Im Hotelgarten am Tegernsee erzählt der neue Verteidiger des FC Basel, warum Fussball ist wie das Wetter, einfach interessanter, wie er in der Nacht von seinem Sport träumt und warum er berühmter sein möchte als der Woodstock-Begründer.
Michael Lang, wer ist Michael Lang?
Einer von Woodstock, kann das sein?
Genau. Wenn man Sie googelt, kommt zuerst der amerikanische Musikproduzent und Begründer des genannten Festivals.
Ich habe mich natürlich auch schon gegoogelt, wie das halt jeder macht. Als ich gesehen habe, dass der Musikproduzent vor mir kommt, hat mich das ein wenig gestört (lacht).
Es hat Sie gestört?
Ja, denn ich möchte der berühmteste Michael Lang sein (lacht). Aber um den Amerikaner abzulösen, braucht es wohl noch etwas mehr.
Sie müssten wahrscheinlich zu einem sehr grossen Verein ins Ausland wechseln.
Genau. So entscheidend ist es am Ende dann doch nicht, ob es noch zehn andere Michael Lang gibt, die berühmter sind. Es darf einfach keinen berühmteren Fussballer Michael Lang geben, das würde mich dann schon stören (schmunzelt).
Mit Ihrer Entscheidung, Fussballer zu werden, haben Sie sich für eine gewisse Berühmtheit entschieden. Ein risikohafter Entscheid, da ein menschlicher Körper Schwächen hat und eine Karriere schnell zu Ende sein kann.
Ich mag das Risiko, allgemein im Leben. Im Fussball kann man das Risiko minimieren, wenn man alles für seinen Körper macht, der Sportler hat seinen Körper selbst in der Hand. Aber es stimmt, es ist ein bisschen wie bei einem Formel-1-Wagen: Schraubt man irgendwo ein bisschen, kann alles aus dem Gleichgewicht geraten. So ist das mit unserem Körper.
Ihr Leben ist geprägt von Enthaltsamkeit: Sie dürfen nicht Skilaufen, Sie müssen sich bei Aktivitäten zurückhalten, die das Leben von anderen 24-Jährigen ausmachen.
Richtig. Das Leben meiner Freunde, die oft am Abend weg sind, könnte und möchte ich aber gar nicht leben. Unser Job hat sehr viel mehr positive Aspekte als negative. Zudem sind wir nicht das ganze Jahr eingeschlossen und kommen nie raus: Nach Siegen können wir auch manchmal weg, das macht es spezieller – weil es seltener der Fall ist als bei anderen Jungen.
Sie sind ein privilegierter junger Mensch.
Ja, und auch da muss ich meine Freunde zitieren, wenn sie nach dem Urlaub sagen, dass sie wieder arbeiten müssen und die freie Zeit doch wieder zu kurz gewesen sei. Was mich betrifft, so geniesse ich meine Ferien; aber ich geniesse es auch jedes Mal, wieder in die Fussballwelt einzutauchen. Das ist schliesslich nicht der triste Alltag eines Jedermann, ich möchte nicht mit jemandem tauschen.
Sie sind jetzt 24 und geniessen die Privilegien eines Profifussballers. Sie werden nie wissen, was es heisst, das normale Leben eines jungen Arbeitnehmers zu führen.
Bei den Junioren war das schwieriger als jetzt. Das Fussballspielen war schliesslich damals schon Arbeit. Einige Jugendliche möchten in dem Alter erste Erfahrungen machen im Ausgang, mit Kiffen und all dem Zeugs. Allerdings habe ich das alles gar nicht gebraucht, die Befriedigung hat mir der Fussball gegeben. Ich habe auf vieles verzichtet, aber schlussendlich hat sich das alles gelohnt.
Ist Fussball denn Arbeit für Sie?
Grundsätzlich schon. Wir müssen schliesslich antraben, wenn es verlangt wird…
…Sie müssen jetzt an diesem Tisch in diesem wunderbaren Garten sitzen.
(lacht) Richtig, ich muss mit Journalisten reden. Es ist einerseits Arbeit, andererseits eine Lieblingsbeschäftigung, die ich zum Beruf machen durfte. Und deswegen fühle ich mich privilegiert.
Ausser Sie haben wegen der gleich stattfindenden Videoanalyse keine Erholungspause zwischen den Trainings.
Wir haben schon eine Erholungspause, aber meine ist jetzt verkürzt – wegen Ihnen (lacht).
Sie analysieren das erste Spiel unter dem neuen Trainer Urs Fischer. Wobei Sie beim 4:1-Sieg gegen den SC Austria Lustenau nicht auf dem Platz standen.
Die Analyse ist für mich gleichwohl wichtig. So sehe ich, worauf der Trainer Wert legt, ob ich nun auf dem Platz stand oder nicht. Denn was er in diesem Spiel zu bemängeln hat, gilt für mich in Zukunft auch.
Können Sie uns denn schon sagen, auf was Urs Fischer Wert legt?
Er will, dass wir kompakt stehen. Wenn wir defensiv gut organisiert sind, dann sind wir extrem gefährlich. Das hat man gegen Lustenau bereits gesehen. Es muss ein Ziel sein, dass wir dominant sind. Zwei, drei Inhalte ändern sich mit dem neuen Trainer natürlich, aber grundsätzlich kann man den Fussball nicht neu erfinden. Vieles ist also ohnehin gegeben.
Der Trainer hat den Verteidigern am Montag gezeigt, dass die Hände nicht hinter den Rücken gehören, wenn Sie im Strafraum dem Stürmer entgegengehen. Kann man derart Grundsätzliches in Ihrem Alter überhaupt noch neu lernen?
Es gibt Spieler, die so in den Zweikampf gehen, weil es deren Trainer eben gerade anders rum will als unser Coach, damit es auf keinen Fall Handelfmeter geben kann. Urs Fischer, mit seiner Erfahrung als Rekordspieler in der Super League, kann da schon noch mal etwas bewegen. Zurück zum Beispiel mit den Händen hinter dem Rücken: So etwas kann man gut auch noch mit Mitte zwanzig ändern. Anderes ist schwieriger, der Laufstil oder die Technik beispielsweise, das ist problematisch. Da muss man sich auch dem Trainer anpassen können als Profi: Die einen wollen, dass gegrätscht wird, andere sagen, bleibt ja auf den Beinen.
Urs Fischer erklärt Behrang Safari und Michael Lang (im Hintergrund), wo die Hand in verschiedenen Situationen hingehört. (Bild: Andy Mueller/freshfocus)
Stimmt es eigentlich, dass Sie der Wunschspieler Paulo Sousas waren?
Ich weiss einfach, dass er sich sehr um mich bemüht hatte. Meine Entscheidung hing aber nicht davon ab. Ich bin nicht beim FCB, weil Herr Sousa der Einzige war, der mich wollte. Ich finde es übrigens auch nicht gut, wenn ein Spieler eine Entscheidung vom Trainer abhängig macht, schliesslich weiss man nie genau, wie lange ein Trainer bleibt. Er wollte mich, es gab einen Kontakt im Winter – ich bin jetzt aber nicht am Boden zerstört, weil Herr Sousa nicht mehr da ist.
Als sich Ihr Wechsel nach Basel abzeichnete, haben Sie sich da gleich intensiver mit diesem Verein auseinandergesetzt?
Als Gegenspieler habe ich mich natürlich schon immer sehr stark mit Basel auseinandergesetzt. Aber mein Kopf war bei den Grasshoppers, ich wollte unbedingt eine super Saison zu Ende spielen – auch, damit mir niemand etwas vorwerfen konnte.
Wie viele Menschen haben in Ihrem Umfeld von diesem Wechsel bereits vor der Vollzugsmeldung gewusst?
Es war nicht so, dass der Wechsel Monate vor dem Vollzug klar war. Es waren meine Familie, meine Freundin, die engsten Vertrauten. Ich habe allerdings nicht viele Menschen um Rat gebeten, es war eine Entscheidung, die ich selbst treffen musste. Und ich kann zu 100 Prozent dazu stehen.
Wie empfinden Sie eigentlich diese Transfergeschichten in den Medien? Wie ist es für Sie, dass darum derart Aufhebens gemacht wird?
Es gehört zum Fussball, und man muss die Fans und ihre Gefühle verstehen, wenn gewisse Wechsel nicht goutiert werden. Schlussendlich muss man als Spieler mit sich im Reinen sein. Sich für die Fans zu verstellen, ein anderes Gesicht aufzusetzen, das bringt alles nichts. Früher oder später kommt das raus. Und was die Geheimnistuerei angeht: Sie müssen ja auch etwas zu schreiben haben.
Müssen wir Sie uns vorstellen, wie Sie beim Frühstück mit der Zeitung über Gerüchte schmunzeln?
Es gibt Spieler, die lesen die Zeitung und fragen sich, warum es über sie keine Gerüchte gibt. Ich glaube aber nicht, dass viele so sind. Meine Situation war speziell, weil ich einen auslaufenden Vertrag hatte. Ich wurde nicht unruhig, ich wusste, dass ich mit harter Arbeit und einer guten Saison auf offene Türen stossen werde. Die Gerüchte über mich habe ich belächelt – und ich musste meinen Eltern immer wieder versichern: Glaubt es einfach nicht, ich sage euch schon, wenn ich etwas unterschreibe.
Wie ist es für Sie, dass Sie in dieser Unterhaltungsbranche arbeiten?
(lacht) Grundsätzlich leben wir von den Fans und von den Medien. Aber letztendlich geht es um Leistung.
Gibt es Momente, in denen Sie sich fragen: Was mache ich eigentlich in meinem Leben? Warum trete ich Tag für Tag gegen einen Ball?
Nein, die gibt es nicht. Vielleicht kommen diese Momente, wenn ich Mitte dreissig bin. Dann frage ich mich möglicherweise, was ich in meinem Leben gemacht habe, ich werde halt einfach Fussballspieler gewesen sein. Momentan geniesse ich es aber. Sich diese Fragen zu stellen, ist sicherlich auch abhängig vom Charakter. Ich hinterfrage mich vor allem dann, wenn mir etwas nicht passt.
Ist Fussball denn reine Unterhaltung? Oder ist da noch mehr?
Ich als Fussballer sage natürlich, dass es mehr ist.
Nämlich?
Wenn ich in der Stadt bin, dann höre ich, wie überall über Fussball geredet wird, wir Spieler werden angesprochen. Jeder oder fast jeder hat eine Verbindung mit dem Fussball. Daher kann man sagen, dass der Fussball verbindet, er hat einen grossen Stellenwert, auch im Sozialleben.
Was sagt es Ihrer Meinung nach über eine Gesellschaft aus, wenn Fussball in diesem Ausmass ein Gesprächsthema ist?
Es zeigt, dass die Gesellschaft sehr sportlich ist (lacht). Mir ist lieber, es wird über Fussball als über anderes geredet, denn meistens ist man in einem guten Gemütszustand, wenn man über Fussball reden kann. Es sind Emotionen da, es kommen positive Gefühle auf in einem Gespräch. Das ist doch schöner, als wenn man über anderes spricht, was in der Welt gerade nicht so gut läuft.
Kann man es auch so interpretieren, dass es einer Gesellschaft vergleichsweise gut geht, wenn der Fussball ein Gesprächsthema ist?
Das ist vermutlich nicht von der Gesellschaft respektive den sozialen Schichten abhängig. Denn jeder kann über Fussball sprechen, jeder weiss besser, wie am Wochenende hätte gespielt werden sollen, jeder ist Trainer. Da kann der Anwalt mit dem Bauarbeiter sprechen und gleicher Meinung sein – und es können zwei enge Freunde entgegengesetzte Ansichten haben. Das macht es interessant, und darum verbindet Fussball auch. Mit Fussball kann man sich gemeinsam befassen, auch wenn man sonst nichts mit der andere Person gemein hat.
Fussball ist also wie das Wetter.
Nur dass es interessanter zum Besprechen ist.
Ist das so?
Ja, wenn man mit jemandem über das Wetter spricht, dann hat man ganz offensichtlich nicht genügend Gesprächsthemen mit dieser Person, dann hat man sich definitiv nicht viel zu erzählen.
Freuen Sie sich, wenn Sie jemanden treffen, der von Fussball nichts versteht?
Am Anfang ist das speziell, denn meistens kommen die Leute auf mich zu, weil sie wissen, was ich mache. Aber solche Treffen stören mich keinesfalls, dann gibt es andere Gesprächsthemen. Dann kann man vielleicht darauf eingehen, was die andere Person in ihrem Leben macht. Mit mir kann man nicht nur über Fussball und den FCB sprechen, es gibt auch andere Themen.
Legen Sie denn Wert auf Gegenseitigkeit in einem Gespräch? Die Gefahr ist schliesslich gross, dass Sie nur angesprochen werden, weil Sie der Fussballer Michael Lang sind.
Eigentlich schon. Es kommt allerdings auf das Verhältnis an, das ich mit dieser Person habe. Mit Kollegen finde ich es auch nicht optimal, wenn es fast in einer Art Interview endet. Da möchte ich das Gespräch auf die andere Seite lenken. Denn ich bin 24 Stunden mit Fussball beschäftigt.
24 Stunden impliziert, dass Sie vom Fussball träumen.
24 Stunden ist natürlich eher im Sinne von «sehr sehr oft» gemeint.
Trotzdem: Träumen Sie vom Fussball?
Diese Nächte gibt es, ja.
Was sind das für Träume? Spielsituationen?
Nein, es sind eher positive Erlebnisse.
Gibt es auch schlimme Fussball-Träume? Vielleicht von schweren Verletzungen?
(lacht) Nein, solch schlimme Vorstellungen hatte ich noch nicht gross.
Würden solche Träume etwas bedeuten?
Nein, das glaube ich nicht. Denn ich hatte genügend Träume, deren Inhalte nicht im Geringsten eingetroffen sind. Sollten also dereinst solche schlimmen Fussballträume auftauchen, werde ich nicht am Morgen mit Angst aufstehen.
Können Sie sich eigentlich an den ersten Kontakt mit Urs Fischer erinnern?
Ich war 15 Jahre alt und stand vor dem ersten Vertrag beim FC St. Gallen. Urs Fischer war U21-Trainer beim FC Zürich, und irgendwann sass ich an einem Tisch mit ihm. Wir diskutierten über einen Wechsel, über Perspektiven. Wir haben uns also kennengelernt, bevor er Trainer und ich Spieler in der Super League waren.
Und jetzt sehen Sie sich in dieser Liga Seite an Seite wieder.
Im Schweizer Fussball sieht man sich immer zwei, drei Mal. Deswegen ist es für mich wichtig, mit allen friedlich auseinanderzugehen. Ich bin auch nicht zum FC Basel gekommen, um mich nur mit drei oder vier Menschen gut zu verstehen.