität verkörperte, der auch nicht im Geringsten zurückzuckte gegen einen Nummer-1-Spieler wie Djokovic. Wie gesagt: Die absoluten Topleute erkennen sofort Schwächen bei einem Gegner, auch mentale Schwächen. Die merken sofort, wenn einer nicht mit dem letzten Biss, mit der letzten Selbstgewissheit spielt.

Japan's Kei Nishikori (R) hits a shot as his coach Michael Chang looks on during a training session at Hisense Arena at Melbourne Park January 18, 2015. The Australian Open tennis tournament begins on January 19. REUTERS/Issei Kato (AUSTRALIA - Tags: SPORT TENNIS)

Sie haben einmal gesagt: Es ist wichtig, dass der Spieler selbst Lösungen findet.
Richtig. Das ist ja auch das Faszinierende am Tennis. Da stehen zwei Spieler in einem riesigen Stadion auf dem Court – und sind letzten Endes trotz Trainer und all ihrer Betreuer ganz allein mit sich selbst. Als Trainer arbeitet man ja daraufhin, dass der Spieler eben auch selbst Wege zum Sieg findet. Es ist nicht gut, wenn ein Spieler nach jedem Ballwechsel hoch zur Tribüne schaut – und einen Blick aufsetzt: Was soll ich jetzt machen. Es ist eigentlich wie überall im Sport: Wenn ein Spiel beginnt, hat der Trainer seine Arbeit gemacht. Und er hofft, dass die Dinge, die er gelehrt hat, auch umgesetzt werden.

Viele sprechen über die Ähnlichkeiten im Spiel von Nishikori und dem früheren Michael Chang.
Nun gut, es gibt gewisse Überschneidungen, weil wir beide gezwungen sind, einen Weg gegen körperlich grössere und aufschlagstärkere Gegner zu finden. Aber es gibt auch deutliche Unterschiede in unserem Stil. Man sollte das nicht überstrapazieren, das Thema.

Wie einfach oder schwer war es eigentlich für Sie, auf die Tennistour zurückzukehren?
Es war nicht einfach so, dass ich bedingungslos Ja sagte. Oder Ja sagen konnte. Schliesslich habe ich eine Familie, meine Frau, meine zwei Kinder – und ich weiss, wie schwer das Leben auf der Tour ist. Ich akzeptierte das Angebot von Kei nur, als zwei Dinge klar waren. Dass meine Frau mich dabei unterstützte und mit auf den Reisen dabei sein würde. Und dass Kei keine Probleme damit haben würde. Das war nicht der Fall, für ihn war das okay. Es war sicher auch hilfreich, dass meine Frau (Amber Liu; Anm. d. Red.) als ehemalige Spielerin ein grosses Verständnis für die Dinge hat, das ist eine grosse Hilfe.

Das Viertelfinal-Tableau der Australian Open 2015:

 

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