Mitten im Hype, den seine Verpflichtung als Trainer des FC Bayern München ausgelöst hat, bittet Pep Guardiola um Geduld. 250 Journalisten bei seiner ersten Pressekonferenz lassen erahnen: Auf die wird der Katalane kaum zählen dürfen.
Mit einem Schlag wird es ruhig im aufgewühlten vollen Bauch der Allianz-Arena. Eben hatte es hier drinnen noch hektisch rumort und wie wild gepoltert, aber plötzlich ist es verdächtig still im überfüllten Mediensaal. Eine Minute vor zwölf ist der kollektive Hype, der in den letzten Tagen vor der offiziellen Präsentation von Pep Guardiola in eine regelrechte Hysterie ausgeartet war, einer allgemeinen Neugier gewichen.
Wie wird er sich gleich präsentieren? Was wird er wohl alles verkünden? Wie sieht’s mit seinem Deutsch aus? Und überhaupt: Trägt Josep «Pep» Guardiola an seinem ersten Arbeitstag beim FC Bayern gar schon die landestypische Lederhose?
Fragen über Fragen, die den 250 Journalisten an diesem denkwürdigen Tag – der grosse FC Bayern feierte die grösste Pressekonferenz der Clubgeschichte – durch den Kopf gehen, während sie alle die kleine weisse Tür neben dem Podium keine Hundertstelsekunde aus den Augen lassen. Der Hauptdarsteller, der Mann, auf den alle so sehnsüchtig warten, er erscheint durch den Nebeneingang.
«Ich war richtig nervös»
Als dann kurz nach zwölf endlich die weisse Tür aufgeht, ist es wieder schlagartig vorbei mit den Augenblicken der Beschaulichkeit. Die Kameras knipsen, die Blitze zucken, und für wenige Sekunden ist der neue Trainer des FC Bayern gar nicht mehr auszumachen in diesem Sturm, der über ihn einbricht. Die Kameras und Objektive haben den 42-Jährigen schlichtweg verschluckt. Kein Wunder, dass angesichts dieses Rummels selbst der Ekstase-erprobte Pep Guardiola später zugeben sollte: «Ich war richtig nervös.»
Denn spätestens als er am Sonntag-Abend Münchner Boden betreten hatte, wurde ihm endgültig klar, welche Wogen seine Verpflichtung in Deutschland ausgelöst hatte. Pep hier, Guardiola da, Pep Guardiola überall. Der TV-Sender Sport 1 erklärte den 24. Juni zum offiziellen Pep-Tag und präsentierte eine Sondersendung nach der anderen; die Münchner Radio-Stationen übertrafen sich mit Infos und Details aus dem Privatleben des neuen Supertrainers.
Die «Sport-Bild» hatte bereits am Sonntag das erste offizielle Pep-Foto in München getwittert, ein Reporter der Onlineredaktion der «Tageszeitung» verkündete, dass er Guardiola beim Frühstück getroffen habe. «Mir ist bewusst, dass ich bei einem der grössten Fussballvereine der Welt arbeite», ergänzte Guardiola denn auch, «ich kann mich jedenfalls nicht beklagen.»
«Grüss Gott, verzeihen Sie mein Deutsch»
Gleich zu Beginn hatte der Katalane die Öffentlichkeit – zahlreiche deutsche TV-Stationen unterbrachen ihr Programm und sendeten die Präsentation live – mit seinen Deutschkenntnissen verblüfft. «Guten Tag, grüss Gott, meine Damen und Herren. Verzeihen Sie mir mein Deutsch», erklärte Guardiola, der das letzte Jahr in den USA verbracht hatte, in seinem Anfangsstatement, und entschuldigte sich gleich vorweg für sprachliche Hoppalas: «New York ist leider kein optimaler Ort um Deutsch zu lernen.» Dabei spricht der 42-Jährige schon jetzt besser Deutsch als Giovanni Trapattoni zu seinen besten Zeiten.
Als Pep Guardiola so sympathisch und bodenständig und perfekt vorbereitet die Fragen beantworte, war den Bayern-Bossen Uli Hoeness und Karl-Heinz Rummenigge die Genugtuung sichtlich anzumerken. Als sie vor zwei Jahren in der Allianz-Arena vom Spanier angesprochen worden waren, dachte noch keiner der beiden, dass der erfolgreichste Trainer der letzten Jahre einmal die Coaching Zone der Bayern betreten würde. Zu gross schien die finanzielle Konkurrenz aus England, zu tief schien der Katalane Guardiola mit dem FC Barcelona verwurzelt.
Dabei hatte Guardiola schon damals im Beisein von Hoeness und Rummenigge in höchsten Tönen von diesem FC Bayern geschwärmt. «Schau dir die Geschichte dieses Vereins an, schau dir an, welche Spieler hier gespielt haben. Der FC Bayern ist für mich eine riesige Herausforderung.» Und Karl-Heinz Rummenigge ergänzt. «Das ist eine Partnerschaft, die beide Seiten von Herzen wollen.»
Ein demütiger Trainer ohne Allüren
Da störte es dann auch nicht weiter, dass Guardiola bei den Bayern ein kühler Empfang bereitet wurde. Draussen präsentierte sich München wie im Spätherbst: elf Grad über Null, Regen, Wind. Aber drinnen in den Katakomben der Allianz-Arena, da kam einem bei der Präsentation des Katalanen vieles ziemlich spanisch vor. Die Bayern servierten Schinken aus Serrano, Chorizo und Crema Catalana, und damit ja auch der letzte, der 250 internationalen Reporter begreift, welcher Transfer-Coup dem Triple-Sieger da gelungen ist, wurde über die Leinwand noch schnell ein Video über das erfolgreiche Trainerleben von Guardiola eingespielt. «Er ist nicht nur den FC Bayern eine Bereicherung, Pep Guardiola bereichert den ganzen deutschen Fussball», meint Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge.
So grosses Lob von oberster Stelle und so viele Vorschusslorbeeren machten den neuen Star dann fast ein wenig verlegen. Überhaupt präsentierte sich der erfolgreichste Fussball-Trainer der letzten Jahre voller Demut und ganz ohne Allüren. Bei seinen Statements war oft von Stolz und Glück die Rede. Der Stolz, bei diesem Verein arbeiten zu dürfen, wie Pep Guardiola mehrfach versicherte. Und das Glück, überhaupt die Chance erhalten zu haben, bei den Bayern Trainer zu sein: «Bei diesem berühmten Verein Trainer zu sein, das ist ein Geschenk. Diese Mannschaft hat eine perfekte Saison gespielt. Das will ich fortsetzen.»
«Die Fans kommen wegen der Spieler – nicht wegen des Trainers»
Damit unterscheidet er sich grundlegend von so manchem seiner eitlen Vorgänger. Jürgen Klinsmann hatte seinerzeit bei seinem Kurz-Gastspiel bei den Bayern alles über den Haufen geworfen und behauptet, den Fussball neu erfinden zu wollen; der Niederländer Louis van Gaal wiederum hatte den Bayern-Bossen Hoeness und Rummenigge erklärt: «Die Bayern müssen froh sein, dass ich hier bin.»
Solche kecken Ansagen sind aus dem Mund von Pep Guardiola nicht zu hören. Er spricht lieber über seine Fussball-Philosophie («ich will immer angreifen»), seine taktischen Überzeugungen («das System ist egal, ich muss mich an die Spieler anpassen, und nicht umgekehrt»), den Druck als Bayern-Trainer («damit werde ich leben müssen, das ist auch eine schöne Herausforderung») und über die wahren Helden des Sports: «Die Fans kommen wegen der Spieler, wegen der Mannschaft ins Stadion. Die kommen nicht wegen des Trainers.»
Man kann jetzt verstehen, wieso sich Uli Hoeness mit Pep Guardiola so gut versteht. Im Dezember 2012 war er zu den letzten Verhandlungen nach New York gereist und hatte die Familie Guardiola besucht. «Nach fünf Minuten war mir klar: Das passt.»
Die bitte um Geduld
Bei Pep Guardiola wird’s wohl länger dauern, bis er endgültig in München angekommen ist. «Bitte gebt mir etwas Zeit», bat er die Öffentlichkeit. Zwar hat er im Frühjahr in New York Woche für Woche die Spiele der Bayern verfolgt, «aber ich muss die Mannschaft, die Liga und auch die Sprache erst richtig kennen lernen. Im nächsten halben Jahr werde ich wohl an der Säbenerstrasse leben.»
Eine Stunde stand Pep Guardiola an seinem ersten Arbeitstag in München den internationalen Reportern, die sogar aus Katar, Japan und den USA eingeflogen kamen, Rede und Antwort. Dann noch ein letztes Fotoshooting und verschwunden war er wieder. Bis zum nächsten offiziellen Termin, bis zur nächsten Massenhysterie. Für das erste öffentliche Training am Mittwoch werden schon wieder 25’000 Fans erwartet. «Beim zweiten Mal werden’s dann wohl weniger», hofft Guardiola.
Um die gefürchtete bayrische Lederhose ist der neue Bayern-Coach gestern noch herum gekommen. Das hat Zeit bis zum Oktoberfest.