Mit diesen Fakten sind Sie bestens für das drittgrösste Sportereignis der Welt gewappnet

Am Freitag beginnt die Rugby-Weltmeisterschaft in England. Ein Ereignis der Sonderklasse: Hunterttausende Gäste, Millionen Zuschauer und noch mehr Pints. Ein paar Gründe, warum Sie einschalten sollten.

England�s Sam Burgess goes on the charge during an international rugby union match between England and Ireland at Twickenham Stadium in London, Saturday, Sept. 5, 2015. (AP Photo/Alastair Grant)

(Bild: ALASTAIR GRANT)

Am Freitag beginnt die Rugby-Weltmeisterschaft in England. Ein Ereignis der Sonderklasse: Hunterttausende Gäste, Millionen Zuschauer und noch mehr Pints. Ein paar Gründe, warum Sie einschalten sollten.

Was ist Rugby? Krieg mit Gentlemen-Rules

Man sagt, Rugby ist ein Hooligansport, ausgeübt von Gentlemen. Das Spiel ist von intensiver Physis geprägt und wirkt für Laien ungestüm, hart und brutal. Dabei ist Rugby durch unvergleichliche Fairness gekennzeichnet. Schiedsrichterentscheidungen werden traditionell klaglos hingenommen. Dem Gegner wird nach einer Partie höchster Respekt erwiesen. Pfiffe der Zuschauer oder gar Ausschreitungen zwischen verfeindeten Fangruppen sind unbekannt.

Im Gastgeberland England ist Rugby ein Sport des Bürgertums. Während lediglich sechs Prozent der Fussballer ein Elite-Internat besucht haben, sind es bei den Rugby-Spielern fast 60 Prozent. Auch in den anderen grossen Rugby-Nationen ist das Spiel mit dem eiförmigen Lederball immer noch vorwiegend eine Sache des Establishments.

Fing nicht alles mit einem Foul an? Und wie…

Die Rugby-Geschichte beginnt der Legende nach mit einem Regelverstoss. 1823 soll in der englischen Kleinstadt Rugby der Schüler William Webb Ellis wegen der drohenden Niederlage seiner Fussballmannschaft den Ball in die Hand genommen und in das gegnerische Tor getragen haben. Zweifel sind angebracht, da es zu dieser Zeit Fussball, wie wir ihn heute kennen, noch nicht gab. Nichtsdestotrotz ist die Weltmeister-Trophäe nach eben jenem William Webb Ellis benannt.

Ab 1871 gab es dann ein einheitliches Regelwerk, in dem etwa festgelegt war, dass Rugby ein reiner Amateursport sei und jede Geldzahlung an einen Spieler zum Ausschluss aus dem Verband führe. Kein Problem für die jungen Männer des Südens, die fast alle aus wohlhabenden Familien stammten. Im ärmeren, proletarischer geprägten Norden hingegen entschied man sich für Zahlungen an die Spieler.

Sein Regelverstoss soll der Ursprung des Rugbys sein: William Webb Ellis soll bei einem Fussballspiel den Ball in die Hand genommen und ins Tor getragen haben. (Bild: Voyager/Wikipedia CC)

22 Vereine gründeten deshalb 1895 einen eigenen Verband, der schnell Profibedingungen und ein eigenes Regelwerk installierte. Die Spielerzahl wurde von 15 Spielern (Rugby Union) auf 13 Spieler (RugbyLeague) reduziert. Das Spiel ist dadurch von grösserer Dynamik nach vorn geprägt, da gegen Angriffe weniger wirkungsvoll verteidigt werden kann.

Ein noch grösserer Vorteil in der Angriffsbewegung entsteht beim sogenannten 7er-Rugby (sieben Spieler), das ebenfalls vor über 100 Jahren von einem Schotten entwickelt wurde. Diese Variante ist ab 2016 in Rio de Janeiro wieder olympisch.

Ist die WM wichtig? Ja, sie ist das drittgrösste Sportereignis der Welt – und es werden 5 Millionen Pints zusätzlich ausgeschenkt

Noch bis Mitte der 90er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts schien die Rugby-Union eine Privatangelegenheit von Briten, Iren, Franzosen, Südafrikanern und Südsee-Insulanern zu sein. Doch mittlerweile hat sich der Rugby-World-Cup zum drittgrössten Sportereignis der Welt entwickelt; nach den Olympischen Spielen und der Fussball-Weltmeisterschaft – und noch vor der Fussball-Europameisterschaft.

Für das Turnier, das zwischen dem 18. September und dem 31. Oktober in 13 Stadien in England und Wales ausgetragen wird, sind bereits 2,25 Millionen Tickets (95 Prozent des Gesamtkontingents) verkauft worden. 103 TV-Sender übertragen die WM in 209 Länder und fast 800 Millionen Haushalte. Damit sind schon jetzt die Rekordzahlen des Rugby World Cups 2007 in Frankreich pulverisiert.

» Weitere Infos zum Turnier auf der offiziellen Website

Etwa 500’000 ausländische Gäste werden – nach Schätzungen der lokalen Wirtschaft – allein in London 300 Millionen Euro ausgeben. Die British Beer and Pub Association rechnet mit einem Extra-Ausstoss von fünf Millionen Pints. Was nicht weniger als 2,84 Millionen Liter Bier entspricht.

Schaut sich das jemand live an? Und wie: 82’000 Zuschauer passen ins «Home of English Rugby»

Eröffnet und beendet wird der diesjährige Rugby World Cup in Twickenham. Am südwestlichen Rand von London steht seit 1909 Englands Rugby-Nationalstadion. Mit Platz für 82’000 Zuschauer ist das «Twickers» nach Wembley die zweitgrösste Arena des Landes und hat für die englische Rugby-Seele ähnliche Bedeutung wie der legendäre Eden-Park in Auckland für die All Blacks aus Neuseeland.

Wird es spannend? Aber klar, selbst der dritte Platz in der Gruppe ist umkämpft

Das Turnier startet mit einer Gruppenphase, in der je fünf Teams in vier Pools um die ersten beiden Plätze und die damit verbundene Viertelfinal-Qualifikation spielen. Die dritten Gruppenplätze werden allerdings ebenso hart umkämpft sein, da sie die Qualifikation für die nächste WM 2019 in Japan garantieren. Als Todesgruppe gilt Pool A, in dem sich mit Australien, Wales und England gleich drei absolute Top-Teams befinden. Eins dieser Schwergewichte wird noch vor den Playoffs die Heimreise antreten.

 

» Alle Gruppen in der Übersicht

Gewinnt nicht immer Neuseeland? Doch, irgendwie schon

Topfavorit auf den Titel ist – wie eigentlich vor jeder Weltmeisterschaft – das Team aus Neuseeland. Die All Blacks sind nicht nur Titelverteidiger und Führende der aktuellen Weltrangliste, sondern haben nach Meinung aller Experten die mit Abstand grösste Anzahl an Ausnahmekönnern in ihrem Team. Die Mannschaft hat lediglich zwei ihrer 47 Länderspiele seit dem Titelgewinn 2011 verloren.

Als grösster Gegner der All Blacks gelten, neben den eigenen Nerven, die Franzosen. Sie eliminierten den haushohen Favoriten in zwei der vergangenen vier Weltmeisterschaften und waren auch im Final von 2011 das bessere, aber unterlegene Team.

Von den Mannschaften der nördlichen Hemisphäre werden neben Frankreich England und Irland die besten Chancen auf den Titel eingeräumt. Die Gastgeber haben ihre Mannschaft, in der es seit dem Karriere-Ende von Superstar Jonny Wilkinson an herausragenden Persönlichkeiten mangelt, einer wochenlangen beinharten Vorbereitung unterzogen. Der Teamgeist sei, so Kapitän Chris Robshaw, «so gut wie schon seit Jahren nicht mehr».

In Irland hat der neuseeländische Coach Joe Schmidt ebenfalls eine verlässlich funktionierende Mannschaft geformt. Das Team um Jonathan Sexton, einen der besten Spielmacher der Welt, hat die vergangenen beiden Six-Nations-Turniere (eine Art Rugby-Union-Europameisterschaft) gewonnen. Dagegen spricht, dass die Boys von der Grünen Insel noch nie in der Geschichte des Rugby World Cups das Halbfinale erreichen konnten.

Gibt es auch Aussenseiter und Exoten, wie an einer Fussball-WM? Absolut

Als interessanteste Farbtupfer einer jeden Rugby-Union-Weltmeisterschaft gelten die Teams aus der Südsee: Tonga, Fidschi und Samoa. Hier hat Rugby fast schon religiösen Charakter und die Spieler geben keinen Zentimeter preis, ohne ihren Gegnern wehzutun.



Rugby Union - Samoa - Rugby World Cup Welcome Ceremony - Brighton Dome - 11/9/15 Samoa's squad pose for a team photograph during the welcome ceremony Action Images via Reuters / Paul Childs Livepic

Willkommen am Rugby World Cup: Die samoanische Mannschaft bei der Eröffnungszeremonie. (Bild: Paul Childs)

Daneben ist es vor allem Japan, dem viele eine Überraschung zutrauen. Nicht umsonst findet die nächste Weltmeisterschaft 2019 dort statt. Die Mischung aus talentierten Japanern und erfahrenen Expats stellt für die arrivierten Rugby-Nationen eine zunehmende Gefahr dar.

Und sind die Messis und Ronaldos des Rugbys? Sagen wir Ihnen gerne:

Dan Carter (Neuseeland) – ist der Posterboy des Union-Rugby schlechthin. Er gilt als beste Nummer 10 (Spielmacher) aller Zeiten. Niemand hat in der Geschichte des Union-Rugby mehr Punkte erzielt als der 33-Jährige. Der Rugby World Cup in England ist Carters vierte Weltmeisterschaft. Nachdem er bei der Heim-WM vor vier Jahren vor dem Viertelfinale wegen eines Adduktorenrisses für den Rest des Turniers ausfiel, soll England 2015 nun den Höhepunkt seiner Karriere darstellen. 

Israel Folau (Australien) – der 26-Jährige hat als einer der wenigen Spieler Erfahrung sowohl in Union-Rugby als auch in League-Rugby und dem in Down Under ebenso populären Australian Rules Football. Der 103 Kilogramm schwere Folau hat einen explosiven Antritt und reisst die Zuschauer in Australien bei seinen Sturmläufen regelmässig aus ihren Sitzen. Sollten die Wallabies die Todesgruppe überleben, wird Folau entscheidenden Anteil daran haben. 

Jonathan Sexton (Irland) – der 30-jährige Ire gilt neben Dan Carter als bester Spielmacher der Weltmeisterschaft und hatte entscheidenden Anteil an den beiden Six-Nations-Siegen der Iren in den Jahren 2014 und 2015.

David Pocock (Australien) – der in Simbabwe aufgewachsene Pocock wurde nach seiner brillanten Performance gegen Südafrika im Viertelfinale der vergangenen WM in Neuseeland schon als nächster Superstar des Union-Rugby gefeiert. Mit 27 Jahren ist er im besten Rugby-Alter und könnte vier Jahre nach seinem blitzartigen Aufstieg in England endlich seinen Vorschusslorbeeren gerecht werden.

Und wann gehts genau los? Am Freitag um 19 Uhr mit einem speziellen Anpfiff

Das Zeichen für den Kickoff wird am Freitag aus einer 110 Jahre alten Pfeife gegeben werden, in die der walisische Referee Gil Evans erstmals 1905 blies. Als einer der Favoriten, die das Finale in Twickenham pfeifen dürfen, gilt Nigel Owens. Der Waliser hat sich kürzlich zu seiner Homosexualität bekannt und damit in der Rugbywelt für Furore gesorgt.

Nächster Artikel