Zwischen Lissabon und Bern: Ein pragmatischer FC Basel verordnet sich Stabilität auf seinem vermutlich langen Weg zurück zu alter Dominanz. Nächste Station ist das Stade de Suisse und das Kräftemessen mit den Young Boys am Sonntag (16.15 Uhr).
Ein portugiesischer Journalist hat es nach dem Spiel in Lissabon erfasst, um was es dem FC Basel im Moment geht. Ob ihm denn, wurde Heiko Vogel gefragt, nach einem guten alten portugiesischen Sprichwort der Spatz in der Hand lieber gewesen sei als die Taube auf dem Dach? Der Trainer des FC Basel musste schmunzeln. Kein Risiko eingegangen zu sein, als der Schweizer Meister einen Spieler mehr war auf dem Platz, dem wollte Vogel immerhin teilweise zustimmen. «Vielleicht war es wichtiger, kein Gegentor zu bekommen.»
Zehn Wochen ist diese Saison alt, und sie hat für den FCB schon vieles bereit gehalten, was den Fussball spannend, aufregend und zur grossen emotionalen Sache macht. Grössere und kleinere Enttäuschungen inbegriffen. Glorreiche Momente sind bisher dünn gesät, aber bis zum Saisonfinale sind es noch 36 Wochen.
FCB vor langwierigerem Prozess
Super League, 9. Runde
Young Boys-FC Basel So, 16.15 Uhr (SF2 live)
Stade de Suisse. – SR Studer.
Mögliche Aufstellungen
YB: Wölfli; Sutter, Nef, Ojala, Raimondi; Zverotic, Spycher; Zarate, Farnerud, Nuzzolo; Bobadilla.
FCB: Sommer; Steinhöfer, Sauro, Dragovic, Voser; D. Degen, Cabral, Diaz, F. Frei; A. Frei, Streller.
Bemerkungen: Im Stade de Suisse hat der FCB zuletzt am 29. November 2009 verloren (0:2) und seither viermal unentschieden gespielt und einmal gewonnen. – Im Vorverkauf sind 20’600 Tickets (davon 13’900 Jahreskarten) in Bern abgesetzt worden.
Zur ausführliche Super-League-Tabelle mit Heim- und Auswärtsbilanz.
Vor ziemlich exakt einem Jahr war der FC Basel gerade dabei, die erste, schwierige Saisonphase abzustreifen, holte er in Thun ein schmuckloses 1:1, um drei Tage später mit dem 3:3 bei Manchester United der ganzen Fussballwelt zu zeigen, was er drauf hat. Danach gab es, vollgepumpt mit Selbstvertrauen, kein Halten mehr.
Davon ist der FCB derzeit ein ganzes Stück entfernt. Es fallen mehr Begriffe wie Arbeit und Geduld, wie sie die Integration neuer Spieler und neue Automatismen bedarf. Diese Mannschaft wird sich im Gegensatz zum eingespielten Gefüge der vergangenen Saison nicht mit einem Schlag befreien, es wird ein langwierigerer Prozess sein, für den im Fussball immer weniger Zeit eingeräumt wird. Auf diesem Weg kann ein Remis in der Fremde hilfreich sein.
Liebesentzug für Ricardo Löwenherz
Wer am Donnerstag die Pfiffe der Fans im Estadio Alvalade gehört und anderntags die Schlagzeilen in den Hauptstadt-Zeitungen gelesen hat, bekommt einen Eindruck davon, dass Portugiesen und Schweizer nicht nur Sprichwörter teilen, sondern auch die unbarmherzige Abrechnung in der öffentlichen Verarbeitung von Profifussball. Vielleicht ist sie in einer selbstbewussten und selbstverliebten Fussballstadt wie Lissabon , wo die täglich erscheinenden Sportgazetten ein Spiel wie jenes zwischen Sporting und Basel auf unendlich viel Papier auswalzen, noch ein bisschen gnadenloser.
«A Bola», das auflagenstärkste Blatt, stellte nach der Nullnummer gegen Basel fest: «Die Geduld ist erschöpft.» Trainer Ricardo Sá Pinto, den die Fans der «Löwen» seit seiner Zeit als Sporting-Spieler mit dem Beinamen «Löwenherz» vergöttern, wird in Frage gestellt. Das Politblatt «Diário de Notícias» hat Sporting «wie eine kleine Mannschaft» spielen gesehen und «informação», eine Zeitungsneugründung, analysierte: «Mit der Roten Karte für Xandão brach das Kartenhaus zusammen, wurde die dunkle Vergangenheit an die Oberfläche gebracht.» Dass Sá Pinto hinterher vom «Gefühl grosser Ungerechtigkeit» sprach, wird als Ausrede abgetan.
Das alles hinterlässt eine Ungewissheit, ob Basel das Löwenherz noch als Trainer erleben wird, wenn Sporting am 22. November in den St.-Jakob-Park kommt. Dannzumal wird man auch über den FCB klarer urteilen können.
So erzielte der KRC Genk, am 4. Oktober nächster Gegner des FCB, die Tore beim 3:0 gegen den Videoton FC aus Ungarn.
Der Pragmatismus des FCB
Der hat gegen ein zwar verunsichertes, aber immer noch mit grosser, derzeit aber nicht entfesselter fussballerischer Power besetztes Sporting defensive Stabilität demonstriert. Wer sich an die beiden chancenlosen Auftritte im Alvalade vor vier Jahren erinnert, dem kommt der Aphorismus vom Spatz und der Taube treffend vor. In mehr als 40 Minuten Überzahl nicht überschwänglich den Siegtreffer gesucht zu haben, sondern nüchtern seiner derzeitigen Verfassung und Möglichkeiten nach diesen wertvollen Punkt mitgenommen zu haben, ist Ausdruck von Pragmatismus und auch einer gewissen Reife dieser Mannschaft.
Sie hat dafür in Kauf genommen, dass sie – den Cupmatch gegen das sechstklassige Amriswil ausgeklammert – zum dritten Mal hintereinander kein Tor erzielt hat. Dafür gibt in der jüngeren Buchhaltung kein Beispiel. «Es wird wieder einmal Zeit, dass wir treffen», sagt Alex Frei, der selbst erst zwei Tore in der Meisterschaft und zwei gegen Tallinn erzielt hat, allerdings auch fünf der 16 Saisonspiele verpasst hat.
Gewappnet für die Young Boys
Als der FC Basel Freitagmittag den Altweibersommer von Lissabon hinter sich liess, machte Heiko Vogel deutlich, was ihm zum Start der Europa League gefallen hat: «Die Solidarität auf dem Platz und das Einstehen füreinander.» Der Trainer nennt es das Fundament im Fussball. «Auf dieser Leistung», sagt Verteidiger Markus Steinhöfer, «kann man aufbauen», was andeutet, dass auch die Spieler selbst Steigerungspotenzial erkennen.
Fünf Aufgaben stehen nun in zwei englischen Wochen bis zur nächsten Länderspielpause an, die erste am Sonntag in Bern, und Vogel sagt: «Wir sind gewappnet.» Das Gesicht der Mannschaft wird sich im Stade de Suisse anders präsentieren, Vogel will frische Kräfte bringen. Fabian Frei und Jacques Zoua sind erste Kandidaten, aber auch David Degen und Linksverteidiger Kay Voser.
Cabrals gestiegener Stellenwert
Wie auch immer: Der Trainer hofft, dass sein Team in Bern anknüpfen kann an das Spiel vom Donnerstag. Gegen ein YB, das den 3:5-Nackenschlag gegen Liverpool wegstecken muss, das aber in Gonzalo Zarate einen neuen, zweiten gefährlichen Stürmer neben Raul Bobadilla hat. «Es treffen zwei spielstarke Mannschaften aufeinander. Ich freue mich auf dieses Highlight», sagt Vogel.
Festgespielt in der Startelf, und das ist eine der bemerkenswerten Entwicklungen dieser Saison, hat sich Cabral. «Er bietet etwas an, was andere nicht haben: seine defensive Präsenz, seine Zweikampfstärke, seine Steels», lobt Vogel. Im 4-4-2 des FCB, einer Mischform bis hin zur Mittelfeldraute, wie der Trainer ausführt, haben Marcelo Diaz und Cabral den Auftrag, die Abstimmung zwischen offensiven und defensiven Aufgaben zu finden. Vogel war zufrieden mit dem, was er in Lissabon gesehen hat, und hebt die Positionstreue Cabrals hervor. Diaz, das hat Vogel nicht gesagt, muss seinen Einfluss aufs Spiel noch markant erhöhen, um die Verpflichtung zu untermauern.
Die acht Tore in Bern vom Europa-League-Match YB-Liverpool (3:5).
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